TE UVS Niederösterreich 1992/07/28 Senat-NK-91-038

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Veröffentlicht am 28.07.1992
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991, keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt.

 

Der Berufungswerber hat dem Land NÖ gemäß §64 VStG, BGBl Nr 52/1991, S 18.400,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen 2 Wochen zu zahlen.

Text

Mit dem bekämpften Straferkenntnis des Magistrats der Stadt xx, M Bezirksamt xy vom 14.6.1991, Zl xx, wurde über Mag Dr K H als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als nach außen vertretungsbefugtes Organ der S-K W GesmbH wegen verschiedener Übertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz BGBl Nr 461/1969 und des Arbeitsruhegesetzes BGBl Nr 144/1983 idgF eine Geldstrafe in der Gesamthöhe von S 92.000,--, im Nichteinbringungsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 46 Tagen nach den einschlägigen Strafbestimmungen des §28 Abs1 AZG und des §27 Abs1 ARG verhängt.

 

Dem Beschuldigten wurde angelastet, als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S-K-W GesmbH dafür verantwortlich zu sein, daß die Tagesarbeitszeit, die selbst bei Verlängerung der Arbeitszeit bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes 10 Stunden nicht überschreiten darf, durch die Beschäftigung von Arbeitnehmern in 11 Fällen überschritten wurde, daß in weiteren 14 Fällen die sich aus §3 des AZG ergebende zulässige Wochenarbeitszeit von 40 Stunden durch die Beschäftigung von Arbeitnehmern überschritten wurde, daß in 8 Fällen Arbeitnehmern keine mindestens 11-stündige ununterbrochene Ruhezeit gewährt wurde, daß 5 Arbeitnehmer während der Wochenruhe beschäftigt wurden, daß einem Arbeitnehmer keine Wochenruhe gewährt wurde und daß 6 Arbeitnehmern keine gesetzliche Ersatzruhe zugestanden wurde.

 

Über seine ausgewiesene Rechtsvertreter erhebt der Beschuldigte fristgerecht Berufung und bestreitet die angelasteten Überschreitungen der Arbeitszeit/Arbeitsruhebestimmungen nicht. Begründet wird die Berufung damit, daß außergewöhnliche Fälle gemäß §20 AZG vorlagen, wobei auf die Stellungnahme vom 3.5.1991 verwiesen wird. Als weiterer Verfahrensmangel wird im Rechtsmittel das Unterlassen der Vernehmung beantragter Zeugen zum Beweis des Vorliegens der im §20 AZG aufgezählten Gründe gerügt. Desweiteren sei von der ersten Instanz zu Unrecht die Eigenschaft des T      S       als leitender Angestellter verneint worden und aufgrund all dieser aufgezeigten Fakten wurde sowohl der Antrag auf vollinhaltliche Stattgebung der Berufung gestellt, als auch beantragt, das angefochtene Straferkenntnis zur Gänze aufzuheben, einzustellen, den Bescheid aufzuheben und in der Sache selbst zu entscheiden, bzw das Verfahren zur Ergänzung und neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen, schlußendlich wird der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung gestellt.

 

Das zuständige Arbeitsinspektorat hielt im Rahmen des Parteiengehörs den gestellten Strafantrag vollinhaltlich aufrecht. (Die Einschränkung des Punktes 3 - M H Nr 127 wurde im Straferkenntnis bereits berücksichtigt).

 

In der am 16.7.1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von der Rechtsvertreterin des Berufungswerbers ausdrücklich außer Streit gestellt, daß Mag Dr K H als der nach §9 VStG Verantwortliche des Betriebes der Firma S-K GesmbH anzusehen sei. Weiters wurde auf die Berufungsschrift vom 5.9.1991 verwiesen und präzisiert, daß es zu den im übrigen unbestritten gebliebenen - Arbeitszeitüberschreitungen aufgrund einer Verkettung unglückseliger Zustände gekommen sei, einerseits verursacht durch das unvermutete Ausscheiden dreier Arbeitnehmer, andererseits bedingt durch die für Jänner 1991 fixierte notwendige Wartung von Maschinen Erschwerend käme noch das Vorliegen eines Maschinenschadens im gegenständlichen Zeitpunkt dazu.

