TE UVS Niederösterreich 1992/04/01 Senat-NK-91-047

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Veröffentlicht am 01.04.1992
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991, iVm §24 VStG, BGBl Nr 52/1991, Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die Bezirkshauptmannschaft xx über Herrn O S gemäß §137 Abs3 litg Wasserrechtsgesetz 1959 eine Geldstrafe in Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Tage) verhängt, da die häuslichen Abwässer der Pension W im Standort M Nr 92 seit 30. November 1990 bis zumindest 3. September 1991 ungereinigt auf dem Grundstück Nr xx, KG M, versickern, obwohl dafür eine wasserrechtliche Bewilligung nicht vorliegt. Daneben wurde noch dem Beschuldigten die Tragung der Verfahrenskosten in Höhe von S 1.000,-- vorgeschrieben.

 

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung des Beschuldigten mit dem Vorbringen, daß er sehr wohl der Aufforderung zur Rechtfertigung innerhalb der von der Behörde vorgeschriebenen Frist nachgekommen ist. Dieses Schreiben wäre in A am 25. Oktober 1991 zur Post gegeben worden.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ als Berufungsbehörde wie folgt erwogen:

 

Zunächst erscheint eine Prüfung dahingehend notwendig, ob die von Herrn S eingebrachte Berufung den formalen Anforderungen des §63 Abs3 AVG entspricht, insbesondere ob ein begründeter Berufungsantrag vorliegt. Die eingebrachte Berufung selbst enthält lediglich den Hinweis, daß der Aufforderung zur Rechtfertigung innerhalb der vorgeschriebenen Frist nachgekommen worden wäre und würde deshalb gegen die verhängte Geldstrafe berufen. Das Schreiben wäre am 25. Oktober 1991 in A aufgegeben worden.

 

Nach Durchsicht des Aktes erster Instanz ist ersichtlich, daß in der mit 7. Oktober 1991 datierten Aufforderung zur Rechtfertigung eine Frist bis spätestens 25. Oktober 1991 eingeräumt wurde. Die tatsächlich bei der Erstbehörde eingelangte Rechtfertigung trägt den Poststempel "28.10.1991" (dies war ein Montag) und langte bei der Bezirkshauptmannschaft xx am 30. Oktober 1991 ein. Das Straferkenntnis selbst ist zwar auch mit 30. Oktober 1991 datiert, wurde aber erst am 6. November 1991 abgefertigt.

 

Aufgrund des Umstandes, daß die erhobene Berufung ausdrücklich die Stellungnahme zur Aufforderung zur Rechtfertigung erwähnt und die Erstbehörde im angefochtenen Strafbescheid diese Rechtfertigung nicht berücksichtigt hat, gelangt die Berufungsbehörde zur Ansicht, daß nach Absicht des Berufungswerbers diese Rechtfertigung auch als Teil der Berufung anzusehen ist. Dieser erwähnten Rechtfertigung kann durch Interpretation sehr wohl ein begründeter Berufungsantrag entnommen werden, da die diversen Ausführungen ohne weiteres als Begründung anzusehen sind und aus der Formulierung dieser Ausführung sich auch die Absicht des Berufungswerbers (nämlich die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses) ableiten läßt.

 

Aufgrund dieser Überlegungen gelangt die Berufungsbehörde zur Ansicht, daß den formalen Anforderungen an eine Berufung im gegenständlichen Falle gerade noch entsprochen wird. In der Sache selbst vertritt die Berufungsbehörde, ohne auf das Berufungsvorbringen näher einzugehen, folgende Ansicht:

Es ist eine Prüfung dahingehend notwendig, ob das angefochtene Straferkenntnis den Erfordernissen des §44a VStG nachkommt. Nach dieser Bestimmung hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, ua zu enthalten:

1.

Die als erwiesen angenommene Tat;

2.

die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3.

die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung.

 

Der Vorschrift des §44a Z1 VStG ist nur dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Dies bedeutet, daß die Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muß, daß kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Es muß daher die Zuordnung des Tatverhaltens zu der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht sein. Ist dies nicht möglich, so verstößt der Spruch gegen §44a Z1 VStG (VwGH 29.1.1987, 86/08/0208 uva).

