TE UVS Wien 1991/10/23 03/20/945/91

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Veröffentlicht am 23.10.1991
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Betreff

Auch bei einer Infektion stellt die Verparkung des Inneren Stadtbereichs keine Notstandssituation dar

Spruch

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis in der Schuldfrage bestätigt. Die Geldstrafen von jeweils S 600,--, im Falle der Uneinbringlichkeit jeweils 40 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe werden auf zu 1) und 2) jeweils S 400,--, im Falle der Uneinbringlichkeit jeweils 26 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe herabgesetzt. Dementsprechend wird der gemäß § 64 VStG vorgeschriebene Betrag von S 120,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz auf S 80,-- ermäßigt.

Gemäß § 65 VStG hat der Berufungswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

Aufgrund eines eigenen Eingeständnisses des Beschuldigten erließ die BPD Wien, Administrationsbüro, zur Zahl III-Pst 65/AB/91, ein Straferkenntnis vom 4.9.1991, womit dem Beschuldigten zur Last gelegt wurde, er habe am 26.2.1991 gegen 11.15 Uhr in Wien 1, Seitzergasse 6, als Lenker des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XY diesen 1) im beschilderten Halteverbot und 2) mit zwei Rädern am Gehsteig abgestellt gehabt und dadurch gegen 1) § 24 Abs 1 lit a und 2) § 8 Abs 4 StVO verstoßen. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschuldigten Geldstrafen von zu 1) und 2) jeweils S 600,--, im Falle der Uneinbringlichkeit jeweils 40 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und wurde ihm ein Betrag von S 120,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz zur Zahlung vorgeschrieben. Innerhalb offener Frist erhob der Beschuldigte dagegen eine (fälschlich als Einspruch bezeichnete) Berufung, in welcher er wie folgt begründete:

"Gegen das Straferkenntnis des Administrationsbüros vom 4.9.1991, III-Pst 65/AB/91, Zustellung erfolgte am 20.9.1991, erhebe ich innerhalb der offenen Frist Berufung.

Das Straferkenntnis wird hinsichtlich Strafe und Schuld angefochten.

Ich mußte damals dringend ein WC aufsuchen, da ich aufgrund einer Infektion an Durchfall litt. Nur aus diesem Notstand heraus stellte ich mein Kfz im Halteverbot ab. Sofort nach Verrichtung meiner Notdurft, es handelte sich um einige Minuten, fuhr ich mein Fahrzeug aus dem Halteverbot.

Nur kurze Zeit war ich vom PKW entfernt, als ich zurückkam fand ich keine Anzeigenverständigung am Kfz angebracht. Aus diesem Grund muß ich bezweifeln, daß das abgestellte Fahrzeug vom Meldungsleger im Halteverbot gesehen wurde."

In dem gegen ihn von der Behörde erster Instanz geführten ordentlichen Ermittlungsverfahrens gab der Beschuldigte in einer niederschriftlichen Vernehmung vom 13.8.1991 in Kenntnis des Akteninhaltes und der ihm zur Last gelegten Übertretungen folgendes an:

"Ich gebe beide angelastete Verwaltungsübertretungen zu. Ich kam damals von einer Therapie wegen eines Rückenleidens, mußte zusätzlich einen Banktermin wahrnehmen und auch dringend ein WC aufsuchen. Ich habe dort in der Bank dies getan und dann gesagt, daß ich mein Fahrzeug nur rasch entferne, habe dies auch getan und dann erst den Banktermin wahrgenommen. Vor dem 1. Aufsuchen der Bank kam es zu dem in der Anzeige geschilderten Vorfall."

Da der Berufungswerber die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht bestreitet, reduziert sich seine Berufungsbegründung im wesentlichen auf die Rechtsfrage, ob sein Verhalten durch den Umstand, daß er damals dringend ein WC aufsuchen mußte, da er aufgrund einer Infektion an Durchfall litt, gerechtfertigt war; bzw ob dieser Umstand eine Notstandssituation oder notstandsähnliche Situation darstellt.

