TE UVS Wien 1992/05/06 03/12/617/92

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.05.1992
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Betreff

Der BW war wegen Übertretungen der §§4 Abs1 litc und 4 Abs5 StVO bestraft worden. Er wandte dagegen im wesentlichen ein, daß er zum Tatzeitpunkt an hohem Fieber litt und fieberhemmende Medikamente eingenommen hatte. Deshalb habe seine Diskretions- und Dispositionsfähigkeit so gelitten, daß er den Verkehrsunfall nicht habe wahrnehmen können.

Der UVS gab der Berufung keine Folge und bestätigte die erstinstanzliche Bestrafung.

Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Kurzmann über die Berufung des Herrn Karl G, vertreten durch RA, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat vom 17.10.1991, zur Zahl Pst 8205/O/90, wegen Übertretungen 1) §4 Abs1 litc StVO 1960 und 2) §4 Abs5 StVO 1960, in öffentlich mündlicher Verhandlung am 6.5.1992 entschieden:

Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit Abänderungen im Spruche bestätigt.

Der Spruch zu Punkt 1) und 2) des Straferkenntnisses hat folgend zu lauten:

"Sie haben am 15.12.1990 um 15.30 Uhr in Wien, E-gasse als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen W-35 es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden am abgestellten Kraftfahrzeug W-63 1) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, obwohl ihr Verhalten in ursächlichem Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall stand und sie auf die Schadensverursachung durch unbeteiligte Passanten aufmerksam gemacht worden sind, dadurch, daß sie sich von der Unfallstelle sofort entfernt hatten, 2) haben Sie es unterlassen, die nächste Polizei-oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein Identitätsnachweis mit dem Zweitbteiligten nicht erfolgt war.

Dem Berufungswerber wird gemäß §64 Abs1 und 2 VStG 1991 ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 700,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, auferlegt.

Text

Begründung:

Im Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien wird dem Berufungswerber zur Last gelegt, am 15.12.1990 um 15.30 Uhr in Wien, E-gasse als Lenker des PKW W-35 durch Anfahren an ein abgestelltes Fahrzeug, welches dadurch beschädigt wurde, einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und es unterlassen zu haben, 1) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, obwohl der Beschuldigte von der Verursachung des Verkehrsunfalles durch Passanten in Kenntnis gesetzt wurde, 2) die nächste Polizeidienststelle von diesem Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.

Dadurch wurden folgende Rechtsvorschriften verletzt:

Zu Punkt 1) §4 Abs1 litc StVO 1960, zu Punkt 2) §4 Abs5 StVO 1960.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden folgende Strafen verhängt:

Zu Punkt 1) gemäß §99 Abs2 lita StVO 1960 eine Geldstrafe von S 2.000,--, im Nichteinbringungsfalle 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe und zu Punkt 2) gemäß §99 Abs3 litb StVO 1960 eine Geldstrafe von S 1.500,--, im Nichteinbringungsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden.

Im rechtzeitig eingebrachten Berufungsantrag rügt der Berufungswerber

1) Mangelhaftigkeit des Verfahrens, da ein Beweisantrag über die Einholung eines medizinischen Gutachtens hinsichtlich der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Berufungswerbers unerledigt blieb. Zum Tatzeitpunkt litt der Berufungswerber an hohem Fieber und hatte fieberhemmende Tabletten eingenommen. Wäre der Gutachter zum Ergebnis gekommen, daß der Berufungswerber auf Grund seiner körperlichen Konstitution in der Tatzeit die Kollision nicht wahrnehmen konnte, so wären mangels Schuldvorwurfes dem Berufungswerber die Verwaltungsübertretungen gemäß §4 Abs1 litc und §4 Abs5 StVO nicht vorzuwerfen.

Weiters sei folgender Beweisantrag unerledigt geblieben: eine durchzuführende Stellprobe mit dem PKW W-63 und dem PKW des Berufungswerbers. Die Zulassungsbesitzerin des PKW W-63 wurde lediglich durch einen Bezirksinspektor K über allfällige Schäden an ihrem Fahrzeug befragt. Dies sei lediglich eine Äußerung gegenüber dem Bezirksinspektor K gewesen, jedoch keine formelle Zeugenaussage, durch welche der gegenständliche Sachverhalt hätte geklärt werden können, da die zeugenschaftliche Einvernahme einer vorangehenden Belehrung über eine falsche Zeugenaussage vor einer Verwaltungsbehörde bedarf.

Aus den angeführten Gründen sei der Sachverhalt noch nicht entscheidungsreif geklärt gewesen und hätte daher zur Klärung dieses, die vom Berufungswerber beantragten Beweise durchgeführt werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, sei das Verfahren mangelhaft.