 

Seitens des Vertreters des Arbeitsinspektorats wird das Vorliegen von zulässigen Ausnahmebestimmungen nach §20 AZG bestritten.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat dazu rechtlich wie folgt erwogen:

 

I

Dem Vorbringen in der Berufung hinsichtlich der Eigenschaft des T S       als leitender Angestellter kann nicht gefolgt werden. Gemäß §1 Abs1 Z8 Arbeitszeitgesetz gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht für leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind. Unter leitenden Angestellten versteht der Gesetzgeber eine Gruppe von Arbeitnehmern deren Aufgabenbereich eine Bindung an die fixen Arbeitszeitgrenzen und an die Arbeitszeitverteilung des Arbeitszeitgesetzes kaum zuläßt. Ein weiteres wichtiges Kriterium für die Zuerkennung der Eigenschaft als leitender Angestellter liegt darin, daß diese Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit weitgehend selbst einteilen können. Nicht zuletzt ist auch die überdurchschnittliche Höhe des Entgelts in Betracht zu ziehen. Dem leitenden Angestellten müssen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sein, worunter nicht nur die Stellung als Vorgesetzter zu berücksichtigen ist, sondern auch die Frage zu klären ist, ob und inwieweit ihm Entscheidungen auf kaufmännischem oder technischem Gebiet obliegen.

 

Legt man die Aussage des Zeugen T      S       in der öffentlichen mündlichen Verhandlung über seine Stellung im Betrieb der Prüfung der Frage des Vorliegens der Eigenschaft als "leitender Angestellter" im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zugrunde, so erhellt aufgrund seiner glaubhaften und logisch nachvollziehbaren Angaben, daß ihm die rechtliche Qualifikation des leitenden Angestellten nicht zukommt. Durch das Fehlen freier Zeiteinteilung, seines im Rahmen des Gesamtunternehmens üblichen und angepaßten Entgelts und durch den geschilderten Umfang seiner Selbstverantwortlichkeit, unterscheidet er sich nach ständiger Rechtssprechung zum Arbeitszeitgesetz von Personengruppen, denen die Eigenschaft als leitenden Angestellten, beispielsweise Geschäftsführer, Betriebsleiter und Direktor von wichtigen Teilbereichen eines Unternehmens, zukommt.

 

II

Ausgehend vom gesamten Akteninhalt und dem ergänzenden Vorbringen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung kann der Rechtsansicht des Berufungswerbers, es habe sich im gegenständlichen Fall um außergewöhnliche Fälle gemäß §20 AZG gehandelt, nicht gefolgt werden.

 

Die Ausnahmen in außergewöhnlichen Fällen gemäß §20 AZG, BGBl Nr 461/1969, kommen nur in solchen Fällen zur Anwendung, wenn es sich um Ereignisse handelt, die außerhalb des gewöhnlichen Betriebsablaufes liegen und wenn die das Erfordernis der Mehrarbeit bedingenden Umstände weder regelmäßig noch vorhersehbar sind und auch nicht zu verhindern waren und andere zumutbare Maßnahmen nicht getroffen werden können, um eine Behebung einer Betriebsstörung in die Wege zu leiten oder eine Verhütung des Verderbens von Gütern oder einen sonstigen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Sachschaden hintanzuhalten. (§20 Abs1 litb AZG).

 

Der Berufungswerber versucht darzulegen, daß eine Überschreitung der Arbeitszeit aufgrund des unverhofften Zusammentreffens mehrerer betriebsstörender Faktoren für ihn die einzige Möglichkeit war, um "sonstigen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Sachschaden" zu vermeiden. Die Situation sei durch den Abgang von insgesamt drei Facharbeitern, durch die geplante und für Jänner 1991 terminlich fixierte Wartung von CNC-Maschinen und durch einen eingetretenen Maschinenschaden entstanden.

