TE UVS Stmk 1993/10/14 30.11-179-182/93

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Veröffentlicht am 14.10.1993
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied

Dr. Gerhard Wittmann über die Berufung des Herrn E K, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. R K und Dr. R L, R-gasse 27, G, vom 23.9.1993, sowie die Berufung des Arbeitsinspektorates Leoben vom 22.9.1993 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 10.9.1993, GZ.:

15.1- Ka 242-90/7, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung des Herrn E K Folge gegeben und sämtliche Verfahren hinsichtlich der Herrn K vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen werden gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt. Der Berufung des Arbeitsinspektorates Leoben wird keine Folge gegeben.

Text

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 10.9.1993 wurde Herrn E K vorgeworfen, er sei als Bezirkssekretär und Rettungskommandant des Ö R K und somit gemäß § 9 Abs 1 VStG verantwortlicher Beauftragter dafür verantwortlich, daß

1.) vom Arbeitnehmer K H an bestimmten Tagen im Zeitraum vom 1.10.1990 bis zum 19.10.1990 die höchstzulässige Einsatzzeit überschritten worden sei,

2.) dem Arbeitnehmer K H am 15.10.1990, am 16.10.1990 und am 24.10.1990 keine 11-stündige Ruhezeit nach Beendigung der Einsatzzeit gewährt worden wäre,

3.) dem Arbeitnehmer K H in den Wochen vom 8.10 bis 14.10.1990, vom 15.10. bis 21.10.1990 sowie vom 22.10 bis 28.10.1990 keine ununterbrochene 36-stündige Wochenruhe gewährt worden wäre,

4.) vom Arbeitnehmer J Sch an bestimmten Tagen im Zeitraum vom 2.10.1990 bis 17.10.1990 die höchstzulässige Einsatzzeit überschritten worden sei,

5.) dem Arbeitnehmer J Sch in den Wochen vom 1.10. bis 7.10.1990, vom 8.10 bis 14.10.1990 sowie vom 15.10. bis 21.10.1990 keine ununterbrochene 36-stündige Wochenruhe gewährt worden sei,

6.) vom Arbeitnehmer F R an bestimmten Tagen im Zeitraum vom

22.9 bis 18.10.1990 die höchstzulässige Einsatzzeit überschritten worden sei.

Wegen dieser insgesamt 4 Übertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz (AZG) sowie 2 Übertretungen nach dem Arbeitsruhegesetz (ARG) wurden über Herrn E K von der belangten Behörde Geldstrafen von insgesamt S 8.700,-- (im Uneinbringlichkeitsfall insgesamt 8 Tage und 16 Stunden Ersatzarrest) verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis brachte Herr E K fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein und führte unter anderem aus, daß er der Übernahme einer verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 Abs 4 VStG niemals zugestimmt habe. Auch das Arbeitsinspektorat Leoben erhob fristgerecht Berufung und begehrte über Herrn E K entsprechend dem Strafantrag vom 12.12.1990 Geldstrafen in der Gesamthöhe von S 23.700,-- zu verhängen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ist bei seiner Entscheidung von folgender Sach- und Rechtslage ausgegangen:

Am 19.11.1990 wurde seitens des Arbeitsinspektorates Leoben eine Kontrolle in den Ortsdienststellen Ki und Kr des Ö R K durchgeführt. Dabei wurden 4 Übertretungen nach dem AZG und 2 Übertretungen nach dem ARG festgestellt und mit Schreiben vom 12.12.1990 bei der belangten Behörde zur Anzeige gebracht. Die Verstöße gegen arbeitszeitrechtliche Bestimmungen betrafen einen Zeitraum vom 22.9.1990 bis 28.10.1990. Die belangte Behörde richtete mit 5.3.1991, welche am 18.3.1991 zur Post gegeben wurde, eine Beschuldigtenladung an Herrn Erwin Kasper und setzte damit eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 31 VStG. Am 21.3.1991 wurde Herr K als Beschuldigter bei der belangten Behörde einvernommen, wobei er lediglich auf eine künftige, schriftliche Stellungnahme seines Rechtsvertreters verwies. Mit Schreiben vom 12.11.1992 forderte die belangte Behörde die Vertreter von Herrn K auf, eine abschließende Stellungnahme abzugeben. Diese Stellungnahme langte am 15.12.1992 bei der belangten Behörde ein. Mit Schreiben vom 12.8.1993 teilte die belangte Behörde dem Arbeitsinspektorat Leoben als mitbeteiligter Partei mit, daß beabsichtigt sei über Herrn K geringere Strafen als vom Arbeitsinspektorat beantragt zu verhängen. Mit Schreiben vom 26.8.1993 teilte das Arbeitsinspektorat mit, daß einer Herabsetzung der ursprünglich beantragten Geldstrafen nicht zugestimmt werde. Schließlich erließ die belangte Behörde am 10.9.1993 das oben angeführte Straferkenntnis. Nachdem sowohl E K als auch das Arbeitsinspektorat Leoben gegen dieses Straferkenntnis Berufung erhoben, legte die belangte Behörde mit Schreiben vom 30.9.1993, welches am 6.10.1993 beim Unabhängigen Verwaltungssenat einlangte, den Akt zur Entscheidung über die Berufungen vor.

Sind seit dem Zeitpunkt, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat 3 Jahre vergangen, so darf gemäß § 31 Abs 3 VStG ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden. Der Eintritt der Verjährung ist von amtswegen wahrzunehmen (VwGH 19.9.1984, Slg. 11525 A). Daher können 1.) die Überschreitungen der höchstzulässigen Einsatzzeit beim Arbeitnehmer K H vom 1.10 bis 2.10.1990, vom 4.10 bis 5.10.1990, vom 7.10 bis 8.10.1990, vom 9.10 bis 10.10.1990, vom 11.10 bis 12.10.1990 sowie vom 13.10.1990 bis 15.10.1990,

2.) die Nichtgewährung einer ununterbrochenen 36-stündigen Wochenruhe beim Arbeitnehmer K H in der Woche vom 8.10 bis 14.10.1990,

3.) die Überschreitungen der höchstzulässigen Einsatzzeit beim Arbeitnehmer J Sch vom 2.10 bis 3.10.1990, vom 4.10 bis 6.10.1990, vom 6.10 bis 7.10.1990, vom 9.10 bis 10.10.1990 sowie vom 14.10.1990 bis 15.10.1990,

4.) die Nichtgewährung einer ununterbrochenen 36-stündigen Wochenruhe beim Arbeitnehmer J Sch in der Woche vom 1.10 bis 7.10.1990 sowie vom 8.10 bis 14.10.1990,

5.) die Überschreitungen der höchstzulässigen Einsatzzeit beim Arbeitnehmer F R vom 22.9 bis 23.9.1990, vom 29.9 bis 30.9.1990 sowie vom 11.10 bis 12.10.1990

nicht mehr verfolgt werden. Bereits aus diesem Grund konnte Herr K bezüglich dieser Verwaltungsübertretungen nicht mehr bestraft werden.

Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit ist, sofern die Verwaltungsschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, gemäß § 9 Abs 1 VStG strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Gemäß § 9 Abs 2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zum verantwortlichen Beauftragten bestellt werden. Gemäß § 9 Abs 4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Zur Vertretung des Landesverbandes Steiermark des Ö R K nach außen ist der Präsident Dr. R G befugt und trägt dieser die grundsätzliche verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung gemäß § 9 Abs 1 VStG (vgl. UVS 7.9.1993, Zl 30.13-190/93). Im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren steht unbestrittenermaßen fest, daß Herr E K Bezirkssekretär und Rettungskommandant der Bezirksstelle M des Ö R K ist. Es stellt sich somit die Frage, ob die jeweiligen Bezirksrettungskommandanten des Ö R K als verantwortliche Beauftragte anzusehen sind.

Um von einem verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs 2 und 4 VStG sprechen zu können, bedarf es der Bestellung einer Person zum verantwortlichen Beauftragten und ihrer nachweislichen Zustimmung. Diese Zustimmungserklärung kann nur durch ein aus der Zeit vor der Begehung der Übertretung stammendes Beweisergebnis erbracht werden (vgl. VwGH 14.1.1993, Zl 92/18/0531).

