TE UVS Niederösterreich 1992/06/30 Senat-BN-91-041

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Veröffentlicht am 30.06.1992
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991, teilweise Folge gegeben.

 

Der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wird insoweit abgeändert, als

 

1. die Geldstrafe mit 4.000,-- Schilling und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 4 Tagen festgesetzt wird und

 

2. der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der ersten Instanz gemäß §64 Abs1 und 2 VStG, BGBlNr 52/1991, mit 400,-- Schilling festgesetzt wird.

 

Im übrigen Inhalt wird der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses bestätigt.

Text

Mit dem bekämpften Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft xx vom 19. März 1991 wurde die Beschuldigte K M gemäß §31 Abs2 litp Arbeitnehmerschutzgesetz mit einer Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 5 Tage) bestraft. In diesem Straferkenntnis wurde es als erwiesen angesehen, daß die Beschuldigte als verantwortliche Beauftragte gemäß §9 VStG (Filialleiterin) der B Warenhandel AG, Filiale     in L          , Hstraße, zu verantworten habe, daß es unterlassen wurde, den nördlichen Notausgang im Kassenbereich nicht zu verstellen. Unmittelbar vor dem Notausgang befand sich eine Kühlvitrine, wodurch die nutzbare Fläche des Notausganges von 1,9 m auf 0,8 m verkleinert wurde. Der rechte Flügel des 2-flügeligen Notausganges auf dem auch der Schwenkhebel des Panikverschlusses angebracht ist, sei vollkommen verstellt gewesen. Zusätzlich sei der Notausgang versperrt gewesen und keine geeigneten Vorkehrungen getroffen worden, um den Notausgang ohne fremde Hilfe von ihnen leicht öffnen zu können. Dadurch habe die Beschuldigte die §31 Abs2 litp Arbeitnehmerschutzgesetz und §23 Abs3 AAV übertreten. Bei der Strafbemessung wurde als mildernd die bisherige Straflosigkeit der Beschuldigten nach den arbeitrechtlichten Vorschriften (offenbar gemeint arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften) gewertet. Als erschwerend wurde kein Umstand berücksichtigt.

 

In der rechtzeitig erhobenen Berufung wird das Straferkenntnis ausschließlich in seinem Ausspruch über die Höhe der Strafe angefochten und eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe auf das der Schuld der Beschuldigten angemessene Ausmaß von S 1.000,-- beantragt. In dieser Berufung wird im wesentlichen ausgeführt, daß die verhängte Strafe nicht den Kriterien des §19 VStG entsprechend festgesetzt wurde. Insbesondere seien folgende in der Person der Beschuldigten gelegene Milderungsgründe nicht berücksichtigt worden:

-

ordentlicher Lebenswandel und Widerspruch der Tat mit dem sonstigen Verhalten (§34 Z2 StGB);

-

Gutmachung des verursachten Schadens und Verhinderung von nachteiligen Folgen (§34 Z15 StGB);

-

Mitwirkung an der vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes (§34 Z16 StGB),

-

Begehung der Tat vor längerer Zeit und wohl Verhalten seit dem (§34 Z18 StGB).

Unter Berücksichtigung der vor angeführten Milderungsgründe erscheine der Berufungswerberin eine Geldstrafe schuldangemessen, welche S 1.000,-- nicht übersteigen dürfe.

 

In der Berufung wurden die allseitigen Verhältnisse von der Beschuldigten wie folgt bekanntgegeben:

Monatliches Nettoeinkommen: S 15.000,--

Sorgepflichten: keine

Vermögen: keines

Familienstand: ledig.

 

Seitens des Arbeitsinspektorates für den x Aufsichtsbezirk wurde keine Berufung erhoben.

 

In seiner Stellungnahme zum Berufungsvorbringen hat das

Arbeitsinspektorat für den x Aufsichtsbezirk ausgeführt, daß

entgegen dem in der Berufung angeführten Milderungsgrund gemäß §34

Z18 StGB Vorsatz angenommen werden müsse, da der Arbeitgeber und die

Filiale (Filiale    , Hstraße in xx L          ) bereits mit

Schreiben vom 9. Februar 1990 aufgefordert wurde, den gesetzmäßigen

Zustand herzustellen. Diese Aufforderung gemäß §6 Abs1 des

Arbeitsinspektionsgesetzes, die an die Zentrale der B Warenhandel

AG, an die Filiale in L          , Hstraße und an den Betriebsrat

der Firma B Warenhandel AG erging, wurde der Berufungsbehörde in Kopie vorgelegt. Diese Aufforderung hat folgenden Wortlaut:

 

"Nach den am 31. Jänner 1990 in Ihrem Betrieb von einem Arbeitsinspektor getroffenen Feststellungen werden Sie auf Grund des §6 Abs1 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974, BGBlNr 143, aufgefordert, nachstehende Maßnahmen zum Schutze der Arbeitnehmer unverzüglich durchzuführen; von der Durchführung ist das Arbeitsinspektorat längstens bis 11. Mai 1990 schriftlich zu verständigen.