 

Dazu ist festzuhalten:

Die für Jänner 1991 geplante Wartung von CNC-Maschinen ist kein außergewöhnlicher Fall im Sinne des §20 AZG. Hiebei handelt es sich um vorhersehbare, bzw regelmäßig (jährlich) wiederkehrende Ereignisse, die nach ständiger Judikatur nicht vom Bereich des §20 AZG umfaßt sind (vgl zu §14 AZO, OGH ZAS 1967/1 mit Anmerkung Gürtler; OGH ÖVA 1962, 111, ArbG Linz Arb 6751).

 

Der Aufall von insgesamt drei Arbeitnehmern in einem Vierschichtbetrieb kann nicht als unvorhergesehener und nicht zu verhindernder Grund angesehen werden. Gerade ein Unternehmen, das sich im Ausnahmekatalog zur Verordnung des Arbeitsruhegesetzes hinsichtlich der Aufrechterhaltung eines Schichtbetriebs am Wochenende befindet, ist aus betrieblicher Notwendigkeit verpflichtet, eine angemessene Personalreserve zu führen, um allfälligen plötzlichen auftretenden Personalengpässen begegnen zu können. Schon bei Firmen, die keine Schichtbetriebe sind, besteht die rechtliche Verpflichtung der Führung einer Personalreserve, da das Ausscheiden von Arbeitnehmern nach ständiger Rechtssprechung nicht zur Inanspruchnahme der Ausnahmebestimmungen des §20 AZG berechtigt. Weiters ist auch in diesem Fall das Kriterium der "Unvorhersehbarkeit" nicht erfüllt. Da das Ausscheiden der Arbeitnehmer im gegenständlichen Fall durch Kündigung und nicht unvermutet (beispielsweise Entlassung) erfolgte, hätte das Unternehmen genügend Zeit ab Kenntnis der bevorstehenden Beendigung des Dienstverhältnisses dieser Arbeitnehmer gehabt, durch Umstrukturierung und allfällige weitere innerbetrieblichen Vorsorge Gegenmaßnahmen zu setzen.

 

Durch den zusätzlichen Hinweis des Berufungswerbers auf einen Maschinenschaden im fraglichen Zeitpunkt ist für diesen ebenfalls nichts zu gewinnen. Durch die Zeugenaussage des T      S       ist ausreichend nachgewiesen, daß es öfters zu Reparaturen an diesen im Dauereinsatz stehenden, sehr störanfälligen Maschinen gekommen ist. Da offensichtlich mit Störungen an diesen Geräten mit einer gewissen Regelmäßigkeit alle zwei bis drei Monate zu rechnen ist, ist in diesem Fall auch nicht von einem unvorhergesehenen Grund auszugehen.

 

Durch die damalige gute wirtschaftliche Auftragslage und den sicherlich herrschenden Zeitdruck aufgrund des Vorliegens termingebundener Aufträge durfte die Firma S-K nur mit vertragsgemäßen und zulässigen Überstunden reagieren, die in den §§7, 8 AZG geregelt sind. Pönalezahlungen und drohender Verlust von Folgeaufträgen sind nicht vom Geltungsbereich des §20 Abs1 litb umfaßt und nicht unter dem Begriff des "sonstigen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Sachschadens" subsumierbar.

 

Auch wurde den Arbeitnehmern in der jeweils folgenden Woche, für die während der wöchentlichen Ruhezeit geleistete Arbeit, keine Ersatzruhe gewährt.

Die Aufrechterhaltung des kontinuierlichen Betriebes ist auch kein außergewöhnlicher Fall im Sinne der Bestimmungen des §11 des Arbeitsruhegesetzes. Außergewöhnlich ist ein Fall im Sinne des §11 Abs1 ARG dann, wenn der Eintritt eines bestimmten Sachverhaltes nicht mit dem üblichen Betriebsablauf verbunden ist. Damit sind alle Fälle vom Anwendungsbereich des §11 ausgeschlossen, mit denen der Arbeitgeber rechnen muß und die in Betriebsablauf eingeplant werden können und erfahrungsgemäß in gewissen Abständen auftreten, komme nicht als außergewöhnlicher Fall im Sinne des §11 Abs1 ARG in Betracht.

