TE UVS Wien 1991/08/29 03/21/368/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.08.1991
beobachten
merken
Betreff

Eine Einschränkung der Benützungsart auf einen bestimmten Personenkreis entzieht einer Straße nicht den Charakter einer Verkehrsfläche

Spruch

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird

1) das angefochtene Straferkenntnis in der Schuldfrage mit der Abänderung bestätigt, daß die Tatumschreibung wie folgt:

"Sie (Herr B) haben am 29.12.1990 um 8.24 Uhr in Wien 12, Liebenstraße 40 als Zulassungsbesitzer den KKW Marke Datsun Stanza, grau lackiert, mit dem polizeilichen Kennzeichen XY abgestellt und am KFZ die Probefahrtkennzeichen angebracht gehabt, obwohl das Abstellen nicht in einem Zusammenhang mit dem Zweck einer Probefahrt gestanden ist."

und die verletzte Rechtsvorschrift statt § 45 Abs 1 KFG: § 45 Abs 4 2. Satz KFG 1967

zu lauten hat.

2) der Berufung insoweit Folge gegeben, als die Strafe von S 800,--,  im Uneinbringlichkeitsfall 32 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe auf S 400,--, im Uneinbringlichkeitsfall 16 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe herabgesetzt wird. Demgemäß wird der Strafkostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz auf S 40,-- herabgesetzt.

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

Auf Grund einer Anzeige des RevI S vom 29.12.1990 erließ die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Meidling eine Strafverfügung, mit welcher sie den Berufungswerber schuldig erkannte, am 29.12.1991 als Zulassungsbesitzer um 8.24 Uhr in Wien 12, Liebenstraße 40, den KKW mit dem polizeilichen Kennzeichen XY, Marke Datsun Stanza, grau lackiert, die Probefahrtkennzeichen angebracht zu haben, obwohl es sich um keine Probefahrt gehandelt hat.

Gegen diese Strafverfügung erhob der Berufungswerber fristgerecht Einspruch und führte darin aus, sein KFZ sei nicht auf einer öffentlichen Verkehrsfläche abgestellt gewesen.

In seiner zeugenschaftlichen Einvernahme führte RevI S am 18.2.1991 aus, daß das zur Anzeige gebrachte KFZ, an dem die Probefahrtkennzeichen fix montiert waren, zur fraglichen Zeit am Tatort abgestellt gewesen sei. Beim Tatort handle es sich um eine öffentliche Verkehrsfläche. Der Motor des KFZ sei kalt und die Scheiben seien vereist gewesen. Auf Grund dieser Umstände müßte das KFZ schon längere Zeit an dieser Stelle gestanden sein. In seiner Stelungnahme vom 22.5.1991 gab der Berufungswerber an, daß es zwar richtig sei, daß das KFZ mit Probefahrtkennzeichen abgestellt gewesen und keine Probefahrt durchgeführt worden sei, trotzdem aber sei das Probefahrtkennzeichen nicht mißbräuchlich verwendet worden.

Mit Straferkenntnis vom 7.6.1991, Zl Pst 7511/Ml/90, erkannte die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Meidling, den Berufungswerber schuldig, er habe am 29.12.1990 um 8.24 Uhr in Wien 12, Liebenstraße 40, als Zulassungsbesitzer des KKW der Marke Datsun Stanza, grau lackiert - mit dem polizeilichen Kennzeichen XY am KFZ die Probefahrtkennzeichen angebracht gehabt, obwohl es sich um keine Probefahrt gehandelt habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 45 Abs 1 KFG begangen. Gemäß § 134 Abs 1 KFG wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von S 800,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 32 Stunden verhängt.

In seiner dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung machte der Berufungswerber Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 29.8.1991 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durch. Im Zuge dieser Verhandlung wurde der Berufungswerber einvernommen sowie der Zeuge RevI S.

Gemäß § 45 Abs 1 KFG 1967 (KFG) dürfen Probefahrten mit nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern oder Fahrgestellen solcher Fahrzeuge auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur mit Bewilligung der Behörde durchgeführt werden, in deren örtlichen Wirkungsbereich der Ort liegt, von dem aus der Antragsteller hauptsächlich über die Verwendung der Probefahrtkennzeichen verfügt. Probefahrten sind Fahrten zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen oder ihrer Teile oder Ausrüstungsgegenständen oder Fahrten um Fahrzeuge vorzuführen. Als Probefahrten gelten auch Fahrten zur Überführung eines Fahrzeuges an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebes und Fahrten zum Ort der Begutachtung oder Überprüfung des Fahrzeuges nach dem III und IV Abschnitt. Gemäß § 45 Abs 4 KFG dürfen unter anderem Probefahrtkennzeichen (§ 48 Abs 3) nur bei Probefahrten geführt werden.

