TE UVS Niederösterreich 1992/11/17 Senat-MI-91-055

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Veröffentlicht am 17.11.1992
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991, Folge gegeben. Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird dahingehend abgeändert, daß anstelle der Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe eine Ermahnung gemäß §21 Abs1 VStG, BGBl Nr 52/1991, ausgesprochen wird.

Text

Mit dem mündlich verkündeten Straferkenntnis vom 7.11.1991, Zl , wurde über Herrn A     K      eine Geldstrafe in Höhe von viermal S 10.000,--, zusammen S 40.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe:

viermal 7 Tage, zusammen 28 Tage) verhängt. In diesem

Straferkenntnis wurde es als erwiesen angesehen, daß der

Beschuldigte in der Zeit von 1.10.1991 bis 4.10.1991 die vier

polnischen Staatsbürger B        Z       , F          T     , P

  A       und F          S         in S      ,              ,

entgegen den Bestimmungen des §3 Abs1 des

Ausländerbeschäftigungsgesetzes beschäftigt hat.

 

Gleichzeitig mit der Verkündung dieses Straferkenntnisses hat der Beschuldigte eine Erklärung des Inhaltes "Ich verzichte auf die Berufung" unterschrieben.

 

Am 19.11.1991 erhob der Beschuldigte, vertreten durch Dr H         S

     , dennoch Berufung und führte dazu im wesentlichen aus, er halte sein Geständnis aufrecht und erachte sich lediglich durch die Höhe der verhängten Strafe beschwert. Das Verfahren sei bezüglich der Ermittlung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse jedenfalls mangelhaft geblieben. Sein Einkommen erreiche nicht einmal das Existenzminimum und er habe Schulden in Höhe von rund S 500.000,--. Darüberhinaus sei er völlig unbescholten und habe noch nie mit dem Gericht oder einer Verwaltungsstrafbehörde zu tun gehabt. Überhaupt sei er im Umgang mit Behörden nicht vertraut. Überdies habe er durch die Verwendung der vier polnischen Gastarbeiter keinen Profit gemacht, sondern habe lediglich infolge seines schlechten körperlichen Zustandes Arbeiten durchführen lassen. Die Arbeiter seien von ihm auch entlohnt worden. Sein Verschulden sei überdies nur sehr gering gewesen. Zu dem abgegebenen Rechtsmittelverzicht wurde ausgeführt, dem Beschuldigten sei - erstmalig vor einer Strafbehörde stehend - nicht bewußt gewesen, worum es gehe und er habe immer wieder erklärt, diese Strafe nicht annehmen zu können. Es sei ihm auch keine entsprechende Manuduktion erteilt worden. Ein allfälliger Rechtsmittelverzicht sei sohin ohne Beachtung. Der Beschuldigte beantragte, die verhängte Strafe wesentlich herabzusetzen und bedingt auszusprechen.

 

Seitens des Landesarbeitsamtes NÖ ist keine Berufung erhoben worden.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat am 1. Oktober 1992 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher vom Vertreter des Beschuldigten zunächst ausgeführt wurde, daß beim Beschuldigten bei Abgabe des Rechtsmittelverzichtes ein Willensmangel vorgelegen sei. Der Beschuldigte sei nicht in der Lage gewesen, den Umfang seiner Erklärung einzusehen. Die in der Berufung vorgebrachten Gründe und Anträge wurden aufrecht erhalten. Der Beschuldigte gab an, nicht gewußt zu haben, daß Ausländer ohne Bewilligung nicht beschäftigt werden dürfen. Über die Abgabe eines Berufungsverzichtes sei er sich überhaupt nicht bewußt gewesen. Ein Kontoauszug der Raiffeisenkasse xx wurde vorgelegt und zum Akt genommen. Herr FI J H       , der die bekämpfte Amtshandlung bei der Bezirkshauptmannschaft xx geleitet hatte, gab als Zeuge vernommen an, er glaube, dem Beschuldigten die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes und die damit verbundenen Mindeststrafen erklärt zu haben. Er habe ihm auch erklärt, daß es zwei Möglichkeiten gäbe, das Verfahren abzuschließen, nämlich eine Bestrafung auf kurzem Wege (mündliche Verkündung und Verzicht auf das Rechtsmittel) und die Erlassung eines schriftlichen Straferkenntnisses. Das Gespräch mit dem Beschuldigten habe sicher länger gedauert als üblicherweise mit Parteien, wobei sich der Beschuldigte nicht sehr viel geäußert habe. Der Zeuge gab an, sich um den Beschuldigten sehr bemüht zu haben, aber er vermeinte, daß dessen Auffassungsvermögen im Vergleich zu anderen Parteien sicherlich reduziert wäre. Er glaube, der Beschuldigte habe nicht einmal gewußt, daß das eine Übertretung dargestellt habe. Bei aller Mühe, die er sich gegeben hätte, um dem Beschuldigten alles zu erklären, sei es aber durchaus denkbar, daß dieser ihn nicht vollständig verstanden habe. Dieser Fall habe sogar behördenintern dazu geführt, daß in Hinkunft Verfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht mehr in Form einer Kurzerledigung mit Rechtsmittelverzicht abgeschlossen werden. Der Vertreter des Beschuldigten beantragt infolge des mangelnden Bewußtseins der Strafbarkeit der Tat vom Recht der außerordentlichen Strafmilderung Gebrauch zu machen, bzw mit einer Ermahnung das Auslangen zu finden.