Angesichts dieser Tatsache konnte gemäß § 51e Abs 2 VStG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien, welche in der Berufung auch nicht ausdrücklich begehrt wurde, abgesehen werden.

Angesichtes des Geständnisses des Berufungswerbers im Verfahren erster Instanz sowie der Tatsache, daß er auch im Einspruch vom 2.10.1991 das Abstellen seines Kraftfahrzeuges am Gehsteig sowie im Halteverbot nicht bestritten hat, war von der diesbezüglichen Sachverhaltsannahme der Behörde erster Instanz auszugehen. Zum weiteren Einwand des Beschuldigten ist darauf zu verweisen, daß § 6 VStG bestimmt, daß eine Tat dann nicht strafbar ist, wenn sie durch Notstand entschuldigt, oder, obgleich sie den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht vom Gesetz geboten oder erlaubt ist. Unter Notstand im Sinne des § 6 VStG kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, das er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. Weiters gehört es zum Wesen des Notstandes, daß die Gefahr zumutbarerweise nicht anders als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben und die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist.

Wenn nun der Berufungswerber angibt, er habe aufgrund einer Infektion an Durchfall gelitten und daher damals dringend ein WC aufsuchen müssen, so stellt dies im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinesfalls eine Notstands- oder notstandsähnliche Situation dar. Jeder Kraftfahrer muß damit rechnen, in bestimmten Gebieten, wozu der innere Stadtbereich zählt, keinen Parkplatz zu finden. Stellt er sich nicht darauf ein und hat er, noch dazu im Bewußtsein einer Infektion, welche ihn nötigte, öfters ein WC aufzusuchen, sein Kfz dennoch in den inneren Stadtbereich gelenkt, so hatte die daraus entstandene Situation selbst verschuldet, weshalb ihm der Rechtfertigungsgrund der Notstands- oder notstandsähnlichen Situation nicht zu Gute kommen kann.

Angesichts der Tatsache, daß der Berufungswerber die Taten selbst gestanden hat, kam seinem Einwand, daß das abgestellte Fahrzeug vom Meldungsleger im Halteverbot gesehen wurde, keine weitere Bedeutung zu.

Die Strafe wurde spruchgemäß herabgesetzt, da der Berufungswerber zwar einschlägig vorgemerkt ist, jedoch nicht sieben einschlägige Vormerkungen zum Tatzeitpunkt bereits rechtskräftig waren, wie von der Behörde erster Instanz fälschlich angenommen wurde. Weiters war auf den Milderungsgrund des Geständnisses des Berufungswerbers Rücksicht zu nehmen. Schließlich wurde hiebei auch berücksichtigt, daß das Kraftfahrzeug nur wenige Minuten rechtswidrig abgestellt war, weshalb der Unrechtsgehalt der Tat, der sich aus der Schädigung des Interesses an einem ungestörten Fußgängerverkehr sowie an der Vermeidung an Verkehrsbeeinträchtigungen ergibt, eher gering erscheint.

Im Hinblick darauf, daß der Berufungswerber die gegenständliche Verwaltungsübertretung grob fahrlässig herbeigeführt hat, sein Verschulden somit als erheblich anzusehen war, sowie unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß dem Berufungswerber erschwerend zur Last liegt, einschlägig vorgemerkt zu sein, kam eine weitere Herabsetzung der Strafe nicht in Betracht.

Weiters wurde das unterdurchschnittliche Einkommen, die Vermögenslosigkeit und das Fehlen allfälliger Sorgepflichten berücksichtigt.

Unter Bedachtnahme auf obige Strafzumessungsgründe sowie auf den bis S 10.000,-- reichenden Strafsatz pro Delikt stellen sich die nunmehr verhängten Geldstrafen als angemessen und keineswegs zu hoch dar, zumal weitere Milderungsgründe nicht hervorgetreten sind.

Schlagworte
Halte- und Parkverbot, Falschparken, Gehsteig, Notstand
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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