Als Sachverhalt stand bereits in erster Instanz fest, daß der BW in zweiter Spur angehalten hatte und darauf seine Beifahrerin die Fahrzeugtüre öffnete, ohne sich um den Verkehr zu kümmern. Deshalb kam es zu einem Verkehrsunfall, welchen der BW erst verspätet bei der nächsten Polizeidienststelle anzeigte. Der BW war deshalb unter anderem als Lenker schuldig erkannt worden, daß er an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen sei und es unterlassen habe, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen. Bekämpft wurde die rechtliche Beurteilung. Der UVS gab der Berufung in der Schuldfrage keine Folge, setzte jedoch die Strafe wegen ungünstiger allseitiger Verhältnisse herab.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Findeis über die Berufung des P gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Alsergrund, vom 27.9.1991, Zahl Pst 6646/A/90, die sich zu 1) nur gegen das Ausmaß der Strafe richtet, wegen Übertretung der §§ 1) 23 Abs2, 2) 4 Abs1 litc und 3) 4 Abs5 StVO 1960 entschieden:
Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung zu 1) keine Folge gegeben. Der Berufungswerber hat daher zu 1) gemäß §64 Abs2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von 200 S, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen. Hingegen wird der Berufung gemäß §66 Abs4 AVG in den beiden letztgenannten Punkten insoferne Folge gegeben, als zu 2) das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das diesbezügliche Verfahren gemäß §45 Abs1 Zif1 VStG eingestellt und zu 3) die Geldstrafe von 3.000 S auf 1.000 S bei Uneinbringlichkeit 60 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe herabgesetzt wird.
In der Schuldfrage wird das Straferkenntnis zu 3) mit der Abänderung bestätigt, daß die Tatumschreibung zu lauten hat:
"Sie (Herr P) waren am 11.12.1990 um 15.10 Uhr in Wien 9, Salzergasse ONr 9 als Lenker des dem Kennzeichen nach bestimmten KFZ an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt und haben es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle von diesem Verkehrsunfall zu verständigen. Der erstinstanzliche Kostenbeitrag wird zu 3) gemäß §64 Abs1 und 2 VStG auf 100 S ermäßigt.
Dem Berufungswerber werden gemäß §65 VStG keine Kosten zu des Berufungsverfahrens zu 2) und 3) auferlegt.
Begründung:
Ad Punkt 1):
Die Berufung richtet sich nur gegen die Höhe der Strafe. Dem Unabhängigen Verwaltungssenat obliegt daher lediglich die Überprüfung der erstinstanzlichen Strafzumessung.
Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall abgesehen werden, da eine solche weder beantragt wurde noch erforderlich war.
Eine Herabsetzung der Strafe kam trotz Bedachtnahme auf die ungünstigen Einkommensverhältnisse, die angenommene Vermögenslosigkeit und selbst bei Vorliegen gesetzlicher Sorgepflichten nicht in Betracht:
Die Tat schädigte in erheblichem Maße das Interesse an der Vermeidung von Verkehrsbeeinträchtigungen.
Deshalb war der Unrechtsgehalt der Tat an sich beträchtlich. Das Verschulden des Berufungswerbers war als erheblich anzusehen, da er, wie dem Vorbringen des Berufungswerbers selbst zu entnehmen ist, vorsätzlich gehandelt hat.
Bemerkt wird, daß jeder Kraftfahrer damit rechnen muß in den inneren Stadtbereichen keinen entsprechenden Parkplatz zu finden. In Kenntnis dieser Tatsache hätte der Berufungswerber Vorkehrungen zum "Transport zentnerschweren Ladegutes" vom KFZ zum Bestimmungsort treffen müssen.
Bei der Strafbemessung war als erschwerend zu werten, daß der Berufungswerber eine auf der gleichen Neigung beruhende Verwaltungsvorstrafe aufweist.
Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den bis S 10.000,-- reichenden Strafsatz ist die verhängte Geldstrafe durchaus angemessen und keineswegs zu hoch.
Die Auferlegung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des §64 Abs1 und 2 VStG.
Ad Punkt 2):
Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, am 11.12.1990 um 15.10 Uhr in Wien 9, Salzergasse ONr 9 als Lenker des dem Kennzeichen nach bestimmten KKW, (VW-Bus) durch das Verhalten der Beifahrerin Frau K, welche vorschriftswidrig die Türe öffnete, an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen zu sein und es unterlassen zu haben an der Feststellung des Sachverhaltes durch Vorweisen der KFZ-Papiere (Zulassungsschein, Führerschein) mitzuwirken.
Feststeht, daß sich am Tatort ein Verkehrsunfall mit Sachschaden ereignete. Dies wurde vom Beschuldigten auch nicht bestritten.
§4 Abs1 litc StVO normiert die Verpflichtung aller Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.
Gemäß §4 Abs5 StVO haben die im Abs1 leg cit genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Mit Erkenntnis vom 22.2.1990, Zl 89/18/0169 führte der Verwaltungsgerichtshof zu der Bestimmung des §4 Abs1 litc StVO aus:
"Der Sinn des §4 Abs1 litc StVO 1960 ergibt im Zusammenhang mit dem übrigen Inhalt des §4, daß die in jener Gesetzesstelle ausgesprochene Verpflichtung nicht bei jedem Verkehrsunfall in gleicher Weise bestehen kann. Sie wird sinnvollerweise nur dann bestehen, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Dies ist immer der Fall, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinne des §4 Abs2 StVO 1960 besteht; darüber hinaus aber auch, wenn ein am Unfall Beteiligter die Intervention eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt oder wenn ein am Unfallort etwa zufällig anwesendes Sicherheitsorgan aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlaßt. Im übrigen kann eine Verpflichtung, an der Feststellung des Sachverhaltes mizuwirken,
nicht angenommen werden (vgl dazu die bei Gerhard Terlitza, Straßenverkerhsordnung, 2 Aufl auf S 117 unter Pkt 34 wiedergegebene hg Judikatur)".
Unter Bedachtnahme auf diese Verwaltungsgerichtshofjudikatur war, da es im Berufungsfall im Hinblick auf einen Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden nicht zu einer Aufnahme des Tatbestandes kommen mußte und eine solche Tatbestandsaufnahme auch nicht von einem der Beteiligten am Unfallsort verlangt worden ist, zu 2) spruchgemäß zu entscheiden.
Dementsprechend war auch die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß §51 e Abs1 2 Fall VStG entbehrlich.
Ad Punkt 3):
Im wesentlichen bringt der Berufungswerber dazu vor, daß er nach dem Verkehrsunfall mit Sachschaden dem Unfallsgegner seine Daten durch Vorweisen der KFZ-Papiere und des Führerscheines bekanntgegeben habe, dieser habe jedoch, ohne seine Daten bekanntzugeben, den Unfallsort als der Berufungswerber dessen Geldforderungen abgelehnt habe, verlassen.
Da es zu keinem Lenkerausgleich gekommen sei, habe er umgehend und ohne unnötigen Aufschub (dh, nach Versorgung der ebenfalls nervlich sehr erregten Frau K, des Ladegutes sowie des beschädigten Kraftfahrzeuges) Meldung in der Wachstube Liechtentalergasse erstattet.
Da damit lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde, konnte gemäß §51e Abs2 1Fall VStG von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, zumal eine solche auch nicht ausdrücklich verlangt wurde. Aktenkundig und unbestritten geblieben ist, daß der Berufungswerber um 16.50 Uhr im Wachzimmer 9, Lichtentaler Gasse 4 den Vorfall meldete und dazu angab, daß er den KKW seines Vaters in der 2 Spur abstellte um seiner Beifahrerin Frau K das Aussteigen zu ermöglichen:
"K sah zwar, daß ein PKW in der Salzergasse daher kam, jedoch war dieser noch soweit entfernt, sowie fuhr dieser mit solcher Geschwindigkeit, daß ihm das Anhalten, es war zuwenig Platz vorhanden, um vorbeizufahren, leicht möglich gewesen wäre. Der Lenker wollte jedoch trotzdem vorbeifahren und stieß dabei gegen das rechte untere Eck der offenen Beifahrertür. Dabei wurde daß Blech der Beifahrertür (re untere Ecke) verbogen.
Zur Frage ob das Verhalten des Berufungswebers mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, ist auszuführen:
Der in §4 Abs1 StVO genannte Personenkreis beschränkt sich nicht nur auf jene Personen, die sich rechtswidrig und schuldhaft verhalten haben. Vielmehr umfaßt dieser Kreis alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes sind darunter alle jene Personen zu verstehen, deren Verhalten örtlich und zeitlich unmittelbare Bedingung (conditio sine qua non) für das Entstehen des Verkehrsunfalles ist, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dieses Verhalten, das ein Tun oder Unterlassen sein kann, rechtswidrig und schuldhaft ist Äquivalenztheorie). Diese Theorie bedient sich eine Eliminationsmethode, bei der man sich die Handlung, die auf ihre Kausalität für den in concreto eingetretenen Erfolg geprüft wird, wegdenkt, um dadurch festzustellen, ob dieser Erfolg, so wie er im gegebenen Fall unter Berücksichtigung aller Umstände eingetreten ist, bestehen bliebe oder entfiele.
Zu fragen ist daher, ob der Erfolg, so wie er eingetreten ist, also unter Berücksichtigung aller seiner Kritierien (Zeit, Ort, Ziel der Handlung, Modus der Ausführung, auch wenn es sich um bloße Nebenumstände handelt), bei Hinwegdenken der auf ihre Ursächlichkeit zu prüfende Handlung entfiele.