1) Der Berufungswerber bestreitet nicht, sein Fahrzeug zur Tatzeit mit einem Probefahrtkennzeichen versehen am Tatort abgestellt zu haben. Er bringt vor, er sei jedoch im Glauben gewesen, daß es sich um eine private Verkehrsfläche und nicht um eine öffentliche gehandelt habe. Dies deshalb, weil er sein Fahrzeug schon jahrelang dort abgestellt gehabt habe und auch entsprechende Tafeln vorhanden seien. Der Berufungswerber bringt vor, es befinden sich an der Tatörtlichkeit Tafeln mit folgendem Text:

"Abstellung von Personenkraftfahrzeugen nur für Mieter dieser Wohnhausanlage gegen jederzeit möglichen Widerruf und auf Gefahr der Benützer! Der Abstellplatz wird bei Schneelage und Glatteis weder gereinigt noch bestreut. Auf dem Abstellplatz ist das Waschen und Reinigen der Kraftfahrzeuge untersagt." Fotokopien von Fotos, die diese Tafeln zeigen, sind vom Berufungswerber vorgelegt worden.

Als "Straßen mit öffentlichem Verkehr" gelten gemäß § 1 Abs 1 StVO 1960 solche Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.

Unter der Benützung für "jedermann" unter gleichen Bedingungen" ist zu verstehen, daß irgendeine denkbare Benützung im Rahmen des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs jedermann offenstehen muß; nicht aber kann der Begriff der Benützung unter den gleichen Bedingungen so ausgelegt werden, daß die Einschränkung einer Benützungsart auf einen bestimmten Personenkreis allein der Straße den Charakter einer öffentlichen Verkehrsfläche entzöge; bei einer solchen Auslegung trete diese Folge nämlich immer schon dann ein, wenn zB Zufahrts-, Park- oder Haltebeschränkungen zugunsten eines sachlich oder persönlichen umschriebenen Kreises von Benützern durchbrochen werden (so der Verwaltungsgerichtshof vom 9.10.1978, 2370/77, ZSV 1979/901).

Die Einschränkung der Benützungsart auf einem bestimmten Personenkreis (zB "Parken nur Hausbewohner") allein entzieht der Straße somit nicht den Charakter einer öffentlichen Verkehrsfläche (vgl Verwaltungsgerichtshof vom 25.4.1985, 85/02/0122, 0123). Daraus ergibt sich, daß durch das Aufstellen einer Tafel, wonach das Abstellen von Personenkraftfahrzeugen nur für Mieter der Wohnhausanlage erlaubt ist, der Charakter der öffentlichen Verkehrsfläche erhalten bleibt. Es ist daher davon auszugehen, daß es sich bei dem Abstellort um eine öffentliche Verkehrsfläche gehandelt hat. Daß dies dem Berufungswerber bekannt war, ergibt sich auch daraus, daß der Berufungswerber - wie von ihm in der mündlichen Verhandlung ausgeführt - schon öfters Anzeigen wegen dieser Vorfälle bekommen hat. Weiters muß sich der Berufungswerber als Kraftfahrer aber auch in seinem Beruf als Kaufmann mit den einschlägigen Vorschriften, insb aber mit der StVO und dem KFG vertraut machen. Unterläßt er dies, kann von einer schuldlosen Unwissenheit nicht mehr gesprochen werden. Eine Unkenntnis oder irrige Auslegung von Bestimmungen der StVO und des KFG kann bei Kraftfahrzeuglenkern nämlich nicht als unverschuldet angesehen werden (VwGH 10.10.1980, VwSlg Nr NF 10262 A/1980).

2) Die Verwendung von Probefahrtkennzeichen bei anderen als Probefahrten ist verboten und strafbar (VwGH vom 7.6.1961, 1953/60, ZVR 1962/47). Gelegentlich ergibt sich aber die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit, mit einer Probefahrt einen Nebenzweck zu verbinden, ohne daß der Charakter der Probefahrt verloren ginge, wenn anläßlich einer Probefahrt etwa eine Tankstelle zum Tanken aufgesucht oder die Probefahrt kurz unterbrochen wird, damit der Fahrzeuglenker etwa ein Poststück in den Briefkasten einwerfen oder er eine Toilette aufsuchen kann. Der Charakter einer Probefahrt besteht aber jedenfalls dann nicht, wenn der zeitliche und örtliche Zusammenhang mit der Probefahrt verloren geht. Ist ein solcher Zusammenhang nicht mehr gegeben, wird anzunehmen sein, daß der Hauptzweck Probefahrt mehr oder minder zugunsten des Nebenzwecks zurücktritt und daher die Fahrt nicht mehr als Probefahrt angesehen werden kann (VwGH vom 7.3.1977, 16031/76, ZVR 1977/261).