 

Nach Prüfung des Spruches des Strafbescheides in diese Richtung gelangt die Berufungsbehörde zur Ansicht, daß den Erfordernissen des §44a VStG nicht Genüge getan ist.

 

Aus der herangezogenen Übertretungsnorm (§137 Abs3 litg WRG 1959) kann zwar abgeleitet werden, daß die Erstbehörde das Versickern ungereinigter häuslicher Abwässer als eine Einwirkung auf Gewässer gewertet hat, doch hätte dies im Rahmen der Tatbeschreibung auch ausdrücklich zum Ausdruck kommen müssen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß §32 Abs2 litc WRG 1959 Maßnahmen als bewilligungspflichtig einstuft, die zur Folge haben, daß durch Eindringen (Versickern) von Stoffen in den Boden das Grundwasser verunreinigt wird. Dies vor allem deshalb, da die eben erwähnte Bewilligungspflicht gemäß §32 Abs2 WRG 1959 im Sinne des Abs1 leg cit zu sehen ist. Danach unterliegen aber nur (mehr als geringfügige) Einwirkungen auf Gewässer der Bewilligungspflicht. Überdies sind die Absätze 1 und 2 des §32 leg cit nur auf solche Maßnahmen anzuwenden, von denen nach dem natürlichen Lauf der Dinge typischerweise mit (mehr als geringfügigen) Einwirkungen auf Gewässer gerechnet werden muß (VwGH, 391/63, 30.1.1964, P.72).

 

Am Mangel der unzureichend konkretisierten Tatbeschreibung leidet aber nicht nur das angefochtene Straferkenntnis selbst, sondern auch die mit 7. Oktober 1991 datierte Aufforderung zur Rechtfertigung, weshalb nach Ansicht der Berufungsbehörde im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren bis dato keine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt wurde.

 

Eine Sanierung des Spruches des angefochtenen Strafbescheides durch die Berufungsbehörde scheidet aus, da in erster Linie die verbale Tatbeschreibung und nicht jene angegebene Rechtsnorm von Bedeutung ist, unter die das zu Last gelegte Verhalten subsummiert wird. Der verbalen Tatbeschreibung mangelt es jedoch am Kernstück, nämlich am Vorwurf der "Einwirkung auf Gewässer". Eine korrekte Tatbeschreibung müßte etwa in der Form erfolgen, daß der Beschuldigte zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort durch eine konkret zu bezeichnende Maßnahme eine Einwirkung auf Gewässer ohne der hiefür erforderlichen wasserrechtlichen Bewilligung vornimmt.

 

Es ist der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz jedoch unbenommen, innerhalb der Frist für den Eintritt der Verfolgungsverjährung das Verwaltungsstrafverfahren mit entsprechend konkretisierter bzw korrigierter Tatbeschreibung fortzusetzen. Für diesen Fall wäre jedoch zusätzlich zu beachten, daß die durch §44a Z2 VStG verlangte Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift sicherlich nicht bloß in der Angabe des §137 Abs3 litg leg cit bestehen kann, sondern zusätzlich die tatsächlich übertretene materiellrechtliche Bestimmung des WRG 1959 (zB §32 leg cit) anzugeben sein wird (VwGH verst Sen 30.1.1990, 89/18/0008).

 

Des weiteren müßte sich für den Fall der Verfahrensfortsetzung die Erstbehörde damit auseinandersetzen, warum Herr O S für das zur Last gelegte Delikt überhaupt verantwortlich ist. Derartiges kann dem Verwaltungsstrafakt nicht eindeutig entnommen werden und genügt der lapidare Hinweis darauf, daß sich die Verwaltungsübertretung auf einen Strafantrag der zuständigen Abteilung 9 (Wasserrecht) der Bezirkshauptmannschaft xx stützt, sicherlich nicht.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß §51e Abs1 VStG abgesehen werden, da bereits aus der Aktenlage die Notwendigkeit der Bescheidbehebung ersichtlich war.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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