TE UVS Niederösterreich 1993/06/09 Senat-KO-92-407

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Veröffentlicht am 09.06.1993
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Spruch

I.

Der Berufung wird hinsichtlich der Delikte 1 und 4 des angefochtenen Straferkenntnisses gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51, keine Folge gegeben. Der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wird jedoch dahingehend berichtigt, daß bei der Tatbeschreibung für das Delikt 4 das dort angegebene Kennzeichen des PKWs, dessen Lenker der Beschuldigte zum unvermittelten Bremsen genötigt hat, "W ***** C" zu lauten hat.

 

II.

Hinsichtlich des Deliktes 2 des angefochtenen Straferkenntnisses wird der Berufung gemäß 66 Abs4 AVG Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid diesbezüglich aufgehoben; gemäß §45 Abs1 Z1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52, wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

 

III.

Hinsichtlich des Deliktes 3 des angefochtenen Straferkenntnisses wird der Berufung gemäß §66 Abs4 AVG Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid diesbezüglich aufgehoben; gemäß §45 Abs1 Z3 VStG wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

 

IV.

Der Berufungswerber hat gemäß §64 Abs1 und 2 VStG S 360,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen 2 Wochen zu zahlen.

 

Innerhalb gleicher Frist sind der Strafbetrag und die Kosten des Verfahrens I. Instanz zu bezahlen (§59 Abs2 AVG).

Text

Die Bezirkshauptmannschaft xx hat gegen den Berufungswerber das Straferkenntnis vom 16. Juni 1992, Zl 3-****-91, erlassen. Darin wurde ihm zur Last gelegt, daß er am 28. Juni 1991 gegen 11,40 Uhr im Gemeindegebiet von L************* auf der A **, Richtungsfahrbahn K********* ca bei km 11,500 auf Höhe der mittleren Abfahrt L************* als Lenker des Kombi Citroen W ***** B 1. ca bei km 11,500 ein überholendes, mehrspuriges Kraftfahrzeug,

   das beim Überholen bereits den dritten (linken) Fahrstreifen der Richtungsfahrbahn benutzte, links überholt und dadurch den Lenker des überholten Kraftfahrzeuges behindert hat,

2.

daß er nach dem Überholvorgang unbegründet mit 80 km/h gefahren ist, obwohl auf der Autobahn 130 km/h erlaubt sind und es die Verkehrssicherheit nicht erfordert hat, nur 80 km/h zu fahren,

3.

daß er den Lenker des PKWs W ***** C, als ihn dieser überholen wollte, durch Wechsel auf den Fahrstreifen des Überholenden und Verhindern des Überholvorganges behindert hat und

4.

daß er im Ortsgebiet von K********* auf der W***** Straße bei der Fahrt stadteinwärts auf Höhe der Firma **-P****** jäh und überraschend abgebremst hat, obwohl es die Verkehrssicherheit nicht erforderte, und dadurch den Lenker des PKW W ***** B zum unvermittelten Bremsen genötigt hat.

 

Aus diesem Grund hat die Behörde I. Instanz folgende Verwaltungsstrafen verhängt:

 

Zu 1.) gemäß §16 Abs1 lita iVm §99 Abs3 lita StVO 1960 S 1.000,--

       (Ersatzfreiheitsstrafe: 30 Stunden),

zu 2.) gemäß §20 Abs1 letzter Satz iVm §99 Abs3 lita StVO 1960

       S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 15 Stunden),

zu 3.) gemäß §11 Abs1 iVm §99 Abs3 lita StVO 1960 S 800,--

       (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) und

zu 4.) gemäß §21 Abs1 iVm §99 Abs3 lita StVO 1960 S 800,--

       (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden).

 

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte fristgerecht berufen.