 

1.) Die Hauptverkehrswege im Lager müssen eine ausreichende Breite, mindestens jedoch eine solche von 1,20 m besitzen. Nebenverkehrswege, wie Durchgänge zwischen Lagerungen oder Maschinen, müssen ausreichend, mindestens jedoch 0,60 m breit sein.

 

2.) Ausgänge dürfen durch Lagerungen auch vorübergehend nicht verstellt werden.

 

3.) Durch geeignete Vorrichtungen ist dafür zu sorgen, daß sich Notausgänge während der Betriebszeiten ohne fremde Hilfsmittel von innen leicht zu öffnen lassen.

 

4.) Aus den Arbeitszeitaufzeichnungen müssen auch die an den Einkaufssamstagen im Dezember geleisteten Arbeitsstunden ersichtlich sein. Sie werden aufgefordert die vollständigen Arbeitsaufzeichnungen des Monat Dezember 1989 dem gef Amt zu übersenden.

 

Wegen der oa Übertretungen mußte gegen Sie die Strafanzeige bei der zuständigen Verwaltungsbehörde erstattet werden."

 

In Ihrer Stellungnahme zu dieser Aufforderung hat die Beschuldigte mit Schreiben vom 6. Februar 1992 der Berufungsbehörde mitgeteilt, daß die vorgenannte Aufforderung des Arbeitsinspektorates Verwaltungsübertretungen geringfügiger Natur betreffe und die Beschuldigte durch geeignete organisatorische Maßnahmen und Änderungen Vorkehrungen getroffen habe, daß in Hinkunft keinerlei Beanstandungen mehr erfolgen würden.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Da sich die von der Berufungswerberin erhobene Berufung nur gegen die Strafhöhe richtet, hat die Berufungsbehörde davon auszugehen, daß die Beschuldigte die ihr zur Last gelegte Übertretung begangen hat und lediglich zu beurteilen, ob die verhängte Strafe dem durch §19 VStG vorgegebenen Maßstab entspricht. Die Anberaumung einer öffentlichen mündlchen Verhandlung konnte gemäß §51e Abs2 VStG entfallen.

 

Das Arbeitnehmerschutzgesetz und die im Rahmen dieses Gesetzes anzuwendenden Verordnungen sollen den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer vor den Gefahren der Arbeitswelt gewährleisten. Da es sich hiebei um den Schutz von höchstpersönlichen Rechtsgütern handelt, ist - wie auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat - bei Übertretungen der Arbeitnehmerschutzvorschriften ein strenger Maßstab anzulegen. Insbesondere der Übertretung von Bestimmungen, die das Freihalten und die Benützbarkeit von Notausgängen zum Gegenstand haben, ist ein erheblicher Unrechtsgehalt beizumessen, weil es das Ziel des §23 Abs3 AAV ist, den Arbeitnehmern in Not- und Unglücksfällen das rechtzeitige Verlassen des Gefahrenbereiches zu ermöglichen. Dieser erhebliche Unrechtsgehalt war von der Berufungsbehörde bei der Bemessung der verhängten Strafe zu berücksichtigen. Es kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, daß nur eine geringfügige Verletzung der vom Gesetzgeber geschützten Interessen vorliegt.

 

Da bei einer Übertretung nach §31 Abs2 litp des Arbeitnehmerschutzgesetzes iVm §23 Abs3 AAV zum Tatbestand weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich hier um ein sogenanntes "Ungehorsamsdelikt". Die Behörde war daher berechtigt gemäß §5 Abs1 VStG Fahrlässigkeit der Beschuldigten anzunehmen. Der Gegenbeweis gemäß §5 Abs1 und 2 VStG, daß die Beschuldigte an der Übertretung kein Verschulden betrifft oder eine entschuldbare Unkenntnis der gesetzlichen Vorschrift vorgelegen ist, konnte weder angeboten noch erbracht werden.

