TE UVS Niederösterreich 1993/04/26 Senat-MD-92-082

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.04.1993
beobachten
merken
Beachte
Ebenso: Senat-BN-92-446 Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991 dahingehend Folge gegeben, als

1.

die unter Punkt 1 des Straferkenntnisses verhängte Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 4 Tage) auf S 7.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage),

2.

die unter Punkt 2 des Straferkenntnisses ausgesprochene Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 4 Tage) auf S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage),

3.

die unter Punkt 3 des gegenständlichen Straferkenntnisses verhängte Strafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 4 Tage), auf S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Tage),

4.

die unter Punkt 4 des erstinstanzlichen Bescheides verhängte Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Tage), auf S 2.000,--, (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag)

herabgesetzt wird.

 

Gemäß §64 VStG, BGBl Nr 52/1991 hat der Berufungswerber für Punkt 1 des Straferkenntnisses einen Betrag von S 700,--, für Punkt 2 S 800,--, für Punkt 3 S 300,-- und für Punkt 4 S 200,--, insgesamt somit S 2.000,--, als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Bescheides zu bezahlen.

Text

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt W, MBA **-*****/1 vom 30.1.1992, wurde über Frau H C-G, in ihrer Eigenschaft als verantwortliche Beauftragte im Sinne der Bestimmung des §9 Abs2 VStG der als Arbeitgeberin fungierenden B W AG mit Sitz in **** W** N******, *********zentrum **-Süd, wegen Übertretungen nach der AAV und einem Zuwiderhandeln gegen den rechtskräftigen Bescheid vom 18.4.1985, Zl MBA **-*******/1/83, Geldstrafen von insgesamt S 35.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfalle 14 Tage) gemäß §31 Abs2 litp AnschG verhängt.

 

Angelastet wurde ihr, dafür verantwortlich zu sein, daß

1. in der Betriebsanlage in W **, S*******straße 2a, der Notausgang vom Kellerlager zum Notausstieg anläßlich einer Inspektion des Arbeitsinspektorates verlagert vorgefunden wurde,

2. der Notausgang aus dem hinteren Bereich des Verkaufsraumes zur S*******straße versperrt war,

3. keine Person nachweislich in Erster Hilfeleistung ausgebildet war, und

4. entgegen des Punktes 6 des obgenannten Bescheides, MBA **-*******/1/83, die Sicherheitsbeleuchtung nicht mindestens einmal monatlich kontrolliert wurde, bzw über die Kontrollen keine Aufzeichnungen geführt wurden. Die letzte Kontrolle sei am 7.6.1991 durch den Filialinspektor erfolgt.

 

Dadurch sei in den Punkten 1 und 2 die Bestimmung des §23 Abs3 AAV verletzt worden, in Punkt 3 der Bestimmung des §81 Abs5 leg cit zuwidergehandelt worden und 4. Punkt 6 des rechtskräftigen Bescheides vom 18.4.1985, MBA **-*******/1/83, nicht eingehalten worden.

 

Dagegen erhob die Beschuldigte fristgerecht Berufung, in der ausgeführt wird, daß ihr keine Hinterlegungsanzeige betreffend einer Aufforderung zur Rechtfertigung von einem Postbeamten übermittelt worden sei und ferner die Höhe der verhängten Geldstrafen angefochten wird.

Somit wurde der Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses gestellt, in eventu die Abänderung des Bescheides und Herabsetzung der verhängten Geldstrafe von insgesamt S 35.000,-- schuldangemessen auf S 500,-- je Delikt insgesamt somit S 2.000,--.

 

In einem ergänzenden Vorbringen zu der für 22.2.1993 am Sitz der Bezirkshauptmannschaft xx anberaumten öffentlichen mündlichen Verhandlung ergänzte die Berufungswerberin ihr Rechtsmittel dahin, daß nunmehr die persönlichen Verhältnisse

bekannt gegeben wurden, der Antrag auf Herabsetzung der verhängten Geldstrafe wiederholt und zusätzlich darauf verwiesen wird, daß die Täterin bisher unbescholten gewesen sei.

