TE UVS Stmk 1992/11/26 30.9-46/92

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Veröffentlicht am 26.11.1992
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat über die Berufung der Frau A. P., wohnhaft in A., W.-straße Nr. 133, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. M. E., Dr. D. N., W., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 28.1.1992, GZ:15.11-P 5-91/1 wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit

§ 45 Abs 1 Z 3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben,

der angefochtene Bescheid behoben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.

Text

Mit Straferkenntnis der belangten Behörde wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000.-- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 48 Stunden verhängt, da sie am 8.12.1990 und 9.12.1990 öffentlich (in der Volksschule in A. im E.) Waren der Fa. "P. L." präsentiert haben soll, ohne im Besitz einer gewerberechtlichen Genehmigung zu sein und dadurch unbefugt das freie Gewerbe "Ständig von einem Auftraggeber beauftragter Warenpräsentator" ausgeübt haben soll. Gegen dieses Straferkenntnis hat die anwaltlich vertretene Berufungswerberin eine begründete Berufung erhoben und darin im wesentlichen angeführt, daß ihrer Ansicht nach die für das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit notwendigen Tatbestandsmerkmale gemäß § 1 GewO 1973 nicht vorliegen, weshalb sie beantrage, ihrer Berufung stattzugeben, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Die gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständige Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG hat die Berufungsbehörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses wenn er nicht auf Einstellung lautet unter anderem die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Gemäß § 31 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Diese Verjährungsfrist beträgt bei Verwaltungsübertretungen wie im gegenständlichen Fall sechs Monate und ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Gemäß § 32 Abs 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Strafverfügung und dergleichen). Gemäß § 1 Abs 1 GewO 1973 gilt die Gewerbeordnung soweit nicht die §§ 2 bis 4 anderes bestimmen, für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten. Gemäß Abs 2 leg cit wird eine Tätigkeit dann gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteile zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist.

Im Sinne der Bestimmung des § 44a Z 1 VStG ist dem Beschuldigten im Spruch eines Bescheides die als erwiesen angenommene Tat in so konkretisierter Umschreibung vorzuwerfen, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

Weiters muß der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Der Beschuldigte hat nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert bzw. welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde. Die Tat muß hinsichtlich des Täters und der Tatumstände jedenfalls so genau umschrieben sein, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht

(VwGH 13.6.1984, Slg. 11466 A).

Dazu ist zu der zur Beurteilung anstehenden Berufungsangelegenheit festzustellen, daß zwar die von der Berufungswerberin gerügten nicht vorliegenden Tatbestandselemente der Regelmäßigkeit bzw. Selbständigkeit gemäß § 1 GewO 1973 nach Dafürhalten des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark sehr wohl vorliegen, allerdings ein weiters nicht gerügtes aber dennoch für das Vorliegen von Gewerbsmäßigkeit heranzuziehendes Tatbestandsmerkmal der Gewinnabsicht der Berufungswerberin nicht unterstellt worden ist. Der Anzeige der Handelskammer Steiermark, die der Berufungswerberin im Rechtshilfeweg nachweislich zur Kenntnis gebracht worden ist, ist nicht mit letzter Klarheit zu entnehmen, für welche Tätigkeit Frau P. - für die Tätigkeit des Warenpräsentators oder für die persönliche Zustellung und das Einkassieren des Rechnungsbetrages bei den Bestellern - die in dieser Anzeige genannten Provisionszahlungen erhalten hat.

Selbst wenn diese Frage durch eingehendere erstinstanzliche Ermittlungen geklärt worden wäre, haftet den mangelhaft gebliebenen Verfolgungshandlungen überdies aus dem Grund Rechtswidrigkeit an, da im Sinne der verwaltungsgerichtlichen Judikatur auch Entgeltlichkeit - in concreto durch Provisionszahlungen - allein noch nicht erweist, daß mit einer Betätigung ein Ertrag oder sonstiger wirtschaftlicher Vorteil herbeigeführt werden soll, die Betätigung im Sinn des § 1 Abs 2 GewO, also in Gewinnabsicht unternommen werde (VwGH 10.4.1984, 83/04/0308).

Allein aus diesen Gründen und nicht jenen von der Berufungswerberin in ihrer Berufung angeführten, erweist sich das angefochtene Straferkenntnis als rechtswidrig.

Ausgehend von den für eine Bewertung einer Tätigkeit als gewerbsmäßig notwendig heranzuziehenden Tatbestandselementen - Selbständigkeit, Regelmäßigkeit, Ertragserzielungsabsicht - unterließ es die belangte Behörde, die von ihr als einem Anmeldungsgewerbe unterliegend gewertete Tätigkeit der Berufungswerberin in einer rechtskonformen Verfolgungshandlung unter Beachtung der hiefür maßgeblichen Tatbestandsmerkmale näher zu beschreiben, da der spruchgemäße Vorwurf der bezeichneten Tätigkeit allein noch nicht die Erfüllung der angeführten Tatbestandsmerkmale einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne des § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1973 indiziert.

Da innerhalb der bereits zitierten Fristen der §§ 31 und 32 VStG eine rechtswirksame Verfolgungshandlung gegen die Berufungswerberin nicht erfolgt ist, und überdies das angefochtene Straferkenntnis der belangten Behörde vom 28.1.1992 die Mindestanforderungen an eine solche bescheidmäßige Erledigung nicht erfüllt, erweist sich dieses als rechtswidrig, weshalb im Sinne der angeführten gesetzlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der dazu ergangenen verwaltungsrechtlichen Judikatur wie im Spruch ersichtlich, zu entscheiden war.

Schlagworte
Tatbestandsmerkmal
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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