 

Er macht geltend, der Tatort der ihm vorgeworfenen Übertretungen sei nicht in der gemäß §44a Z1 VStG vorgeschriebenen Weise konkret umschrieben. Da ihm der Sachverhalt in allen die Tat betreffenden Elementen erstmals mit der Ladung vom 7. Februar 1992 und somit außerhalb der Verjährungszeit vorgehalten worden sei, möge man auch die Frage einer allfällig bereits eingetretenen Verfolgungsverjährung prüfen. Im übrigen bleibe er bei seiner der Behörde bekannten Aussage und hoffe, daß die Tatsache, daß es sich beim Anzeiger um einen Polizeibeamten handle, hinsichtlich der Glaubwürdigkeit nicht entscheidend sei. Was die Höhe der Strafe betreffe, so wolle er darauf hinweisen, daß keinerlei Vormerkungen gegen ihn vorhanden seien und er nur S 10.400,-- verdiene.

 

Er beantrage die Aufhebung des gegenständlichen Bescheides und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

Der im Akt befindlichen Niederschrift über die Vernehmung des Beschuldigten am 3. März 1992 zufolge hat dieser damals angegeben, er sei zum angegebenen Tatzeitpunkt auf dem äußersten linken Fahrstreifen der A ** gefahren, als plötzlich der neben ihm fahrende Anzeiger mit seinem PKW von der mittleren auf die linke Fahrspur gewechselt sei und den Beschuldigten gegen die Leitschiene gedrängt habe. Er sei darüber erschrocken und habe daher auch die Fahrgeschwindigkeit verringert. Der Anzeiger sei in der Folge mit seinem PKW mehrmals sehr knapp auf sein Fahrzeug aufgefahren. In der W***** Straße in K********* habe er abgebremst, weil ein älterer Mann mit dem Fahrzeug die Fahrbahn überqueren habe wollen.

 

Im Hinblick auf diese Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ am 27. Mai 1993 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

 

Der Berufungswerber war ordnungsgemäß geladen und ist nicht erschienen. Gemäß §51f Abs2 VStG hindert das Nichterscheinen einer ordnungsgemäß geladenen Partei weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung eines Erkenntnisses.

 

Als Zeuge wurde Herr A******** J**** einvernommen.

 

Dieser hat angegeben, er sei am 28. Juni 1991 auf der A ** in Fahrtrichtung K********* gefahren. Er habe gerade ein anderes Fahrzeug überholt und sei deshalb von der zweiten auf die dritte Fahrspur gewechselt, als er den Beschuldigten von hinten herankommen gesehen habe. Dieser sei sehr schnell herangekommen und sehr knapp an den Zeugen herangefahren und habe ihn angeblinkt; schließlich sei er links am Zeugen (nämlich zwischen dessen PKW und der Mittelleitschiene) vorbeigefahren. Zu einem Kontakt der beiden Fahrzeuge sei es nicht gekommen, da der Zeuge noch etwas nach rechts habe ausweichen können. Beide Fahrzeuge seien dann wieder auf die zweite Fahrspur gewechselt. Der Beschuldigte sei mit einer Geschwindigkeit von ca 80 km/h vor dem Zeugen gefahren; als der Zeuge ihn überholen haben wollen, habe der Beschuldigte dies verhindert, indem er immer wieder vor dem Zeugen auf dessen Fahrspur gewechselt sei. Dies habe sich mehrmals wiederholt. Als beide Fahrzeuge dann bei der Ausfahrt K********* von der Autobahn abgefahren seien, sei der Beschuldigte immer noch vor dem Zeugen gefahren. Auf der W***** Straße bei der Kreuzung auf Höhe der Firma **-P****** habe dann der Beschuldigte für den Zeugen völlig überraschend jäh abgebremst, obwohl es die Verkehrssicherheit nicht erfordert habe. Was die Verantwortung des Beschuldigten hinsichtlich eines die Straße überquerenden Radfahrers betreffe, so sei der Zeuge damals mit einem Kleinbus gefahren, von dem man eine sehr gute Sicht habe; er habe damals jedoch keinen Radfahrer bemerkt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Zu den Delikten 1 und 4 des angefochtenen Straferkenntnisses:

 

Der Zeuge hat unter Wahrheitspflicht angegeben, während er gerade von der zweiten auf die dritte Fahrspur gewechselt sei, habe sich der Beschuldigte mit hoher Geschwindigkeit auf der dritten Fahrspur genähert und dann den Zeugen links überholt, während dieser sich noch auf der dritten Fahrspur befunden habe; der Beschuldigte sei zwischem dem PKW des Zeugen und der Mittelleitschiene vorbeigefahren. Nach der Abfahrt von der A ** habe der zu diesem Zeitpunkt noch immer vor dem Zeugen fahrende Beschuldigte auf Höhe der Firma **-P****** jäh abgebremst, obwohl es die Verkehrssicherheit nicht erfordert habe. Wenn der Zeuge angibt, entgegen der Verantwortung des Beschuldigten keinen die Straße überquerenden Radfahrer bemerkt zu haben, so kann im Hinblick darauf, daß der Zeuge mit einem LKW gefahren ist, davon ausgegangen werden, daß dieser einen allfälligen Radfahrer wahrnehmen hätte müssen.

 

Es besteht für die Berufungsbehörde kein Anlaß, dieser schlüssigen Aussage des Zeugen keinen Glauben zu schenken. Hiebei ist zu berücksichtigen, daß der Zeuge aufgrund seiner verfahrensrechtlichen Stellung der Wahrheitspflicht unterliegt und bei deren Verletzung mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen muß, hingegen den Berufungswerber keine derartigen Pflichten bzw Sanktionen treffen; im übrigen ist bei der Verhandlung nichts hervorgekommen, was Anlaß zur Vermutung geben könnte, der Zeuge habe den ihm unbekannten Beschuldigten wahrheitswidrig belasten wollen.

 

Was den Tatort der Delikte 1  und 4 betrifft, so ist dieser im angefochtenen Straferkenntnis mit einer den Erfordernissen des §44a VStG entsprechenden Genauigkeit angegeben (A **, Kilometer 11,500 bzw K*********, W***** Straße auf Höhe der Firma **-P******).

 

Zu der vom Berufungswerber weiters geltend gemachten Verfolgungsverjährung ist aus rechtlicher Sicht folgendes auszuführen:

 

Gemäß §31 Abs1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen wurde; diese Frist beträgt gemäß §31 Abs2 VStG 6 Monate.

 

Verfolgungshandlung ist gemäß §32 Abs2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (zB Ersuchen um Vernehmung), und zwar auch dann, wenn der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

 

Im vorliegenden Fall war Tatzeit der 28. Juni 1991; die erste Verfolgungshandlung wurde durch die Abfertigung des Rechtshilfeersuchens der Bezirkshauptmannschaft xx an das Bezirkspolizeikommissariat yy vom 16. Dezember 1991 (eingelangt am 27. Dezember 1991) und somit innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist vorgenommen; daß dem Beschuldigten selbst der Sachverhalt erst am 7. Februar 1992 zur Kenntnis gebracht wurde, ist für die Wahrung dieser Frist ohne Bedeutung.

 

Der Berufungswerber hat daher die ihm unter den Punkten 1 und 4 des angefochtenen Straferkenntnisses angelasteten Verwaltungsübertretungen begangen.

 

Hinsichtlich der Strafhöhe wurde erwogen:

 

Der Schutzzweck der vom Beschuldigten verletzten Gesetzesbestimmungen der §§16 Abs1 lita und 21 Abs1 StVO 1960, nämlich der Schutz anderer Verkehrsteilnehmer, wurde durch das Verhalten des Beschuldigten erheblich beeinträchtigt; im Hinblick auf die vorsätzliche Begehung dieser Verwaltungsübertretungen konnte auch das Ausmaß des Verschuldens nicht als geringfügig gewertet werden.

 

Mildernde oder erschwerende Umstände liegen nicht vor (da entgegen den Angaben des Berufungswerbers eine (allerdings nicht einschlägige) Verwaltungsvorstrafe aus dem Jahr 1989 aufscheint, konnte das Fehlen von Vormerkungen nicht als Milderungsgrund gewertet werden).

 

Nach eigenen Angaben bezieht der Berufungswerber ein monatliches Einkommen von S 10.400,-- und hat keine Sorgepflichten.

 

Bei der Strafbemessung ist auch davon auszugehen, daß nicht nur der Beschuldigte selbst, sondern auch die Allgemeinheit von der Begehung weiterer gleichartiger Verwaltungsübertretungen abgehalten werden soll, sodaß eine generalpräventive Wirkung entsteht.

 

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände sind nach Auffassung der Berufungsbehörde die von der Behörde I. Instanz verhängten Strafen von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 30 Stunden; Delikt 1) und von S 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden; Delikt 4) als schuld- und tatangemessen zu betrachten. Es wird darauf hingewiesen, daß der gesetzliche Strafrahmen bei beiden Delikten bis zu S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 2 Wochen) reicht.

 

Da das erstinstanzliche Straferkenntnis hinsichtlich der Punkte 1 und 4 durch die Berufungsbehörde zu bestätigen war, ist der Berufungswerber gemäß §64 VStG verpflichtet, einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens im Ausmaß von 20 % der verhängten Geldstrafen (somit S 360,--) zu bezahlen.

 

Die Tatbeschreibung für das Delikt 4 war hinsichtlich des dort angegebenen PKW-Kennzeichens zu berichtigen, da offenbar versehentlich statt des Kennzeichens des PKWs des Zeugen das Kennzeichen des PKWs des Beschuldigten angeführt war.

 

 

Zum Delikt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses:

 

Gemäß §20 Abs1 letzter Satz StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht ohne zwingenden Grund so langsam fahren, daß er den übrigen Verkehr behindert.

 

Den Angaben des Zeugen zufolge ist der Beschuldigte, nachdem er den Zeugen auf dem dritten Fahrstreifen überholt hatte, ebenso wie der Zeuge auf den zweiten Fahrstreifen gewechselt und dort mit einer Geschwindigkeit von ca 80 km/h gefahren.

 

Nun wird zwar auf Autobahnen bei einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h in der Regel mit einer höheren Geschwindigkeit als 80 km/h gefahren; nach Auffassung der Berufungsbehörde kann eine derartige Geschwindigkeit auf dem mittleren Fahrstreifen jedoch noch nicht als verkehrsbehindernd betrachtet werden. Im vorliegenden Fall war die Frage einer verkehrsbehindernden Fahrweise vielmehr beim Delikt 3 (Übertretung nach §11 Abs1 StVO 1960) zu prüfen.

 

Die dem Beschuldigten unter Punkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses angelastete Verwaltungsübertretung hat der Berufungswerber jedoch nicht begangen, da das Fahren mit 80 km/h auf dem mittleren Fahrstreifen einer Autobahn nicht als Übertretung nach §20 Abs1 letzter Satz StVO 1960 qualifiziert werden kann. Diesbezüglich war daher der angefochtene Bescheid zu beheben und das Verfahren gemäß §45 Abs1 Z1 VStG einzustellen.

 

 

Zum Delikt 3:

 

Gemäß §44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses unter anderem die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Das bedeutet, daß die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren ist und insbesondere Tatzeit und Tatort möglichst genau anzugeben sind.

 

Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet die Angabe des Tatortes wie folgt:

 

"Gemeindegebiet von L*************, Autobahn A **, Richtungsfahrbahn K********* ca bei km 11,500 auf Höhe der mittleren Abfahrt L*************"

 

Nun ist im gegenständlichen Fall der Straßenkilometer 11,500 als Tatort des Deliktes 1 des angefochtenen Straferkenntnisses anzusehen. Die Behinderung des Zeugen im Sinne des Tatvorwurfes des Deliktes 3 erfolgte jedoch erst einige Zeit später (nach Angaben des Zeugen mehrmals hintereinander und somit an mehreren verschiedenen Orten) und daher jedenfalls nicht mehr auf Höhe des Straßenkilometers 11,500.

 

Da bezüglich dieses Deliktes innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist eine vollständige und richtige Tatanlastung nicht erfolgt ist, war dieser Mangel in der Bezeichnung des Tatortes nicht mehr sanierbar und daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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