TE UVS Niederösterreich 1993/04/07 Senat-KO-92-022

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Veröffentlicht am 07.04.1993
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Ebenso Senat-SB-91-053 Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 -  AVG, BGBl Nr 51, dahingehend Folge gegeben, daß die verhängte Geldstrafe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 13 Tage) auf S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 7 Tage) herabgesetzt wird.

 

Der Berufungswerber hat dem Land NÖ gemäß §64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52,

S 800,-- als Ersatz der Kosten für das Verfahren der Behörde I. Instanz binnen 2 Wochen zu zahlen.

 

Der Strafbetrag von S 8.000,-- ist gemäß §59 Abs2 AVG ebenfalls binnen 2 Wochen zu bezahlen.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber wegen Übertretung des §5 Abs2 iVm §99 Abs1 litb StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 13 Tage) verhängt. In diesem Straferkenntnis wurde als erwiesen angesehen, daß der Beschuldigte am 10. August 1991 um 6,55 Uhr in O************* auf einem Acker in unmittelbarer Nähe der T*********mühle die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert hat, obwohl er das Motorrad ** ***** gelenkt hat und vermutet werden konnte, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat.

 

Der Beschuldigte hat gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht berufen.

Er macht Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend, da weder festgestellt worden sei, welcher Zeitraum zum Zeitpunkt der Aufforderung seit der Beendigung der Fahrt verstrichen sei, noch wann er einen Nachtrunk zu sich genommen habe und wie lange er zwischen Beendigung der Fahrt und der Aufforderung geschlafen habe. Weiters hätte die Behörde bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu dem Ergebnis kommen müssen, daß ein verwertbares Ergebnis der Atemluftprobe 4 Stunden und 55 Minuten nach Beendigung des Lenkens, nach Einnahme eines Nachtrunks von 0,5 l Wein und nach mehreren Stunden Schlaf nicht mehr zu erwarten sei; die Verweigerung des Alkotests sei daher mangels Berechtigung zur Aufforderung nicht strafbar gewesen. Darüberhinaus hätte die Behörde die Tat infolge eines erwiesenermaßen unverschuldeten Rechtsirrtums als entschuldigt werten müssen, da selbst bei Kenntnis des Wortlautes der Bestimmung des §5 Abs2 StVO 1960 einem durchschnittlichen Fahrzeuglenker die Unkenntnis des Umstandes nicht vorwerfbar sei, daß die Verpflichtung zur Durchführung eines Alkotests selbst dann bestehe, wenn nach Beendigung des Lenkens ein Nachtrunk erfolgt sei und mehrere Stunden geschlafen worden sei.

Weiters sei die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid gesetzwidrig; bei richtiger Beweiswürdigung hätte die Behörde feststellen müssen, daß zwischen der Beendigung des Lenkens und der Aufforderung zum Alkotest ein Zeitraum von 4 Stunden und 55 Minuten gelegen sei und der Beschuldigte inzwischen einen Nachtrunk von 0,5 l Wein zu sich genommen habe und mehrere Stunden geschlafen habe.

Schließlich habe die Behörde bei der Strafbemessung die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Beschuldigten nicht ausreichend berücksichtigt; unter Zugrundelegung eines bekanntermaßen äußerst niedrigen Einkommens des Beschuldigten als freischaffender Künstler hätte die Behörde die Geldstrafe niedriger bemessen müssen.

 

Er beantrage daher,

1. den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen,

2. in eventu den angefochtenen Bescheid in seinem Strafausspruch dahingehend abzuändern, daß unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten eine tat- und schuldangemessene niedrigere Strafe verhängt werde,

3. in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde I. Instanz zu verweisen.

 

Im Hinblick auf diese Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat für das Land NÖ am 25. März 1993 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

 

Der Beschuldigte hat angegeben, er habe sich am 9. August 1991 in der Zeit von 18,00 Uhr bis 24,00 Uhr auf einer Vernissage in S******** befunden und dort zwei Achtel Wein und Mineralwasser konsumiert. Danach sei er gemeinsam mit der Zeugin I B in eine Diskothek gefahren, die sich außerhalb von S******** befinde; er habe dort ein kleines Bier und einen großen Braunen getrunken. Der Aufenthalt in der Diskothek habe etwa ein bis zwei Stunden gedauert; danach sei er mit der Zeugin auf ein Feld gefahren, wo sie zusammen eine Einliterflasche Wein getrunken hätten. Der Wein habe sich in einer Packtasche auf seinem Motorrad befunden. Sie hätten dann beide gemeinsam auf dem Feld übernachtet. Am Morgen sei er von zwei Gendarmeriebeamten geweckt worden, die die Papiere des Motorrades überprüft hätten und ihm eine Strafe von S 100,-- in Aussicht gestellt hätten. Da sie jedoch nicht gesagt hätten, wofür diese Strafe zu bezahlen sei, habe er die Bezahlung verweigert. Daraufhin hätten ihn die Gendarmeriebeamten zur Durchführung eines Alkotests aufgefordert. Er habe erklärt, "dieses Theater nicht mitzuspielen"; er sei der Meinung gewesen, nicht zur Durchführung eines Alkotests verpflichtet zu sein, da er ja ziemlich lange im Feld geschlafen hatte und auch nicht mit dem Motorrad gefahren sei. Die Gendarmen hätten ihm daraufhin sowohl den Führerschein als auch die Schlüssel des Motorrades abgenommen.