 

Das Landesarbeitsamt NÖ gab zu dem übermittelten Protokoll der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 1.10.1992 nachfolgend eine Stellungnahme ab, worin ausgeführt wird, daß gegen die Anerkennung der Berufung keine Einwände bestehen, da der ursprüngliche Rechtsmittelverzicht im erstinstanzlichen Verfahren offensichtlich auf das eingeschränkte Auffassungsvermögen des Beschuldigten zurückzuführen sei. Angesichts der eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit des Beschuldigten bezüglich seines strafbaren Verhaltens und seiner prekären sozialen Lage, erklärte sich das Landesarbeitsamt NÖ mit der Anwendung außerordentlicher Strafmilderung bzw dem Ausspruch einer Ermahnung einverstanden.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Die Berufungsbehörde hatte zunächst durch geeignete Ermittlungen zu erforschen, ob ein Willensmangel seitens des Berufungswerbers anläßlich der Unterzeichnung der Verzichtserklärung vorgelegen war. In der am 1.10.1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sich die Berufungsbehörde vom Beschuldigten einen persönlichen Eindruck verschaffen. Die äußere Erscheinung und das Auftreten des Beschuldigten sowie die Art, in der von ihm die gestellten Fragen beantwortet wurden, vermittelten der Berufungsbehörde den Eindruck eines in völliger Isoliertheit lebenden, weltfremden und in seiner Auffassungsgabe deutlich eingeschränkten Menschen, der nur deshalb nicht unter Sachwalterschaft steht, weil er in dieser Form noch nie auffällig geworden ist und sein Leben in Abgeschiedenheit verbringt. Es ist daher durchaus denkbar, daß sich der Beschuldigte bei Abgabe des Rechtsmittelverzichtes tatsächlich über die damit verbundenen Folgen deshalb nicht im klaren war, weil es ihm aufgrund seiner verminderten Auffassungsfähigkeit nicht möglich war, die ihm erklärten Vorgänge zu begreifen und er sohin tatsächlich einem Willensmangel unterlegen war. Der Zeuge H       , dem zugute zu halten ist, daß er sich über Gebühr bemüht hat, dem Beschuldigten die Vorgänge zu erklären und der schließlich zum damaligen Zeitpunkt davon ausgegangen ist, daß der Beschuldigte die ihm gegenüber abgegebenen Erklärungen verstanden hatte, räumte ein, daß es dennoch möglich sein könne, daß der Beschuldigte die Bedeutung der Vorgänge um dieses Straferkenntnisses und den Verzicht auf die Berufung nicht begriffen hat.

 

Daß der Beschuldigte sofort nach Unterfertigung der Niederschrift und des Rechtsmittelverzichtes und nach Ausfolgung des Zahlscheines einen Rechtsanwalt aufgesucht hat, spricht dafür, daß er das Bedürfnis hatte, seine Unwissenheit und Unsicherheit durch das Sich-Anvertrauen an einen Rechtsanwalt loszuwerden und gibt daher zu der Annahme Anlaß, daß er tatsächlich nicht um die Bedeutung seiner Unterschriftsleistung bei Abgabe der Verzichtserklärung wußte.

 

Da die Berufungsbehörde sohin zu dem Ergebnis kam, daß sich der Berufungswerber über den Inhalt der Erklärung und die damit verbundenen Folgen nicht im klaren war, war daher dieser Willensmangel zugunsten des Beschuldigten zu beachten und wurde daher die Berufung für zulässig angesehen.

Da sich der Berufungswerber nur durch die Höhe der verhängten Strafe beschwert erachtet, konnte die Berufungsbehörde von einem rechtskräftigen Schuldspruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ausgehen. Es ist daher lediglich der Ausspruch über die verhängte Strafe von der Berufungsbehörde einer Überprüfung zu unterziehen.

 

Gemäß §21 Abs1 VStG kann die Behörde von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Die Behörde kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Übertretung zugibt und er sich damit rechtfertigt, nicht gewußt zu haben, daß für die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte eine Beschäftigungsbewilligung erforderlich ist, so kann ihm zugebilligt werden, daß er aufgrund seines reduzierten Auffassungsvermögens die Tat unter Umständen begangen hat, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen. Ein - wenn auch nur geringes - Verschulden ist dem Berufungswerber jedoch anzulasten, weil er es zumindest fahrlässig unterlassen hat, sich vor Aufnahme der Beschäftigung der vier polnischen Staatsbürger darüber zu informieren, ob dies ohne Bewilligung zulässig sei. Dem Berufungswerber wäre trotz seiner eingeschränkten Lebenserfahrung zumutbar gewesen, sich über die Notwendigkeit von Bewilligungen anläßlich der Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte zu informieren. Da dennoch insbesondere im Hinblick auf die kurze Dauer der Beschäftigung die Folgen der Übertretung gering geblieben sind, konnte daher die Berufungsbehörde davon ausgehen, daß die Voraussetzungen für eine Anwendung des §21 Abs1 VStG gegeben sind. In Anbetracht der bisherigen Verwaltungsstraflosigkeit und der Schuldeinsicht des Beschuldigten erscheint der Berufungsbehörde ein Absehen von der Strafe vertretbar. Der Ausspruch einer Ermahnung soll den Beschuldigten in Hinkunft von der Begehung weiterer Übertretungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz abhalten.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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