TE UVS Stmk 1993/04/23 30.8-186/92

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Veröffentlicht am 23.04.1993
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für das Bundesland Steiermark hat in der Angelegenheit der Berufung des Herrn E. B., wohnhaft in B. A., K.-gasse 187, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Liezen, Politische Expositur Bad Aussee, vom 6.10.1992, GZ.: 15.1. 1992/95, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung wie folgt entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung mit der Maßgabe abgewiesen, als das der Spruch des Straferkenntnisses wie folgt lautet:

1.) Sie haben am 23.3.1992 um 17.20 Uhr im Ortsgebiet von Bad Aussee auf der K.-gasse, bergwärtsfahrend auf Höhe des Hauses

L. Nr. 60 das Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W 885 EA gelenkt und haben es, obwohl nicht ausgewichen werden konnte, nach dem Anhalten ihres Kraftfahrzeuges unterlassen, ihr Fahrzeug zurückzufahren, obwohl ihnen dies wegen seiner Art und wegen der örtlichen Verhältnisse leichter möglich gewesen wäre, als dem Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen BA 7 NHA.

2.) Sie haben eben an diesem Ort (vor dem Haus L. Nr. 60) ein Fahrzeug auf der Fahrbahn gehalten, obwohl es sich um eine enge Stelle handelte.

Sie haben hiedurch

1.

§ 10 Abs 2 StVO 1960 und

2.

§ 24 Abs 1 lit b StVO 1960

übertreten und wird über Sie gemäß § 99 Abs 3 lit a leg. cit. eine Geldstrafe

1.

S 700,-- (Ersatzarrest 30 Stunden) und

2.

S 1.500,-- (Ersatzarrest 2 Tage) verhängt.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von

1.

S 140,-- und

2.

S 300,--

binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Der Kostenausspruch der Behörde erster Instanz bleibt hievon unberührt.

Text

Die dem Beschuldigten zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen sind auf Grund des Ergebnisses der durchgeführten öffentlichen, mündlichen Verhandlung erwiesen. Dem Beschuldigten wurde mit Anzeige des GPK Bad Aussee vom 25.3.1992 zur Last gelegt, er habe eine Übertretung des § 10 Abs 2 und des § 23 Abs 1 StVO begangen.

Innerhalb der Frist der Verfolgungsverjährung setzte die Behörde erster Instanz mit Ladungsbescheid vom 14.5.1992 eine alle Tatbestandselemente umfassende taugliche Verfolgungshandlung und wurde dem Beschuldigten anläßlich des Erstellens der Niederschrift über die Vernehmung dieses am 19.5.1992 Akteneinsicht gewährt und ihm hiebei die Möglichkeit zur Rechtfertigung und Stellungnahme eingeräumt, wovon der Beschuldigte Gebrauch machte.

Folgender Sachverhalt wird festgestellt und dieser Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschuldigte befuhr die K-.gasse bergwärts, diese war zum damaligen Zeitpunkt nicht ausgebaut und wies eine Fahrbahnbreite von weniger als 5 Metern auf. Unmittelbar im Bereich des Hauses L. Nr. 60 kam dem Beschuldigten der Zweitbeteiligte F., als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen BA 7 NHA entgegen. Ein Ausweichen war nicht möglich, da zum damaligen Zeitpunkt die maximale Fahrbahnbreite 3,30 Meter betrug und diese zum Tatzeitpunkt beidseits an den Banketten durch den auf die Seite geschobenen Schnee eingeengt wurde.

Auf Grund der örtlichen Gegebenheiten ist es dem Beschuldigten möglich gewesen, in die 8 Meter in seiner Fahrrichtung zurückliegende Hauseinfahrt "K." zurückzuschieben, während der Zweitbeteiligte F. rückwärts bergauf in die ca. 60 Meter entfernte mögliche Ausweichstelle (Richtung Öfen) hätte fahren müssen. Der im Bereich des Hauses L. Nr. 60 liegende Privatparkplatz war zum damaligen Zeitpunkt durch Schnee soweit verlegt, daß ein Einfahren in diesen Parkplatz für einen PKW nicht möglich war. Vom Tatort aus gerechnet war der nächstgelegene Privatparkplatz zwischen dem Haus L. Nr. 83 und L. Nr. 75 zumindestens 41 Meter entfernt.

Nach einer kurzen und heftig geführten Diskussion verließ der Beschuldigte den Tatort, versperrte sein Kraftfahrzeug und kam ca. 10 Minuten später, nachdem er mit der Gendarmerie telefoniert hatte zum Tatort zurück, startete sein Kraftfahrzeug und schob dieses in die 8 Meter entfernte Einfahrt zurück. Zwischenzeitlich warteten bis zu drei Kraftfahrzeugen in Fahrtrichtung Markt und konnten wegen de s an einer engen Stelle der Fahrbahn der K.-gasse zum Halten aufgestellten Fahrzeuges diese nicht befahren. Auch in Fahrtrichtung Öfen kam ein Kraftfahrzeug zum Tatort und wendete ebenso wie das dritte ankommende Fahrzeug in Richtung Markt. Diese Feststellungen gründen sich auf die Zeugeneinvernahmen, die Skizzen der Gendarmerie, das Vermessungsprotokoll vom 13.4.1992 und die angefertigte Lichtbildmappe vom 18.8.1992. Der Beschuldigte bestritt nicht das Kraftfahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt zu haben, weiters erläuterte er, daß er sein Fahrzeug auf der Straße stehen d versperrte, um mit der Gendarmerie zu telefonieren. Auch wurde von ihm angegeben, daß er nachdem er mit der Gendarmerie telefoniert hatte, sein Fahrzeug in die Einfahrt K. einparkte, um den Entgegenkommenden das Passieren der Straße zu ermöglichen. Der Beschuldigte wandte in seiner Berufung ein, daß die rechtliche Qualifikation seines Handelns keinesfalls von den der Behörde erster Instanz herangezogenen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung zu unterstellen sei.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Rechtlich ist auszuführen:

Der Verpflichtung des § 10 Abs 2 StVO, ein Fahrzeug im Falle einer Begegnung an einer engen Straßenstelle anzuhalten, kam der Beschuldigte nach, ohne ersichtlichen Grund weigerte er sich jedoch sein Fahrzeug zurückzuschieben. Gründe, die eine Erschwerung des Zurückfahrens in einer Länge von 6 Metern zur letzten Ausweichstelle im Vergleich zu einer Länge von 41 Metern für den Zweitbeteiligten hätten rechtfertigen können, lagen nicht vor, da es sich in beiden Fällen um Personenkraftwagen handelte. Bei diesen örtlichen Verhältnissen trifft die Verpflichtung des Rückwährtsfahrens nach § 10 Abs 2 StVO den Bergwärtsfahrenden, das ihm bei derselben Fahrzeugart (PKW) leichter möglich war. Bei Abwägung dieser Interessen handelte der Beschuldigte rechtswidrig und schuldhaft, erkannte dies jedoch nicht und schrieb das von ihm zu verantwortende Verhalten immer den Zweitbeteiligten F. zu. Die Regelung des § 10 Abs 2 StVO wurde geschaffen, um Situationen wie die hier vorliegende zu vermeiden. Da der Beschuldigte jedoch während seines ganzen rechtswidrigen Verhaltens darauf bestand, Recht haben zu wollen und sich dieses Recht vermeintlicher Weise noch von der Gendarmerie bestätigen ließ, wobei er sein Fahrzeug auf einer engen Stelle der Fahrbahn abstellte und versperrte, handelte er wider dem Schutzzweck des § 10 StVO.

§ 24 Abs 1 lit b StVO normiert, daß Fahrzeuge an engen Stellen der Fahrbahn nicht gehalten werden dürfen. Der Verwaltungsgerichtshof erläutert in seiner ständigen Judikatur, daß eine enge Stelle einer Fahrbahn immer dann vorliege, wenn, Einbahnstraßen ausgenommen, nicht mindestens ein Fahrstreifen von 2,5 Metern freibleibt. Die gesamte Fahrbahnbreite zum Tatzeitpunkt betrug, ohne den behindernden Schnee mitzuberechnen 3,30 Meter. Die geänderte rechtliche Subsumierung im Gegensatz zum Erkenntnis der Behörde erster Instanz mußte erfolgen, da die Bestimmung des § 23 StVO nur subsidiär heranzuziehen ist und das vom Beschuldigten zu verantwortende Verhalten zuzuordnen ist. Im Hinblick auf die Akteneinsicht vom 19.5.1992 erließ die Behörde eine auch diesen Tatbestand umfassende taugliche Verfolgungshandlung (siehe auch Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Eisenstadt 1990, Seite 882 lit a und b) und geht aus dem Spruch des Straferkenntnisses eindeutig hervor, daß es sich mangels Möglichkeit des Vorbeifahrens (notwendiges Anhalten und Zurückfahren) um eine enge Stelle im Sinne des § 24 Abs 1 lit b StVO gehandelt hat. Die Berufungsbehörde ist jederzeit berechtigt, den Spruch des Straferkenntnisses in der vom Gesetzeswortlaut vorgesehenen Terminologie abzufassen.

Zum Ausmaß des Verschuldens ist zu erläutern:

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Schutzzweck der Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 ist es im Allgemeinen, den in Österreich auf öffentlichen Straßen fließenden Verkehr in geordneten Bahnen zu lenken und hiebei die Sicherheit, die Flüssigkeit des Verkehrs aufrecht zu erhalten. Auf Grund der Gefahren beim Lenken eines Fahrzeuges ist es notwendig, mit gesetzlichen Bestimmungen Gefahren weitestgehendsd auszuschließen und auch damit verbunden, die Folgen von Unfällen soweit als möglich zu reduzieren, sofern es nicht möglich ist, Unfälle von Haus aus zu vermeiden. Auf Grund der vom Beschuldigten begangenen Übertretung ist evident, daß dieser diesen Schutzzweck auf das Gröblichste verletzt hat. Im gegenständlichen Fall handelte der Beschuldigte dem Gebot, die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehres auf öffentlichen Straßen zu gewährleisten eindeutig zuwider. Einen objektivierbaren Rechtfertigungsgrund für außergewöhnliches Verhalten konnte der Beschuldigte nicht vorbringen. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie

nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonder Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Erschwerend war die grobe Fahrlässigkeit bei den Übertretungen zu werten und im Bezug auf die Übertretung auf den § 24 Abs 1 lit b StVO das Fahrzeuge tatsächlich am Befahren der Straße behindert wurden und die Lenker dieser ihr Fahrzeug wenden mußten. Mildernd war die Unbescholtenheit zu werten, sodaß bei einem durchschnittlichen Einkommen von ca. S 12.000,-- netto (Pensionist, 73 Jahre) die verhängten Strafen dem Ausmaß des Verschuldens soweit angepaßt sind, um diesen eindringlich und nachhaltig von weiteren Übertretungen der StVO abzuhalten.

Schlagworte
Rückwärtsfahren
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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