2.

werden unrichtige bzw mangelnde Tatsachenfeststellungen sowie

3.

unrichtige rechtliche Beurteilung gerügt, wie mangelnde Konkretisierung der Tat im Spruche des Straferkenntnisses. Im Straferkenntnis sei lediglich angeführt worden, daß der Berufungswerber ein Fahrzeug durch Anfahren beschädigt habe, jedoch sei dieses Fahrzeug nicht individualisiert worden. Die belangte Behörde habe dadurch gegen den §44a VStG verstoßen. Es sei daher innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist eine taugliche Verfolgungshandlung, welche auf eine ausreichend konkretisierte Tat bezogen sein muß, nicht gesetzt worden.

Aus den genannten Gründen wird vom Berufungswerber die Behebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verfahrens gemäß §45 Abs1 Z3 VStG beantragt, in eventu das angefochtene Straferkennntnis aufzuheben und das Berufungsverfahren zur Verfahrensergänzung um neuerliche Entscheidung einzuleiten. Auf Grund des Ergebnisses des Beweisverfahrens der öffentlich mündlichen Verhandlung, wobei der Berufungswerber persönlich nicht erschienen ist und die Bundespolizeidirektion Wien auf ihre Teilnahme durch einen Vertreter verzichtet hat, ist die Begehung der Verwaltungsübertretungen durch den Berufungswerber erwiesen. Der Einwand des Berufungswerbers, er habe die vorgeworfenen Übertretungen nicht begangen, da er auf Grund hohen Fiebers und der Einnahme fieberhemmender Medikamente die Schadensverursachung nicht bemerkt hatte, führt ins Leere, da er unmittelbar nach dem Vorfall von den Zeugen Ho und Hi auf die Verursachung des Schadens aufmerksam gemacht worden ist.

Dazu der Zeuge Ho:

"Der Lenker zuckte mit den Schultern und ging in das Haus E-gasse

21."

Eine völlige Diskretions- und Dispositionsunfähigkeit des Berufungswerbers zum Tatzeitpunkt ist auch aus folgenden Gründen nicht gegeben: Der Berufungswerber war fähig sein Fahrzeug in Betrieb zu nehmen, reagierte, wie der Zeuge Hi, der als Lenker eines Fahrzeuges hinter dem des Beschuldigten nachfuhr, auf Hupzeichen, da der Berufungswerber sein Fahrzeug vor dem Vorfall in der E-gasse wiederholt auf der Fahrbahn ohne ersichtlichen Grund angehalten hatte. Dem Berufungswerber muß auch entgegengehalten werden, daß an seinem Fahrzeug Unfallschäden festgestellt worden sind und hat er diese von sich aus nicht behördlich angezeigt. Auch daraus ist zu schließen, daß ihm sehr wohl die Schadensverursachung bewußt war. Daher erschien auch der Berufungsbehörde die Einholung eines medizinischen Gutachtens hinsichtlich der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Berufungswerbers zum Tatzeitpunkt unerheblich.

Bemerkt wird, daß es dem Berufungswerber unbenommen gewesen wäre, durch Vorlage eines medizinischen Privatgutachtens im Rahmen der Mitwirkungspflicht zur Glaubhaftmachung seiner Angaben, die Behörde unter Zugzwang zu setzen. Lediglich die Behauptung des Berufungswerbers zum Tatzeitpunkt auf Grund der körperlichen Konstitution diskretions- und dispositionsunfähig gewesen zu sein, genügt nicht. Es wäre am Berufungswerber gelegen, die Glaubhaftmachung dieser Behauptung wenigstens zu versuchen, zB durch Vorlage von Kranken- oder Arztbestätigung, Angabe über die eingenommenen Medikamente oder Höhe des Fiebers usw. Der Versuch einer Glaubhaftmachung unterblieb und waren daher die Angaben des Berufungswerbers als Schutzbehauptungen anzusehen. Dies wird auch dadurch erhärtet, daß der Berufungswerber sich auch keiner dritten Person bedient hatte, die die Verpflichtung zur Feststellung des Sachverhaltes und die Verständigung der Polizei übernommen hätte. Das Verhalten des Berufungswerbers unmittelbar nach dem Vorfall, wie sein sofortiges Entfernen vom Unfallort und dem Nichtöffnen des Haustores, ist daher für den Berufungswerber nachteilig zu werten. Ein Schuldausschließungsgrund ist somit nicht gegeben. Hinsichtlich des unerledigt gebliebenen Beweisantrages der Stellprobe zwischen den Fahrzeugen des Berufungswerbers und dem Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen W-63 wird festgehalten, daß das Ergebnis dieser Stellprobe unerheblich gewesen wäre, da sowohl der Zeuge Hi, als auch der Zeuge Ho eine Berührung der beiden Fahrzeuge wahrgenommen haben.