Durch die Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten zu seiner Bestellung tritt dieser in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht bei juristischen Personen an die Stelle des zur Vertretung nach außen Berufenen. Handelt es sich um die Verpflichtung zur Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften übernimmt der verantwortliche Beauftragte mit der Zustimmung zu seiner Bestellung insoweit die Funktion des Arbeitgebers. Die Wichtigkeit der Übernahme der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit erfordert es, daß die Bestellung und die damit übereinstimmende Zustimmung so erklärt werden, daß kein Zweifel an ihrem Inhalt besteht. In der Übertragung von bestimmten Aufgaben innerhalb eines Unternehmens an einzelne Beschäftigte liegt noch nicht die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit

(VwGH 11.3.1993, Zl 91/19/0158).

Die zu den Tatzeitpunkten gültige Dienstordnung des Ö R K vom 30.6.1989 definiert die Aufgaben eines Bezirksrettungskommandanten in Abschnitt C II, wie folgt:

3.) Bezirksrettungskommandant

Der Bezirksrettungskommandant wird, soweit die Satzungen eines Landesverbandes nichts anderes vorsehen, vom Präsidenten des Landesverbandes über Vorschlag der Bezirksstelle ernannt und abberufen und ist in der Regel mit dem Bezirkssekretär identisch.

Er leitet unter Mitarbeit des in Abschnitt A Absatz III/3 genannten Personenkreises den Dienstbetrieb des RKT im Bereich der Bezirksstelle, wobei ihm folgende Aufgaben obliegen:

-

Überwachung des laufenden Betriebes sowie Dienstaufsicht über die Mitarbeiter der Dienststelle.

-

Diensteinteilung

-

Überprüfung der Tätigkeit der Mitarbeiter

-

Überwachung der Ausrüstung der Sanitätseinsatzwagen sowie der Dienststelle

-

Überwachung der Funktionstüchtigkeit, Pflege und Wartung der Geräte, sowie Überwachung der Verkehrs- und Betriebssicherheit, Pflege und Wartung der Sanitätseinsatzwagen.

-

Überwachung der hygienischen Maßnahmen

-

Erstellung der Alarmpläne der Bezirksstelle im Einvernehmen mit dem Leiter der Bezirksstelle und dem Landesrettungskommandanten

-

Aus- und Weiterbildung des Personals; eigene Fortbildung."

Die Vorschrift für den Rettungs- und Krankentransportdienst enthält somit keine Zustimmungserklärung der Bezirksrettungskommandanten, in ihr findet sich zu dem keine Bestimmung, nach der der Bezirksrettungskommandant (für den Bereich der Bezirksstelle) die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen übernimmt. Es kann daher auch die Annahme der Ernennung zum Bezirksrettungskommandanten nicht als Nachweis der Zustimmung des Ernannten zur Bestellung als verantwortlicher Beauftragter angesehen werden (VwGH 11.3.1993, 91/19/0158). Rechtlich verfehlt ist auch der Vorwurf im Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde, daß Herr E K die ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen als Bezirkssekretär und Rettungskommandant und somit als gemäß "§ 9 Abs 1 VStG verantwortlicher Beauftragter des Ö R K" zu verantworten habe. Demgegenüber wird in der Begründung näher ausgeführt, daß Herr K als Bezirkssekretär und Bezirksrettungskommandant des Ö R K, Bezirksstelle M, auch für die Diensteinteilung zuständig gewesen sei und somit gemäß "§ 9 Abs 2 VStG verantwortlicher Beauftragter" hinsichtlich dieses Aufgabenbereiches gewesen sei. Aufgrund des vorgelegten erstinstanzlichen Aktes geht nicht hervor, daß die belangte Behörde im Ermittlungsverfahren näher auf die Problematik der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eingegangen wäre. Da E K als Bezirksrettungskommandant jedoch niemals einer verwaltungsstrafrechtlich relevanten Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs 2 und 4 VStG ausdrücklich zugestimmt hat, war er für die vom Arbeitsinspektorat Leoben erhobenen Verwaltungsübertretungen nicht zur Verantwortung zu ziehen.

Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen. Da E K im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren für die Übertretungen nach dem AZG bzw. ARG nicht verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich war, waren die Verfahren hinsichtlich dieser Verwaltungsübertretungen einzustellen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden:

Schlagworte
Verantwortlichkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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