Wegen ungenauer Zeugenangaben war der Tatvorwurf nicht erweislich
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Zif 1 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Der Berufungswerber wurde vom Meldungsleger Bezirksinspektor M am 16.11.1990 zur Anzeige gebracht, weil an diesem Tage bei dem PKW des Berufungswerbers während der Fahrt beide Hecktüren aufgegangen seien und einen geparkten PKW beschädigt haben sollen. Der Meldungsleger führt in der Anzeige aus, während einer Ortsverhandlung in Wien 6, Stumpergasse 17 habe ihm das Mitglied der Kommission, nämlich der Zeuge K folgendes mitgeteilt:
"Am 16.11.1990 um 12.55 Uhr fuhr ich mit meinem PKW in Wien 7, auf der Schottenfeldstraße von der Lindenstraße kommend Richtung Mariahilfer Straße. Der beteiligte A fuhr als zweites Fahrzeug vor mir. Plötzlich gingen beide Hecktüren des beteiligten A auf und die linke Türe beschädigte beim Ausschwenken einen parkenden PKW. Es stiegen zwei Männer aus dem LKW, besahen den Schaden und setzten die Fahrt fort. Da ich mich im Fließverkehr befand, konnte ich das Kennzeichen des beschädigten Fahrzeuges nicht wahrnehmen. Der betreffende LKW ist in Wien 6, Stumpergasse zum Parken abgestellt."
Der Meldungsleger führt weiters aus, von ihm selbst habe am LKW an der linken hinteren Türe an der rechten Unterkante eine Abschürfung festgestellt werden können.
Auf Grund dieser Anzeige wurde der Berufungswerber geladen, welcher Ladung er jedoch nicht Folge leistete und es erkannte die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Neubau, mit Straferkenntnis vom 7.3.1991, Zl Pst 4084/N/90, in der Folge den Berufungswerber schuldig, er habe am 16.11.1990 um ca. 12.55 Uhr in Wien 7, Schottenfeldgasse zwischen Lindengasse und Mariahilfer Straße als Lenker des LKW XY einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und es unterlassen ohne unnötigen Zeitaufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen, obwohl er seinen Unfallgegner nicht seine Personalien nachgewiesen habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs 5 StVO begangen. Gemäß § 99 Abs 3 lit b StVO wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt. In der Begründung führt die Behörde aus, der dem Beschuldigten zur Last gelegte und im Spruch beschriebene Sachverhalt sei durch die Angaben des Meldungslegers in der Anzeige erwiesen, die sich auf die Angaben des Zeugen K begründen. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Berufungswerber fristgerecht Berufung.
Gemäß § 4 Abs 5 StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschachen entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmariedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Absatz 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Eine Meldepflicht besteht nur dann, wenn eine Sachbeschädigung tatsächlich eingetreten ist. Ein "Sachschaden" liegt nur dann vor, wenn eine oder mehrere Personen einer oder mehreren anderen Personen oder wenn zwei oder mehrere Personen einander Vermögensschäden (und nicht nur sich selbst) zugefügt haben (vgl das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.12.1979, Zl 1880/79, ÖJZ 1980, 556).
Die Behörde gründet die Annahme, es sei an einem dem Berufungswerber nicht gehörenden KFZ ein Sachschaden eingetreten, auf die Angaben des K in der Anzeige. Diese hat, wie oben ausgeführt, angegeben, er habe beobachtet, wie der Berufungswerber mit seinem LKW ein anderes Fahrzeug beschädigt habe. In der Anzeige wird als Beschädigung bei A (=das Fahrzeug des Berufungswerbers) folgender Sachschaden genannt: "Linke hintere Türe rechts unten abgeschürft". Bei B (=das gegnerische Fahrzeug, PKW oder KKW, vermutlich Renault Kombi schwarz oder grau lackiert) als Sachschachen: "Rechte Hinterseite zerkratzt". Diese Angaben zu den Sachschäden gründen sich auf die Wahrnehmungen des Zeugen K. Wohl stellen auch Lackschäden bzw Kratzer im Lack einen Sachschaden im Sinne des § 4 Abs 5 StVO dar, doch genügt für einen Schuldspruch wegen Übertretung des § 4 Abs 5 StVO die Möglichkeit einer Verursachung eines Schadens an dem beteiligten Fahrzeug nicht, sondern von der belangten Behörde ist der Beweis für einen derartigen Sachschaden zu liefern (vgl das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.2.1983, Zl 82/02/0236). Ein solcher Beweis wurde aber nicht erbracht bzw ist auch nicht möglich, da von dem angeblich beschädigten Fahrzeug nicht einmal das polizeiliche Kennzeichen bekannt ist. K hat zwar angegeben, daß der Berufungswerber mit seinem Lastkraftwagen ein parkendes Fahrzeug beschädigt hätte, doch fehlt jede nähere Angabe über die Art des Schadens. Laut Anzeige sollte die "rechte Hinterseite zerkratzt" worden sein, doch hat K, weil er sich im Fließverkehr befunden hat, nicht einmal das Kennzeichen des beschädigten Fahrzeuges wahrnehmen und auch keine genauen Angaben über die Beschädigung machen können. Weitere Angaben über die Beschädigung finden sich im Verwaltungsakt nicht. Der Anzeige nach wurde in der Schottenfeldgasse nach dem beschädigten Fahrzeug gesucht, dieses aber nicht wahrgenommen.
Aus allen diesen dargelegten Gründen ergibt sich, daß die dem Berufungswerber zur Last gelegte Tat nicht als erwiesen angenommen werden kann und daher im Zweifel für den Beschuldigten das Verfahren einzustellen war.