So der Zeuge Hi:

"Ich selbst nahm wahr, daß der Lenker mit seinem Fahrzeug, und zwar mit der linken vorderen Seite der Seitenwand seines Fahrzeuges, ein anderes abgestelltes Fahrzeug am vorderen rechten Teil berührte."

Überdies wurden Sachschäden am Fahrzeug des Berufungswerbers und an jenem mit dem Kennzeichen W-63 auch von intervenierenden Sicherheitswachebeamten wahrgenommen und festgestellt. Die Zulassungsbesitzerin des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen W-63 gab überdies an, daß sie vom Schaden an ihrem Fahrzeug über eine polizeiliche Verständigung Kenntnis erlangte, die an ihrem Fahrzeug hinterlegt worden war, nachdem sie von einer Hauspartei darüber informiert worden war, daß die Polizei bei einem Verkehrsunfall interveniert hatte, an dem ihr Fahrzeug beteiligt war. Die Zulassungsbesitzerin M stellte an ihrem Fahrzeug selbst am rechten vorderen Kotschützer eine leichte Eindellung und einen Kratzer fest. Nach ihren eigenen Angaben sei der Schaden als gering zu werten. Laut einschlägigen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes zieht jedoch jeder Schaden, auch die Verursachung eines Bagatellschadens die Verpflichtungen nach §4 Abs1 a und c sowie §4 Abs5 StVO nach sich, sofern der Verursacher um die Schadensverursachung weiß oder auf andere Weise Kenntnis davon erlangt. Die im Widerspruch stehenden Angaben der Zeugen Ho und Hi hinsichtlich der Weiterfahrt, genau des weiteren Einparkvorganges nach der Berührung, waren für die Wahrheitsfindung und das Verfahren unerheblich.

Die Abänderungen im Spruche dienten zur genaueren Konkretisierung und Individualisierung der Tat hinsichtlich des Fahrzeuges, bei welchem ein Sachschaden eingetreten ist und der Handlung des Berufungswerbers, die zur Verwirklichung der Tatbestände führte. Eine derart mangelhafte Tatkonkretisierung, die den Eintritt der Verfolgungsverjährung der Übertretungen rechtfertigen würde, konnte jedoch dem Straferkenntnis nicht entnommen werden. Die Übertretungen nach §4 Abs1 litc und §4 Abs5 StVO wurden nur einmal angelastet, obwohl diese möglicherweise wiederholt begangen worden waren, hinsichtlich jedes einzelnen Verkehrsunfalles. Der Tatort wurde mit Wien, E-gasse bezeichnet und waren an diesem Ort die Fahrzeuge W-63 und W-51 abgestellt. Hinsichtlich einer allfälligen Schadensverursachung am Fahrzeug W-51 wäre es an der Behörde erster Instanz gelegen, das Verfahren im Zweifel einzustellen. Dies ergibt sich schlüssig aus den Begründungsinhalt des Straferkenntnisses. Aus diesen Gründen kann eine Verletzugn des §44a VStG nicht erkannt werden. Somit war der Berufung keine Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen. Die Taten schädigten in nicht unerheblichem Maße die Interessen an der raschen Aufklärung von Verkehrsunfällen.

Deshalb war der Unrechtsgehalt der Taten an sich nicht gering. Daß die Einhaltung der Vorschriften eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung der Tatbestände aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist weder hervorgekommen, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen und kann daher das Verschulden des Berufungswerbers nicht als geringfügig angesehen werden.

Bei der Strafbemessung wurden der Umstand, daß dem Berufungswerber der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht mehr zugutekommt sowie das unterdurchschnittliche Einkommen, die Vermögenslosigkeit und die Sorgepflicht für die Ehefrau und 1 Kind berücksichtigt. Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und den bis 10.000.-- S je Delikt reichenden Strafsatz, den Unrechtsgehalt der Taten und das Verschulden des Berufungswerbers  sind die verhängten Geldstrafen durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal besondere Milderungsgründe nicht hervorgekommen sind. Eine Herabsetzung der Geldstrafen kam daher nicht in Betracht. Auf die Möglichkeit der Einbringung eines mit S 120.- Bundesstempelmarken zu versehenden Ratenansuchens bei der Behörde erster Instanz wird hingewiesen (Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Pst 8205/O/90).

Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des §64 Abs1 und 2 VStG.

Schlagworte
Verkehrsunfall, Sachschaden, Wahrnehmbarkeit, objektive Umstände, Krankheit, Dispositionsfähigkeit, Diskretionsfähigkeit, zielgerichtetes Handeln, ärztliches Gutachten, Verschulden
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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