 

Wie der Stellungnahme des Arbeitsinspektorates für den x Aufsichtsbezirk im Berufungsverfahren zu entnehmen ist, ist dieses offenbar bereits am 25. Jänner 1991 bei der Stellung des Strafantrages gemäß §6 Abs2 des Arbeitsinspektionsgesetzes, in dem eine Geldstrafe von S 5.000,-- gefordert wird, von einer vorsätzlichen Übertretung ausgegangen. Der Auffassung des Arbeitsinspektorates, daß die in Rede stehende Übertretung von der Beschuldigten vorsätzlich begangen wurde, konnte die Berufungsbehörde nicht beitreten, weil die Bestellung der Beschuldigten zum verantwortlichen Beauftragten gemäß §9 VStG nachweislich am 1. März 1990 und damit erst nach der eingangs erwähnten Aufforderung zur Mängelbehebung vom 9. Februar 1990 erfolgt ist. Eine vorsätzliche Übertretung durch die Beschuldigte ist somit nicht nachweisbar.

 

Die Tatsache, daß betreffend die Beschuldigte keine einschlägigen Vorstrafen nach den Arbeitnehmerschutzvorschriften aufscheinen, konnte von der Berufungsbehörde nicht als mildernd gewertet werden, zumal nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl Erkenntnis vom 26. September 1991, Zl 91/09/0068, und die dort zitierten weiteren Erkenntnisse) lediglich die absolute Unbescholtenheit einen Milderungsgrund darstellt. Eine absolute Unbescholtenheit liegt aber laut Vorstrafenvormerk der Bezirkshauptmannschaft xx bei der Beschuldigten nicht vor.

 

Wie bereits eingangs ausgeführt wurde, stellt die gegenständliche Übertretung ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt dar, weshalb ein Milderungsgrund im Sinne des §34 Z15 StGB nicht in Betracht kommt. Im gegenständlichen Fall ist weder ein Schaden eingetreten, der von der Beschuldigten gut gemacht wurde noch konnte von der Beschuldigten ein Beweis dafür angeboten oder erbracht werden, daß sie nachteilige Folgen verhindert hätte.

 

Daß die Beschuldigte an der vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes mitgewirkt hat und deshalb ein Milderungsgrund im Sinne des §34 Z16 StGB vorliegt, ist durch nichts erwiesen. Eine aktive Mitwirkung der Beschuldigten bei der Feststellung des Sachverhaltes durch die Arbeitsinspektoren war weder erforderlich noch konnte eine solche aktive Mitwirkung der Beschuldigten von dieser plausibel dargelegt werden. Wie dem erstinstanzlichen Straferkenntnis und dem Verwaltungsakt zu entnehmen ist, hat sich die Beschuldigte im erstinstanzlichen Verfahren insoweit passiv verhalten, als sie zu der Aufforderung zur Rechtfertigung durch die erste Instanz nicht geäußert hat.

 

Wenn die Beschuldigte vermeint, daß ein Milderungsgrund im Sinne des §34 Z18 StGB zu berücksichtigen wäre, so konnte die Berufungsbehörde von einem solchen Milderungsgrund nicht ausgehen, zumal gegen die Beschuldigte vom Arbeitsinspektorat für den x Aufsichtsbezirk im Juni 1991 Anzeige wegen zweier weiterer Delikte nach den Arbeitnehmerschutzvorschriften erstattet werden mußte.

 

Wenn nun von der Berufungsbehörde die verhängte Geldstrafe auf S 4.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 4 Tage herabgesetzt werden konnte, so war hiefür vor allem maßgebend, daß die erste Instanz dem Strafantrag des Arbeitsinspektorates für den x Aufsichtsbezirk, der offensichtlich von einer vorsätzlichen Begehung der Übertretung ausgeht, gefolgt ist, ohne sich mit dem tatsächlichen Verschulden der Beschuldigten auseinanderzusetzen. Die von der Berufungsbehörde verhängte Strafe erweist sich auch unter Berücksichtigung der von der Beschuldigten im Berufungsverfahren angegebenen allseitigen Verhältnisse als angemessen. Die Strafe erscheint der Berufungsbehörde auch in dem nunmehr verhängten Ausmaß notwendig, um der Beschuldigten die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens vor Augen zu führen und sie in Hinkunft von der Begehung weiterer Übertretungen nach den Arbeitnehmerschutzvorschriften abzuhalten.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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