Sondereinsätze zur termingerechten Fertigstellung von Arbeiten berechtigten Arbeitgeber oder deren gesetzliche Vertreter nicht dazu, den Arbeitnehmern keine wöchentliche Ruhezeit zu gewähren. Die im §11 Abs1 Z2 hinsichtlich der möglichen Sachbeschädigung verwendete Generalklausel "sonstiger unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Schaden" deutet darauf hin, daß es außerhalb von Betriebsstörungen oder der Gefahr des Güterverderbens weitere Fälle geben kann, in denen vorübergehende und unaufschiebbare Arbeiten zur Verhinderung betrieblicher Schäden erforderlich sind. Es kommen jedoch nur unmittelbare materielle Schäden in Betracht und nicht etwa ein entgangener Gewinn durch die Produktionsunterbrechung während der Ruhezeiten.

 

Die Aussage des Zeugen R       zu Punkt 33 des Straferkenntnisses, B

        K    betreffend, wobei es sich un einen besonders krassen

Fall der Nichteinhaltung der gesetzlich normierten Ruhezeit handelt, zeigt, daß das Unternehmen auf einen plötzlichen und unvorhergesehenen, auch kurzzeitigen Ausfall von wichtigen Mitarbeitern nicht vorbereitet war, und nicht so reagieren konnte, daß eine Verletzung der geltenden Arbeitszeit/Arbeitsruhebestimmungen hintangehalten werden kann. Ein außergewöhnlicher Fall, der diese Vorgangsweise, - Verkürzung der ununterbrochenen Ruhezeit auf weniger als 5 Stunden - rechtlich entschuldbar macht, liegt nicht vor.

 

Der in der Berufung gestellte Eventualantrag auf Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Zurückverweisung des Verfahrens zur Ergänzung und neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz kann mangels gesetzlicher Deckung des §24 VStG nicht entsprochen werden, da die Bestimmung des §66 Abs2 AVG im VStG ausdrücklich ausgeschlossen ist.

 

Nach §19 VStG ist für die Strafbemessung stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, zu berücksichtigen und Erschwerungs- und Milderungsgründe heranzuziehen, sowie das Ausmaß des Verschuldens der Strafbemessung zugrunde zu legen. Bei Geldstrafen sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten zu berücksichtigen.

 

Geht man im gegenständlichen Fall davon aus, daß eine Vielzahl von Übertretungen, teilweise in gravierendem Ausmaß, vorliegt, die die soziale Schutznorm des Arbeitszeitgesetztes/Arbeitsruhegesetzes, die der freien Übereinkunft entzogen sind, verletzt hat, ist die von der ersten Instanz innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens verhängte Strafe der Tat durchaus schuldangemessen und geeignet, den Beschuldigten von der Begehung weiterer Verwaltungsübertretungen abzuhalten. Die Höhe der verhängten Strafe, die aufgrund einer Schätzung des Einkommens des Berufungswerbers erfolgte, ist ebenfalls geeignet, generalpräventiv zu wirken.

 

Unter Berücksichtigung all dieser Gründe war daher der Berufung der Erfolg zu versagen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich zu bestätigen.

 

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch angeführten Gesetzesstellen, danach ist der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens für das Berufungsverfahren mit 20 % der verhängten Strafe zu bemessen.

 

Der Berufungswerber hat daher insgesamt folgende Beträge zu entrichten:

1) verhängte Geldstrafe:                      S  92.000,--

2) Kostenbeitrag zum Verfahren I  Instanz     S   9.200,--

3) Beitrag zu den Kosen des

   Berufungsverfahrens                        S  18.400,--

                                              ------------

                            Gesamt            S 119.600,--

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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