Auch das Abstellen eines Fahrzeuges mit Probefahrtkennzeichen auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, wenn es nicht zu in § 45 Abs 1 genannten Zwecken erfolgt, ist nach Abs 4 strafbar (VwGH vom 30.9.1981, 81/03/0085, ÖJZ 1982, 472/389).

Zur Frage, ob das Abstellen des KFZ mit dem Probefahrtkennzeichen in einem funktionellen Zusammenhang mit dem Zweck der Probefahrt gestanden ist, gab der Berufungswerber in der mündlichen Verhandlung folgendes an:

"Am Tattag fuhr ich zeitig in der Früh in meine Werkstatt nach Laxenburg. Dann fuhr von dort wieder zurück in die Liebenstraße. Ich stellte mein KFZ ab. Ich hatte Gespräche mit Kunden geführt. Wie ich wieder zu meinem KFZ gekommen bin, habe ich den Strafzettel gefunden und bin wieder in mein Lager nach Laxenburg gefahren. Ich habe mich ca 1 bis 1 1/2 Stunden in meinem Büro aufgehalten."

Zeugenschaftlich einvernommen gab RevI S in der mündlichen Verhandlung an, er habe am Tattag zur Tatzeit am Tatort das KFZ des Berufungswerbers wahrgenommen. Am KFZ sei ein Probekennzeichen fix montiert gewesen. Er habe die Motorhaube angegriffen, diese sei aber kalt gewesen. Auch seien die Fensterscheiben vereist gewesen.

Aus dieser Zeugenaussage, besonders aber aus der Verantwortung des Berufungswerbers ergibt sich, daß das Abstellen des KFZs mit dem Probefahrtkennzeichen nicht zu einem in § 45 Abs 1 genannten Zweck erfolgt ist und in keinem funktionellen Zusammenhang mit dem Zweck der Probefahrt gestanden ist, gibt der Berufungswerber doch selbst an, er habe sich ca 1 bis 1 1/2 Stunden in seinem Büro aufgehalten, um Gespräche mit Kunden zu führen. Es handelt sich nämlich bei diesen Gesprächen mit Kunden nicht um eine Unterbrechung, die durch eine innerhalb angemessener Zeit vorgenommene Befriedigung von sich täglich einstellenden Lebensbedürfnissen bedingt ist.

Das angefochtene Straferkenntnis war daher in der Schuldfrage zu bestätigen.

Die Abänderung im Spruch diente der Anpassung des Spruches an die Gesetzesstelle, der Präzisierung des dem Beschuldigten zur Last gelegten Verhaltens und der Unterstellung  des Sachverhaltes unter die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift.

Die Strafe konnte spruchgemäß herabgesetzt werden, weil dem Berufungswerber zur Tatzeit der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugutekommt und dieser Milderungsgrund bei der Strafbemessung der Berhörde erster Instanz nicht berücksichtigt wurde. Weiters war der Unrechtsgehalt der Tat gering, weil keine nachteiligen Folgen entstanden sind. Eine weitere Herabsetzung der Strafe kam aber aus folgenden Gründen nicht in Betracht:

Die Tat schädigt in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der Verwendung nur vorschriftsmäßig ausgestatteter Kraftfahrzeuge im öffentlichen Verkehr. Daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist weder hervorgekommen, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen und es kann daher das Verschulden des Berufungswerbers nicht als geringfügig angesehen werden. Bei der Strafbemessung wurden auch die durchschnittlichen Einkommensverhältnisse, die Vermögenslosigkeit und das Fehlen einer gesetzlichen Sorgepflicht berücksichtigt.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und den bis S 30.000,-- reichenden gesetzlichen Strafsatz, den Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden des Berufungswerbers, ist die verhängte Geldstrafe nunmehr durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal besondere Milderungsgründe im Verfahren nicht hervorgekommen sind.

Schlagworte
Probefahrt, Zulassungsbesitzer, Probefahrtkennzeichen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten