TE Vfgh Beschluss 1998/10/17 B1365/98

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Veröffentlicht am 17.10.1998
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
StPO §507
StPO §511 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung einer Eingabe mangels Bescheidqualität der bekämpften Erledigung des Bundesministers für Justiz über die Erfolglosigkeit eines Gnadengesuches

Spruch

Die Eingabe wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Der nicht anwaltlich vertretene Einschreiter, der zur Zeit eine Freiheitsstrafe verbüßt, wendet sich mit selbstverfaßter Eingabe vom 20.7.1998 gegen das "Schreiben vom Justizministerium, GZ 93.052/11-IV 4/98". Er führt aus, daß er als Anwort auf ein Gnadengesuch "eine erfolglose Erledigung" erhalten habe und stellt den Antrag, ihn aus seiner "ungerechten" Situation zu befreien.

1.2. Die an den Einschreiter adressierte Erledigung des Bundesministers für Justiz vom 30.6.1998, Z93.052/11-IV 4/98, hat - abgesehen von Anrede und Fertigungsklausel - den folgenden Wortlaut:

"Das Bundesministerium für Justiz teilt Ihnen mit, daß ihr Gnadengesuch vom 1.6.1998 um Straf(rest)nachsicht erfolglos geblieben ist, und zwar insbesondere schon im Hinblick auf die bereits im Wege der Amnestie 1995 gewährte Haftverkürzung; zudem ist im Gnadenverfahren die inhaltliche Überprüfung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen zur Schuldfrage aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich."

1.3. Der Verfassungsgerichtshof wertet die Eingabe als selbstverfaßte Beschwerde iSd Art144 B-VG gegen die oben (Punkt 1.2.) wiedergegebene Erledigung des Bundesministers für Justiz.

2. Die Eingabe ist unzulässig.

2.1. Gemäß Art144 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof - nach Erschöpfung des Instanzenzuges - über Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art144 Abs1 erster Satz B-VG ist demnach unter anderem das Vorliegen eines Bescheides (vgl. zB VfSlg. 13263/1992 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Für den Bescheidcharakter einer behördlichen Erledigung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht nur die äußere Form, sondern auch deren Inhalt maßgebend; eine Erledigung, die nicht die Form eines Bescheides aufweist, ist dann ein Bescheid, wenn sie nach ihrem deutlich erkennbaren objektiven Gehalt eine Verwaltungsangelegenheit normativ regelt, also für den Einzelfall Rechte oder Rechtsverhältnisse bindend gestaltet oder feststellt (siehe zB VfSlg. 13263/1992 und 14451/1996). Dies ist stets vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage zu beurteilen (vgl. zB VfSlg. 13750/1994), insbesondere danach, ob die Behörde von Rechts wegen berechtigt oder verpflichtet ist, einen Bescheid zu erlassen.

2.2. Nach der zitierten Rechtsprechung ist es offenkundig, daß die bekämpfte Erledigung des Bundesministers für Justiz nicht als Bescheid iSd Art144 Abs1 B-VG einzustufen ist: Sie entspricht nicht der äußeren Form eines Bescheides, da ihr alle formellen Merkmale, wie sie von den §§58 ff. AVG gefordert werden, fehlen. Ihr ist kein normativer, sondern ein bloß informativer Inhalt entnehmbar, wie sich gerade aus der Wendung "Das Bundesministerium ... teilt Ihnen mit, ..." ergibt. Ihre Bestätigung findet diese Deutung der angefochtenen Erledigung in der geltenden Rechtslage und in der Vorjudikatur: Nach §507 StPO besteht auf eine Begnadigung, die dem Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung oder des von ihr ermächtigten Bundesministers für Justiz von Amts wegen oder aus Anlaß eines Gesuches vorgeschlagen werden kann, kein Recht. §511 Abs2 StPO sieht auch ausdrücklich eine Verständigung des Verurteilten darüber vor, daß sein Gnadengesuch erfolglos geblieben ist und nicht die Erlassung eines Bescheides. Der Verfassungsgerichtshof hat auch bisher die Bescheidqualität von vergleichbaren Erledigungen über die Erfolglosigkeit von Gnadengesuchen stets mit der Begründung verneint, daß auf die Ausübung des Gnadenrechtes niemanden ein Anspruch zustehe (vgl. zB VfSlg. 3459/1958, 11242/1987 und 12304/1990).

Mangels Bescheidqualität der angefochtenen Erledigung war die Beschwerde daher wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen.

3. Dieser Beschluß konnte, da die Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes offenbar ist, gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne weiteres Verfahren mit in nichtöffentlicher Sitzung gefaßtem Beschluß getroffen werden.

Schlagworte

Bescheidbegriff, Strafrecht, Strafprozeßrecht, Gnadenrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B1365.1998

Dokumentnummer

JFT_10018983_98B01365_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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