TE UVS Niederösterreich 1992/11/03 Senat-B-92-005

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Veröffentlicht am 03.11.1992
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Spruch

Der Beschwerde wird gemäß §67c Abs3 AVG, BGBl Nr 51/1991, stattgegeben.

 

Es wird festgestellt, daß der Schußwaffengebrauch des Revierinspektor E     H            und des Inspektor T      N am 22.3.1991 um 02,00 Uhr rechtswidrig war.

 

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer gem §79a iVm §59 Abs2 AVG die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten in Höhe von S 7.533,-- bei sonstiger Exekution binnen vier Wochen zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Text

I.

Mit der offensichtlich auf §67a Abs1 Z2 AVG gestützten Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer, durch einen Schußwaffengebrauch zur Erzwingung einer Verkehrskontrolle, der er sich schließlich durch Weiterfahrt deshalb entzogen habe, weil er die einschreitenden Beamten für alkoholisiert oder sonstwie beeinträchtigt gehalten habe, sowie durch den Schußwaffengebrauch bei der anschließenden Verfolgungsfahrt einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen gewesen zu sein. Die Voraussetzungen für einen Schußwaffengebrauch hätten nicht vorgelegen.

 

Die belangte Behörde, die Bezirkshauptmannschaft xx, und das Gendarmerieabteilungskommando xx haben eine Stellungnahme abgegeben und die Amtshandlung durch Vorlage des Verwaltungsstrafaktes sowie von Berichten, Niederschriften und Fotos aus den Gendarmerieerhebungen dokumentiert.

 

Das Gendarmerieabteilungskommando schenkt den Angaben der beteiligten Beamten, sie hätten zunächst nur Warnschüsse in die Luft abgegeben, Glauben und kommt bei der Beurteilung der Schußabgabe nach der vereitelten Lenkerkontrolle zum Ergebnis, daß durch die Wiederinbetriebnahme des Fahrzeuges und die Weiterfahrt, durch welche der kontrollierende Beamte RevI H            von der noch offenen Fahrertüre mitgerissen und am kleinen Finger der rechten Hand (geringfügig) verletzt wurde, der Lenker als allgemein gefährliche Person einzustufen gewesen sei. Der Schußwaffengebrauch habe sich außerdem nicht gegen die Person, sondern gegen die Sache (das Auto) gerichtet. Die Trefferanzeige durch den Beschwerdeführer wird nicht bestritten.

 

Die belangte Behörde hat dagegen zusammenfassend ausgeführt, Voraussetzungen für einen Schußwaffengebrauch iSd §7 Z3 Waffengebrauchsgesetz hätten nicht vorgelegen, eine Gefährdung der beiden Mitfahrerinnen sei gegeben gewesen. Sie hat auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verzichtet.

 

II.

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ stellt aufgrund des vorgelegten Beweismaterials fest:

Der Beschwerdeführer war als Lenker eines KFZ aufgrund seiner Fahrweise der Übertretung mehrerer Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung verdächtig und sollte zur Kontrolle angehalten werden. Ob die Abgabe von Schüssen zur Erzwingung dieser Verkehrskontrolle tatsächlich, wie vom Beschwerdeführer behauptet, Einschüsse im Fahrzeug zur Folge gehabt hat, oder ob es sich zuerst nur um Schüsse bloß in die Luft gehandelt hat, und das Fahrzeug erst bei der fortgesetzten Verfolgung beschädigt wurde, läßt sich angesichts der widersprechenden Aussagen nicht mit der erforderlichen Sicherheit entscheiden.

 

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ besteht kein Grund, die Angaben der Beamten anzuzweifeln, sie hätten beim Beschwerdeführer, als sich dieser das erste Mal der Kontrolle stellte, Symptome einer möglichen Alkoholisierung wahrgenommen und den Lenker aufgefordert, sich einem Alkomattest zu unterziehen.

 

Unbestritten wollte sich der Lenker einer weiteren Kontrolle entziehen und konnte auch durch Anwendung von Körperkraft an der Weiterfahrt nicht gehindert werden. Der einschreitende Beamte wurde geringfügig verletzt, die Verletzung hat keiner

medizinischen Versorgung bedurft.

 

Im Hinblick darauf, daß im Verwaltungsstrafakt die Vermutung der Beeinträchtigung des Lenkers durch Alkohol ausreichend begründet wird, kann vertretbarer Weise davon ausgegangen werden, daß mit der Weiterfahrt der Festnahmegrund des §35 Z3 VStG vorgelegen hat. Der einschreitende Beamte behauptet darüber hinaus noch eine Verletzung, also zusätzlich noch einen strafrechtlichen Tatbestand.

 

Der Schußwaffengebrauch, um den Davonfahrenden zu stoppen, war im gegenständlichen Fall, wie dokumentiert, nicht auf die Beschädigung von Sachen beschränkt, sondern mit der Gefährdung des Lebens sämtlicher Insassen verbunden und ist daher nach §7 Z3 Waffengebrauchsgesetz zu beurteilen.

 

Nach dieser Bestimmung ist der mit Lebensgefährdung verbundene Gebrauch einer Waffe gegen Menschen nur zulässig "zur Erzwingung der Festnahme oder Verhinderung des Entkommens einer Person, die einer gerichtlich strafbaren Handlung die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, überwiesen oder dringend verdächtig ist, die für sich allein oder in Verbindung mit ihrem Verhalten bei der Festnahme oder Entweichung sie als einen für die Sicherheit des Staates, der Person oder des Eigentums allgemein gefährlichen Menschen kennzeichnet".

 

Bei Abwägung der gefährdeten Rechtsgüter muß der Waffengebrauch als überschießend und durch §7 Z3 Waffengebrauchsgesetz nicht mehr gedeckt angesehen werden.

Der Unabhängige Verwaltungssenat ist aber der Ansicht, daß nicht jedem gesetzwidrigen Waffengebrauch zugleich auch eine gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person innewohnt und damit als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art3 EMRK zu werten ist.

Aus dem Beschwerdevorbringen war ein Verstoß gegen Art3 EMRK nicht abzuleiten.

 

III.

Aufwandersätze

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. September 1991, Zl 91/19/0162, dargelegt, daß sich der unabhängige Verwaltungssenat bei der Entscheidung über den Kostenersatz gemäß §79a AVG an den Bestimmungen der §47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl Nr  104/1991, zu orientieren hat und die in dieser Verordnung angeführten Pauschalsätze um ein (gerundetes) Drittel zu kürzen sind.

 

Das bedeutet im Beschwerdefall, daß

 

dem Beschwerdeführer ein Ersatz von Schriftsatzaufwand für die an die belangte Behörde gerichtete Beschwerde in Höhe von S 7.413,-- (S 11.120,-- gemäß ArtIA Z1 der zit VO). zuzuerkennen ist. Die Beträge für Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand verstehen sich, da es sich um Pauschalierungen handelt, inklusive Umsatzsteuer.

 

Der Ersatz von Bundesstempelgebühren war im Ausmaß von S 120,-- für den in einfacher Ausfertigung einzubringenden Schriftsatz gemäß §48 Abs2 Z1 VwGG zuzuerkennen.

 

Somit ergibt sich als Summe der Ersätze für Schriftsatzaufwand und Bundesstempel ein Betrag von S 7.533,--.

 

Da eine Amtshandlung der Bezirkshauptmannschaft xx für rechtswidrig zu erklären war, ist gemäß §79a AVG das Land NÖ als Rechtsträger der belangten Behörde schuldig, dem Beschwerdeführer die Aufwendungen in Höhe von S 7.533,-- binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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