TE UVS Niederösterreich 1992/08/31 Senat-BN-92-057

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Veröffentlicht am 31.08.1992
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991, Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid behoben.

 

Gemäß §45 Abs1 Z2, erster Fall, wird die Einstellung des Verfahrens verfügt.

Text

Mit dem bekämpften Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft xx vom 20. Jänner 1992, Zl xx, wurde über P    G     als Arbeitgeber wegen Übertretung der Bestimmungen des §3 Abs1 iVm §18 Abs1 Arbeitsinspektionsgesetz, BGBl Nr 143/1974, eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfalle 10 Tage) verhängt.

 

Dem Beschuldigten wurde angelastet, zwei Organe des Arbeitsinspektorates für den x Aufsichtsbezirk in der Ausübung ihres Dienstes behindert zu haben, indem er sich den Organen nicht zur Verfügung stellte.

 

In seiner Berufung bestreitet der Beschuldigte den angelasteten Sachverhalt nur insoweit, als er behauptet, von den Arbeitsinspektoren nicht konkret aufgefordert worden zu sein, diese bei einer Betriebsbesichtigung zu begleiten oder gewisse Unterlagen vorzulegen. Von einer Behinderung der Beamten des Arbeitsinspektorates in Ausübung ihres Dienstes könnte daher nicht gesprochen werden. Die Frage "Haben Sie für uns Zeit" stelle nur eine allgemeine Frage dar und sei durch diese von den Arbeitsinspektoren nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht worden, was diese wollten. Keinesfalls könne dieser Satz als ein Verlangen zur Begleitung bei der Amtshandlung im Sinne des §3 Abs2 ArbIG gewertet werden.

Es werde somit der Antrag auf Behebung des gegenständlichen Straferkenntnisses gestellt und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt, zugleich wird hilfsweise die Herabsetzung der verhängten Strafe begehrt.

 

Im Rahmen des Parteiengehörs hat das zuständige Arbeitsinspektorat nach Kenntnis der erhobenen Berufung in seiner Stellungnahme im wesentlichen auf die Bestimmung des §3 Abs2 ArbIG 1974 verwiesen, wodurch die Besichtigung des Betriebes nach Bekanntgabe der Anwesenheit sowie der Aufforderung zur Begleitung der Arbeitsinspektoren nicht unnötig verzögert werden darf. Es wurde beantragt, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft xx vom 20. Jänner 1992, Zl xx, vollinhaltlich zu bestätigen.

 

In der am 27. Juli 1992 am Sitz der Bezirkshauptmannschaft xx durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde sowohl seitens des anwesenden Vertreters des Arbeitsinspektorates für den x Aufsichtsbezirk als auch vom Berufungswerber übereinstimmend ausgesagt, daß ausschließlich durch den Satz "Haben Sie für uns Zeit" seitens der an der Amtshandlung beteiligten Organen des Arbeitsinspektorates die Aufforderung zur Begleitung des Betriebsinhabers bei der Inspektion ausgesprochen wurde.

 

Der in der Berufung geschilderte zeitliche Ablauf der Amtshandlung wurde seitens des Arbeitsinspektors nicht bestritten. Eine Verweigerung des Zutritts zu den betrieblichen Räumlichkeiten sei seitens des Geschäftsinhabers nicht erfolgt. Die Inspektion sei vor allem deshalb durchgeführt worden, um die Erfüllung einer seitens der Bezirkshauptmannschaft xx erteilten Auflage im Rahmen des Arbeitnehmerschutzes kontrollieren zu können. Bisher habe es aus der Sicht des Arbeitsinspektorates im gegenständlichen Betrieb keine gravierenden Verletzungen der Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzes gegeben.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat dazu folgendes erwogen:

 

Der in der Berufung geäußerten Rechtsansicht bezüglich der Bestimmung des §3 Abs2 letzter Satz des ArbIG ist zu folgen. Die weiteren getätigten Rechtsausführungen zu §5 ArbIG sind unerheblich, da diese Gesetzesbestimmung nicht als Verwaltungsübertretung im gegenständlichen Straferkenntnis angelastet wurde und somit nicht Gegenstand des Verfahrens ist.

 

§3 Abs2 ArbIG enthält unter anderem die Verpflichtung des Arbeitgebers oder dessen Bevollmächtigten, auf Verlangen des Arbeitsinspektors diesen bei der Amtshandlung im Betrieb zu begleiten.

Im Regelfall wird das Verlangen des Arbeitsinspektoratsorganes nach einer Teilnahme des Arbeitgebers an dem Kontrollgang weitestgehend vom konkreten Anlaßfall sowie dessen bisherigen Verhalten in den Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes abhängig sein. Der Arbeitsinspektor wird jedoch im Hinblick auf seine Aufgabenstellung versuchen, das Vertrauen des Arbeitgebers zu gewinnen und bestrebt sein, diesen zur Teilnahme zu bewegen, ohne Inanspruchnahme des §3 Abs2 letzter Halbsatz (vgl Kommentar Geppert zu Arbeitsinspektion und Arbeitnehmerschutzrecht in Schriftreihe ÖGB/120, Seite 172).

 

Jedoch kann nach Meinung des Senates die Auslegung des §3 Abs2 ArbIG im gegenständlichen Fall nicht so verstanden werden, daß alleine durch die verwendete Höflichkeitsfloskel "Haben Sie für uns Zeit" und die darauffolgende Verneinung seitens des Betriebsinhabers die Verwaltungsübertretung des §3 Abs2 ArbIG begangen wurde.

 

Von einer Verwaltungsübertretung nach dieser gesetzlichen Bestimmung des §3 Abs2 ArbIG kann erst dann gesprochen werden, wenn unmißverständlich zur Höflichkeitsfloskel "Haben Sie für uns Zeit" das ausdrückliche Verlangen auf Begleitung des Arbeitgebers oder dessen Bevollmächtigten bei der Inspektion angeführt wird.

 

Analog zu den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts kann allein in der Frage "Haben Sie für uns Zeit" keine ausdrückliche Willenserklärung auf Begleitung bei der Inspektion gesehen werden, da auch die Nebenumstände im konkreten Fall berücksichtigt werden müssen (vgl Walter-Mayer Grundriß des öffentlichen Recht I).

 

Wenn das Arbeitsinspektorat davon ausgeht, daß durch obig angeführte Frage eine schlüssige Willenserklärung auf Begleitung des Arbeitgebers bei der Inspektion abzuleiten ist, muß darauf verwiesen werden, daß eine schlüssige Willenserklärung erst dann vorliegt, wenn der Erklärungswert weniger aus bestimmten Worten oder aus einem bestimmten Verhalten, sondern mehr aus den Begleitumständen erschlossen wird. Eine solche konkludente Erklärung darf nur dann angenommen werden, wenn eine Aussage nach der Verkehrssitte, nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Gerade diese Kriterien sind bei der getätigten Willenserklärung nicht erfüllt. Diese mußte auch unter Berücksichtigung aller Umstände objektiv nicht so verstanden werden, daß für einen schutzwürdigen Empfänger der Willensäußerung "Haben Sie für uns Zeit" auch unter Berücksichtigung der konkreten Begleitumstände des Anlaßfalles die Aufforderung zur Begleitung bei der betrieblichen Inspektion zu verstehen war.

Da der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat, war spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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