In der am 22.2.1993 am Sitz der Bezirkshauptmannschaft xx durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde dieses ergänzende Berufungsvorbringen dem Vertreter des Arbeitsinspektorats als mitbeteiligte Partei zur Kenntnis gebracht.

Seitens des zuständigen Arbeitinspektorates wurde einer geringfügigen Herabsetzung der verhängten Geldstrafe zugestimmt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat dazu wie folgt erwogen:

 

Die angelasteten Taten werden von der Beschuldigten essentiell nicht in Abrede gestellt. Somit ist davon auszugehen, daß der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses in Rechtskraft erwachsen und die angelasteten Taten bzw Unterlassungen als erwiesen anzusehen sind.

 

Die Berufungswerberin ist vorweg darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die bloße Erteilung von Weisungen, um die Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes sicherzustellen, zur Entlastung der strafrechtlich Verantwortlichen nicht hinreicht, sondern es muß auch eine wirksame Kontrolle der vom Verantwortlichen erteilten Weisung erfolgen (analog VwGH 21.1.1988, 87/08/0230).

 

Auch stichprobenweise Kontrollen reichen zum Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems nicht aus und bilden keinen Schuldausschließungsgrund gemäß §5 VStG (vgl gleichfalls VwGH 21.1.1988, 87/08/0230, VwGH 29.1.1987, 86/08/0172, 0173 ua).

 

Da der Beschuldigten die Außerachtlassung der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen Sorgfalt im Sinne des §6 Abs1 StGB somit vorgeworfen werden kann, da es ihr unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles auch zuzumuten war, sie tatsächlich aufzuwenden, (VwGH 6.3.1981, 235/80 uva) kommt der Berufung dem Grunde nach keine Berechtigung zu.

 

Wenn die Einschreiterin in der Berufung vorbringt, daß ihr keine Hinterlegungsanzeige betreffend einer Aufforderung zur Rechtfertigung von einem Postbeamten übermittelt, und ihr auch weder an der Eingangstür noch am Postkasten eine Hinterlegungsanzeige von einem Postbeamten zurückgelassen worden ist, ist sie darauf hinzuweisen, daß nur dann, wenn kein Hinweis auf eine Hinterlegungsanzeige angebracht ist, und die Partei behauptet, das Schriftstück sei ihr nicht zugekommen, die Behörde zu prüfen hat, ob die Hinterlegung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen vorgenommen worden ist (VwGH 19.11.1985, 85/05/0063). Aufgrund der geltenden Judikatur konnten auch die von der Berufungswerberin zu diesem Beweisthema angebotenen Beweise unterbleiben.

 

Zur Höhe der verhängten Geldstrafen wird festgestellt:

 

Gemäß §19 VStG ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folge nach sich gezogen hat.

Überdies ist nach dieser Gesetzesbestimmung im ordentlichen Verfahren auf Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, Bedacht zu nehmen. Auch das Ausmaß des Verschuldens ist besonders zu berücksichtigen und bei Bemessung von Geldstrafen sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Strafdrohung zugrundezulegen.

 

Die Behörde erster Instanz hat bei der Strafzumessung ihrer Beurteilung den Milderungsgrund der bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit festgestellt, als erschwerend wurde kein Umstand gewertet.

 

§31 Abs2 litp AnschG statuiert, daß Verwaltungsübertretungen, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, seitens der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu ahnden ist.

 

Von der Strafbehörde erster Instanz wurde eine Geldstrafe verhängt, die im unteren Drittel des gesetzlichen Strafrahmens liegt.

 

Das Arbeitnehmerschutzgesetz und die im Rahmen diese Gesetzes anzuwendeten Verordnungen sollen den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer vor den Gefahren der Arbeitswelt gewährleisten. Da es sich hiebei um den Schutz von höchstpersönlichen Rechtsgütern von Arbeitnehmern handelt, ist bei einschlägigen Übertretungen ein strenger Maßstab anzulegen.