 

Hinsichtlich seiner Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse hat der Berufungswerber angegeben, daß er derzeit arbeitslos sei und eine Notstandshilfe von täglich S 270,-- beziehe; er besitze kein Vermögen und sei auch für niemanden sorgepflichtig.

 

Als Zeugen wurden Frau I B sowie die Gendarmeriebeamten Bez Insp J S und Insp G K einvernommen.

 

Die beiden Gendarmeriebeamten haben übereinstimmend angegeben, sie seien zum angegebenen Tatzeitpunkt telefonisch zum angegebenen Tatort gerufen worden, da dort angeblich ein Unfall passiert sei. Als sie dort eingelangt seien, hätten sie in einem Acker etwa 100 m von der Straße entfernt ein Motorrad stehen und daneben zwei Leute in Schlafsäcken schlafen gesehen. Sie hätten dann den Beschuldigten aufgeweckt (mit einiger Mühe, da dieser sehr tief geschlafen habe) und im Zuge des Gesprächs mit diesem deutliche Alkoholisierungsmerkmale festgestellt. Der Beschuldigte habe angegeben, er sei mit dem Motorrad hergefahren, um hier zu schlafen; die Durchführung eines Alkotests habe er verweigert. Sie hätten dann sowohl die Umgebung als auch den Koffer auf dem Motorrad nach allfälligen Flaschen von alkoholischen Getränken untersucht, jedoch keine derartigen Flaschen wahrgenommen. Zur Frage, ob bei der Amtshandlung festgestellt wurde, wann der Beschuldigte auf das Feld gefahren sei, konnten die beiden Zeugen im Hinblick auf den verstrichenen Zeitraum keine genauen Angaben mehr machen.

 

Die Zeugin I B hat angegeben, mit dem Beschuldigten bis gegen Mitternacht auf einer Vernissage in S******** gewesen zu sein, wo dieser etwa zwei Achtel Wein konsumiert habe. Danach seien sie in eine Diskothek gefahren, wo sie sich etwa zwei Stunden aufgehalten hätten; der Beschuldigte habe dort ein kleines Bier und einen Kaffee getrunken. In der Diskothek seien sie darauf hingewiesen worden, daß sie auf einem bestimmten Acker in der Nähe übernachten könnten. Die Ausrüstung für eine derartige Übernachtung, insbesondere Schlafsäcke, habe sich in den Packtaschen des Motorrades befunden; dort seien auch zwei Literflaschen Rotwein gewesen, von denen sie eine im Feld gemeinsam getrunken hätten. Es habe jeder von ihnen etwa die Hälfte des Inhalts der Flasche getrunken; die leere Flasche sei dann in der Nähe des Motorrades gestanden. Sie sei erst wach geworden, als die Amtshandlung mit den beiden Gendarmeriebeamten bereits im Gange gewesen sei, die sich ihrer Erinnerung nach ziemlich flott abgespielt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe bereits Tageslicht geherrscht.

 

Der Berufungswerber hat abschließend zu den Zeugenaussagen noch ausgeführt, daß auf dem Motorrad drei Koffer montiert gewesen seien, von denen jedoch nur einer (nämlich jener, in dem sich die Schlafsäcke befunden hatten) geöffnet gewesen sei. Die anderen beiden seien versperrt gewesen, weshalb die Gendarmeriebeamten nur in den geöffneten Koffer hätten schauen können. Die leere Weinflasche habe er in die Packtasche des Motorrades zurückgegeben, bevor er sich zum Schlafen hingelegt habe.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Gemäß §5 Abs2 StVO 1960 sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen, wenn vermutet werden kann, daß sich diese Person in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet.

 

Die Aufforderung zur Vornahme des Alkotests ist noch so lange nach Beendigung des Lenkens zulässig, als ein brauchbares Ergebnis erwartet werden kann (VwGH 23.11.1978, ZVR 1979/271 ua).

 

Im vorliegenden Fall erfolgte das der Aufforderung vorangegangene Lenken des Berufungswerbers gegen 2,00 Uhr (Fahrt von der Diskothek zum Feld), die Aufforderung selbst kurz vor 7,00 Uhr, sodaß die Zeitdifferenz zwischen Lenken und Aufforderung rund fünf Stunden betragen hat.

 

Nach der zu dieser Thematik ergangenen Judikatur darf die Aufforderung zum Alkotest auch noch fünf Stunden nach dem Lenken erfolgen (VwGH 27.6.1975, 383/75 ua).

 

Nach Auffassung der Berufungsbehörde sind im vorliegenden Fall keinerlei sachlich begründete Umstände gegeben, die einem verwertbaren Ergebnis entgegengestanden wären. Im Hinblick auf die vom Berufungswerber nicht bestrittenen und durch die Aussagen der einvernommenen Gendarmeriebeamten bestätigten deutlichen Alkoholisierungsmerkmale des Berufungswerbers zum Zeitpunkt der Aufforderung durften die Gendarmeriebeamten mit Recht davon ausgehen, der Berufungswerber habe in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Motorrad gelenkt; dies umso mehr, als weder der Berufungswerber im Rahmen der Amtshandlung auf einen Nachtrunk hingewiesen hat noch die Beamten leere Flaschen odgl wahrnehmen konnten, sodaß auch zu diesem Zeitpunkt noch ein brauchbares Ergebnis des Alkotests zu erwarten war.

 

Was jedoch den vom Berufungswerber nachträglich geltend gemachten Nachtrunk von einem halben Liter Wein betrifft, so wäre diesbezüglich eine Rückrechnung durch einen Sachverständigen problemlos möglich gewesen.

 

Es bestand daher für den Berufungswerber zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Durchführung eines Alkotests die Verpflichtung, dieser Aufforderung nachzukommen.

 

Dem Einwand des Berufungswerbers betreffend unverschuldeten Rechtsirrtum hinsichtlich der Bestimmung des §5 Abs2 StVO 1960 und deren Auslegung ist entgegenzuhalten, daß eine Unkenntnis oder eine irrige Auslegung von Bestimmungen der StVO 1960 bei Kraftfahrzeuglenkern nicht als unverschuldet angesehen werden kann (VwGH 9.9.1981, 81/03/0082 ua).

 

Hinsichtlich der Strafhöhe wurde erwogen:

 

Gemäß §19 Abs1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Weiters haben die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen Berücksichtigung zu finden.

 

Das Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zählt zu den häufigsten Ursachen von Verkehrsunfällen mit schweren und schwersten Unfallfolgen; es besteht daher ein erhebliches öffentliches Interesse auch daran, festzustellen, ob sich ein Fahrzeuglenker in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet. Das Verhalten des Beschuldigten, nämlich die Durchführung des Alkotests zu verweigern, obwohl vermutet werden konnte, daß er in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Motorrad gelenkt hat, stellt daher eine erhebliche Gefährdung jener Interessen dar, deren Schutz die Strafdrohung dient. Zum Ausmaß des Verschuldens ist festzustellen, daß dieses in Anbetracht der vorsätzlichen Begehung des angelasteten Delikts als hoch einzustufen ist.

 

Mildernd ist der Rechtsirrtum des Beschuldigten; erschwerende Umstände sind nicht gegeben.

 

Nach eigenen Angaben bezieht der Berufungswerber eine Notstandshilfe von täglich S 270,--; er hat weder Vermögen noch Sorgepflichten.

 

Bei der Strafbemessung ist auch darauf zu achten, daß nicht nur der Berufungswerber von der Begehung weiterer gleichartiger Verwaltungsübertretungen abgehalten werden soll, sondern es soll auch eine allgemein abhaltende Wirkung erreicht werden.

 

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände sowie des gesetzlichen Strafrahmens von S 8.000,-- bis S 50.000,-- gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, daß im vorliegenden Fall mit einer Geldstrafe von S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 7 Tage) das Auslangen gefunden werden kann.

 

Aufgrund der Herabsetzung der Strafe durch die Berufungsbehörde waren gemäß §64 VStG auch die Kosten des Verfahrens der Behörde I. Instanz im Ausmaß von 10 % der verhängten Strafe auf S 800,-- herabzusetzen.

 

Es wird darauf hingewiesen, daß hinsichtlich des somit insgesamt zu bezahlenden Geldbetrages von S 8.800,-- die Möglichkeit besteht, bei der Bezirkshauptmannschaft xx um Zahlungserleichterung (zB Stundung oder Ratenzahlung) anzusuchen; ein derartiges Ansuchen wäre allerdings mit einer S 120,-- Bundesstempelmarke zu vergebühren.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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