Jede Handlung, die auch nur das geringste dazu beigetragen hat, daß der Erfolg in seiner konkreten Gestalt eingetreten ist, war für den Erfolg kausal.
Von einer "Aufhebung des Bindungszusammenhanges" könnte lediglich dann gesprochen werden, wenn ein späteres Ereignis das Weiterwirken des früheren völlig aufhebt und seinerseits - gänzlich unabhängig vom früheren - den Erfolg herbeiführt. Die Kausalität des Verhaltens des Berufungswerbers (Abstellen des KFZ auf dem zweiten Fahrstreifen) steht auch dann außer Zweifel, wenn als weitere Bedingung des Verkehrunfalles ein fahrlässiges Verhalten der Beifahrerin (etwa durch Nichtbeachten des Fließverkehrs beim Öffnen der Beifahrertüre) anzunehmen wäre. Wirken nämlich mehrere Ursachen gleichzeitig zu einem Erfolg zusammen, so ist jede von ihnen kausal, die in irgendeiner Weise zum Zustandekommen des Erfolges in seiner konkreten Gestalt beigetragen hat.
Dafür, daß das Verhalten der Beifahrerin gänzlich unabhängig vom Verhalten des Berufungswerbers (Verletzung der Bestimmung des §23 Abs2 StVO) den Erfolg, nämlich den Verkehrsunfall, herbeigeführt hätte, besteht kein Anhaltspunkt.
Alle in §4 Abs1 StVO genannten Personen sind im Falle eines bloßen Sachschadens verpflichtet, ohne unnötigen Aufschub die Meldung zu erstatten, wenn sie nicht von der Rechtswohltat des Nachweises der Identität Gebrauch machen wollen oder konnten.
Unbestritten ist, daß durch die gegenständliche Kollision an beiden Kraftfahrzeugen Sachschäden entstanden.
Das heißt - selbst wenn man den Angaben des Berufungswerbers Glauben schenkte - daß er dem anderen Unfallbeteiligten seine Identität nachgewiesen habe, entspricht dies nicht den Anfordernissen des §4 Abs5 StVO, da in einem derartigen Fall ein wechselseitiger Nachweis der Identität erfolgen hätte müssen. Feststeht, daß der Berufungswerber am selben Tag, jedoch 1 Stunde und 40 Minuten nach dem Verkehrsunfall Meldung auf dem Wachzimmer 9, Lichtentaler Gasse 4 erstattete. (Bl 2, Berufungsvorbringen)
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in seiner diesbezüglichen Judikatur die Rechtsauffassung, daß die Auslegung dieses Gesetzesbegriffes nach strengen Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Eine erst 1 2/3 Stunden nach dem Unfall erstattete Meldung kann ohne Vorliegen einer Notstandssituation nicht mehr als "ohne unnötigen Aufschub" angesehen werden, zumal schon dem Parteienvorbringen zu entnehmen ist, daß er sich zunächst "der Versorgung der ebenfalls nervlich sehr erregten Frau K, des Ladegutes sowie des beschädigten Kraftfahrzeuges" widmete, wobei wohl eher davon auszugehen ist, daß er dabei die meiste Zeit für die "Versorgung des Ladegutes" verwendet haben dürfte. Die dem Berufungswerber angelastete Tat war daher als erwiesen anzusehen, weshalb der Berufung hinsichtlich der Schuldfrage keine Folge zu geben und der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen war.
Die Abänderung im Spruche diente der genaueren Tatumschreibung und Anpassung an den Straftatbestand.
Die Strafe wurde aufgrund der ungünstigen Einkommensverhältnisse und der angenommenen Vermögenslosigkeit unter Bedachtnahme darauf, daß - wenn auch verspätet - vom Berufungswerber eine Unfallsmeldung erstattet, spruchgemäß herabgesetzt.
Eine weitere Herabsetzung der Strafe kam nicht in Betracht:
Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der raschen Aufklärung vom Verkehrsunfällen.
Der Unrechtsgehalt ist als erheblich zu werten, da der Schaden (ca 20.000 S) am gegnerischen Fahrzeug beträchtlich ist. Das Verschulden des Berufungswerbers kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Bei der Strafbemesssung war zu berücksichtigen, daß dem Berufungswerber der Umstand der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht mehr zugute kommt.
Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumesssungsgründe und auf den bis 10.000 S reichenden Strafsatz ist die verhängte Geldstrafe, selbst bei Vorliegen etwaiger gesetzlicher Sorgepflichten, nunmehr angemessen und keineswegs zu hoch, zumal weitere Milderungsgründe nicht hervorgetreten sind.
Auf die Möglichkeit der Einbringung eines mit 120 S Bundesstempelmarken zu versehenden Ratenansuchens bei der Erstbehörde wird hingewiesen.