 

Die Bestimmung des §23 Abs3 AAV, der auf die Punkte 1 und 2 des Straferkenntnisses Anwendung findet, bestimmt, daß Notausgänge und Notausstiegen, sowie die Zugänge zu diesen als solche deutlich gekennzeichnet sein müssen und auch vorübergehend nicht durch Lagerungen verstellt sein dürfen, und - sollten sie aus Betriebsgründen versperrt sein müssen -, dafür zu sorgen ist, daß diese jederzeit ohne fremde Hilfsmittel von innen leicht öffenbar sein müssen, solange sich Arbeitnehmer im Raum aufhalten.

§81 Abs5 AAV, der auf Punkt 3 des Straferkenntnisses zutrifft , schreibt unter anderem vor, daß in Betrieben mit 5 - 20 Arbeitnehmern mindestens eine Person für die Erste-Hilfe nachweislich ausgebildet sein muß.

 

Durch §23 Abs3 AAV soll den Arbeitnehmern im Gefahrenfalle das rasche Verlassen ihres Arbeitsplatzes gewährleistet werden, §81 Abs5 AAV soll im Ernstfall die medizinische Erstversorgung von verletzten oder verunglückten Arbeitnehmern sicher stellen. Daher ist diesen "Ungehorsamsdelikten" ein erheblicherer Unrechtsgehalt beizumessen als das Zuwiderhandeln gegen Punkt 6 des Bescheides hinsichtlich der regelmäßigen monatlichen Kontrolle der Sicherheitsbeleuchtung (Punkt 4 des Straferkenntnisses).

 

Nach der Feststellung des Magistratischen Bezirksamtes für den **. Bezirk war die Berufungswerberin zum Zeitpunkt der Begehung der Tat absolut unbescholten, was nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl bspw Erkenntnis vom 26.9.1991, Zl 91/09/0069) einen Milderungsgrund darstellt.

 

Von der Strafbehörde erster Instanz wurde eine Geldstrafe verhängt, die im unteren Drittel des gesetzlichen Strafrahmens liegt.

 

Ein Milderungsgrund nach §34 Z15 StGB (offensichtlich irrtümlich in der Berufung §35 Z15 StGB) kommt bei gegenständlicher Übertretung, die ein Ungehorsamsdelikt darstellt, nicht in Betracht. Ein verursachter Schaden, der von der Beschuldigten gutgemacht wurde, ist nicht eingetreten, genausowenig konnte ein Beweis dafür erbracht werden, daß die Beschuldigte nachteilige Folgen verhindert hätte.

 

Weiters ist durch nichts zu beweisen, daß die Beschuldigte an der vollständigen Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt hat, noch konnte sie eine solche aktive Mitwirkung darlegen, sieht man davon ab, daß sie mitzuhelfen versuchte, den versperrten Notausgang zu öffnen (Punkt 2 des Straferkenntnisses).

Ein konkretes sachdienliches Vorbringen in diese Richtung ist im gesamten Verfahren nicht zu erkennen, weshalb der Milderungsgrund des §34 Z16 StGB gleichfalls nicht zum Tragen kommt.

 

Auch liegt der behauptete Milderungsgrund des §34 Z18 StGB nicht vor, da das Wohlverhalten seit Begehung einer Tat überdies längere Zeit andauern müßte, um einen Strafmilderungsgrund darzustellen, wobei ein Zeitraum von ungefähr zwei Jahren nicht genügt (vgl VwGH Erkenntnis vom 28.9.1988, 88/02/0109).

 

Unter Berücksichtigung der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit und des zumindest teilweisen Zugebens der Tat im Berufungsverfahren, was einem Teilgeständnis nahekommt, waren die Geldstrafen spruchgemäß festzusetzen. Diese Strafen erweisen sich auch unter Berücksichtigung der allseitigen Verhältnisse der Beschuldigten als tat- und schuldangemessen, sowie persönlichkeitsadäquat und notwendig, um der Täterin die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens klar zu machen und sie an der Setzung gleichgelagerter Verhaltensweisen in Zukunft zu hindern. Gleichfalls wird eine generalpräventive Wirkung erzielt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten