TE UVS Stmk 1993/11/15 30.9-38/93

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Veröffentlicht am 15.11.1993
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied

Dr. Christian Erkinger, über die Berufung des Herrn Ing. St I, wohnhaft P 33, G, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 29.9.1992, GZ.: 15.1 1992/2868, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Text

Mit dem im Spruch zitierten Bescheid der belangten Behörde ist dem Berufungswerber zur Last gelegt worden, daß er, wie am 1.6.1992 anläßlich einer durchgeführten örtlichen Überprüfung in P 32 festgestellt worden sei, im Hause P 33 durch Unterbringung von 6 pflegebedürftigen Personen das konzessionierte Gastgewerbe in der Betriebsart eines Betreuungsheimes für Erwachsene ausgeübt habe, ohne im Besitz einer von der Behörde erteilten gewerberechtlichen Genehmigung zu sein. Wegen dieser Übertretung wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe mit einer Höhe von S 5.000,-- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe mit einer Dauer von 5 Tagen für den Fall der Uneinbringlichkeit verhängt.

In seiner rechtzeitigen bei der belangten Behörde niederschriftlich zu Protokoll gegebenen Berufung führte der Berufungswerber aus, daß ein gleichartiges Verfahren, das gegen seine Gattin anhängig gewesen sei, mit der Begründung eingestellt worden sei, daß der Tatbestand nicht unter die Bestimmungen der Gewerbeordnung falle. Er beantrage daher das gegen ihn geführte Strafverfahren ebenfalls einzustellen. Die gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständige Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen, wobei gemäß § 51e VStG von der Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte, da bereits aus der Aktenlage erster Instanz ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben sein wird:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sahe selbst zu entscheiden.

Gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG hat die Berufungsbehörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1.) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, 2.) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht ( VwGH 1.2.1990, Z 89/04/0184).

Nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehört es zu den Grundsätzen jedes Strafverfahrens, daß die zur Last gelegte Tat so eindeutig umschrieben wird, daß kein Zweifel darüber bestehen kann, wofür der Täter bestraft worden ist, sodaß die Möglichkeit ausgeschlossen wird, er könnte etwa wegen derselben Handlung noch einmal zur Verantwortung gezogen werden. Diesem Konkretisierungsgebot wird in Ansehung des Vorwurfes des Betreibens eines Gastgewerbes zwar "im Regelfall" durch einen Hinweis auf die Betriebsart Rechnung getragen (VwGH 30.10.1990 Zl 88/04/247 und die dort angeführte Vorjudikatur). Unter Betriebsart ist gemäß § 151 Abs 2 GewO 1973, in der Fassung der Novelle 1992, die durch eine bestimmte Anlage, Einrichtung und Ausstattung der Betriebsräume und allfälligen sonstigen Betriebsflächen und durch eine bestimmte Betriebsführung gekennzeichnete Gestaltung des jeweiligen Gastgewerbebetriebes zu verstehen; Verschiedenheiten lediglich in der Benennung begründen keine besondere Betriebsart. Der Begriff der Betriebsart eines Gastgewerbes ist nun kein starr vorgegebener, sondern erfaßt den wirtschaftlichen Gegebenheiten und der Verkehrsauffassung folgend im tatsächlichen Bereich unterschiedliche Erscheinungsformen innerhalb eines bestimmten Gewerbezweiges (VwGH 15.12.1987, Zl 87/04/0153 sowie die dort zitierte Vorjudikatur). Mit der Betriebsart werden aber eben nur unterschiedliche Erscheinungsformen innerhalb eines bestimmten Gewerbezweiges - nämlich des Gastgewerbes - umschrieben. Eine Umschreibung "Betreuungsheim für Erwachsene" indiziert aber nicht schlüssig eine Erscheinungsform des Gastgewerbes. Wird doch damit - jedenfalls vordergründig - nicht die Ausübung des Gastgewerbes (sei es auch für eine bestimmte Personengruppe), sondern eine solche der - vom möglichen Bewilligungsinhalt des Gastgewerbes im Grunde des § 148 Abs 1 GewO 1973 losgelösten - (Alten- ) Pflege erfaßt. In Anbetracht dieser Ausführungen unterließ es die belangte Behörde im Spruch unter Beachtung der dafür maßgeblichen Tatbestandsmerkmale das konkrete Tatverhalten darzulegen, durch welches der Tatbestand der Ausübung des Gastgewerbes verwirklicht wird. Da der Spruch diesem Erfordernis des erstbehördlichen Straferkenntnisses nicht Rechnung trägt, belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 16.10.1992 Zl K II-2/91-53 u.a. zum Begriff "Pflegeheim" ausgeführt, daß darunter Einrichtungen zur Aufnahme von Menschen, die ständiger Pflege und fallweiser ärztlicher Betreuung bedürfen, zu verstehen sind. Dabei handelt es sich um drei Gruppen von Menschen:

1.)

chronisch Kranke,

2.)

vorübergehend oder dauernd pflegebedürftige Menschen (also sowohl solche, die voraussichtlich nur eine gewisse Zeit, als auch solche, die voraussichtlich bis an ihr Lebensende einer Pflege bedürfen),

 3.) Behinderte.

Wesentlich für alle drei - sich allenfalls überlappende Kreise von Personen ist, daß diese während der Zeit ihrer Unterbringung in einem Pflegeheim jedenfalls einer permanenten (und allenfalls sachkundigen) Pflege bedürfen; der Aspekt der ärztlichen Betreuung tritt dabei zurück; diese ist - wenn überhaupt - nur fallsweise erforderlich. Dies ist auch das Unterscheidungskriterium zu Krankenanstalten im Sinn des Kompetenztatbestandes "Heil- und Pflegeanstalt" im Artikel 12 Abs 1 Z 1 B-VG. Pflegeheime einerseits und Krankenanstalten andererseits erfordern demnach in personeller und sachlicher Hinsicht eine voneinander abweichende Ausstattung.

Demzufolge unterscheidet sich der Kreis jener chronisch Kranken, die in eine Krankenanstalt im Sinn des § 2 Abs 1 Z 4 Krankenanstaltengesetz (KAG) aufzunehmen sind, von denjenigen, die in ein Pflegeheim aufzunehmen sind, durch die Art der von ihnen primär benötigten Betreuung. Während in Krankenanstalten die Notwendigkeit einer ärztlichen Betreuung des chronisch Kranken im Vordergrund steht, kommt in Pflegeheimen dem Erfordernis der Pflege des chronisch Kranken die vorrangige Bedeutung zu, wobei die ärztliche Betreuung bei Bewohnern eines Pflegeheimes wenn überhaupt bloß fallweise geboten sein soll.

Bei einer möglichen Zuordnung zu den Kompetenztatbeständen

Angelegenheiten des Gewerbes

und "Gesundheitswesen" in Artikel 10

Abs 1 Z 12 B-VG werden folgende Überlegungen anzustellen:

Zum Kompetenztatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes":

Das Errichten und Betreiben eines Pflegeheimes wurde nach dem Stand der Rechtsordnung am 1. Oktober 1925 ("Versteinerungszeitpunkt") nicht als eine solche Angelegenheit betrachtet:

So erfaßte die zu diesem Zeitpunkt geltende Gewerbeordnung 1859, RGBl. 227, von vornherein nur die "gewerbemäßig betriebenen Beschäftigungen" (Art. IV des (Kundmachungs-) Patentes zur Gewerbeordnung 1859). "Gewerbemäßig betrieben" war eine Beschäftigung nur, wenn sie mit Gewinnabsicht betrieben wurde (vgl. etwa Praunegger, Das österreichische Gewerberecht, Graz 1924, S 7). Ein wesentlicher Teil jener Tätigkeiten, die in Pflegeheimen i.S. des vorgelegten Entwurfes ausgeübt werden sollen, fand seinerzeit offenbar vor allem im Rahmen von Altersheimen und dgl. statt, die von der öffentlichen Hand (etwa Gemeinden) und von caritativen Organisationen ohne Gewinnabsicht betrieben wurden und nach dem Gesagten von vornherein nicht unter das Regime des Gewerberechtes fielen. Aber auch allenfalls vorhandene, den Pflegeheimen im Sinne des Gesetzesentwurfes vergleichbare, auf Gewinn gerichtete Anstalten waren dem Art. V lit. g des (Kundmachungs-) Patentes zufolge von der Gewerbeordnung 1859 ausgenommen. Diese Bestimmung lautete:

V. Auf folgende Beschäftigungen und Unternehmungen findet das gegenwärtige Gesetz keine Anwendung; ...:

g.) ..., die Unternehmungen von Heilanstalten jeder Art mit Inbegriff der Gebär- und der Irrenbewahr-, Bade- und Trinkkuranstalten; ...".

Aus dem Wortlaut dieser Regelung (arg.: "Heilanstalten jeder Art"; Erwähnung der Bade- und Trinkkuranstalten in der beispielsweisen Aufzählung) ergibt sich, daß auch Anstalten, die eine den Pflegeheimen im Sinne des vorliegenden Gesetzesentwurfes entsprechende Tätigkeit entfalteten, nicht vom Geltungsbereich der Gewerbeordnung 1859 erfaßt waren. Für die Annahme, daß die Ausnahmeregelung des Art. V lit. g des (Kundmachungs-) Patentes weit auszulegen ist, spricht die damalige Literaturmeinung. So führt Praunegger, aaO, S 64 f., aus:

Für Heilanstalten jeder Art, mit Inbegriff der Gebär- und Irrenbewahr-, Bade- und Trinkkuranstalten, hat die Erwerbung einer Gast- und Schankgewerbekonzession sicher dann zu entfallen, wenn sie sich auf die Beherbergung und Verpflegung der in der Anstaltsbehandlung befindlichen Kranken beschränken. Aber auch dann, wenn in Privatheilanstalten und Sanatorien außer den Kranken und Pflegebedürftigen auch deren Begleitpersonen gegen Entgelt mit Speise und Trank versehen und beherbergt werden, geht diese Tätigkeit nicht über ihren Berechtigungsumfang hinaus, ...".

Für das so gefundene Ergebnis, daß die Regelung der Errichtung und des Betriebes von Pflegeheimen im Sinne des Entwurfes nicht auf den Kompetenztatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes" gestützt werden kann, ist unerheblich, wie sich die einfachgesetzliche Rechtslage nach dem Versteinerungszeitpunkt

Gewerbeordnung 1973 diese Frage behandelt.

 2.) Zum Kompetenztatbestand "Gesundheitswesen" :

Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfGH Slg. 3650/1959, 7582/1975, 8195/1977) sind darunter nur jene staatlichen Maßnahmen zu verstehen, die der Abwehr von Gefahren für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung (für die Volksgesundheit) dienen, es sei denn, daß eine für eine bestimmte andere Kompetenzmaterie allein typische Abart dieser Gefahr bekämpft wird.

Wenngleich die soeben erwähnten Entwurfsbestimmungen die ärztliche Aufsicht, Betreuung und Behandlung

Bestellung eines Arztes als Pflegeheimhygieniker (§ 17) und die behördliche Aufsicht (§ 25) regeln, sehen sie keine Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die Volksgesundheit vor, sondern sind auf die Abwehr von Gefahren gerichtet, die für Pflegeheime typisch sind; im Vordergrund stehen Anliegen der Errichtung und des Betriebes von Pflegeheimen (zur Abgrenzung des Gesundheitswesens

3252/1957, S 343; 4609/1963; 7582/1975, S 476 f.; 8035/1977,

S 262 f.; 9520/1982,

S 158 ff.).

Auch der Tatbestand "Gesundheitswesen" bietet sohin keine kompetenzrechtliche Grundlage.

Da somit eine kompetenzmäßige Zuordnung weder unter dem Tatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes" noch unter jenen des "Gesundheitswesens" möglich ist, ist davon auszugehen, daß eine Zuständigkeit des Landesgesetzgebers anzunehmen ist, ein entsprechendes Pflegeheimgesetz zu erlassen.

Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß im Hinblick auf die angeführte verwaltungsrechtliche Judikatur bezüglich eines als erwiesen anzunehmenden Tatbestandes dem § 44 a VStG nicht Rechnung getragen worden ist.

Zum anderen ist im Lichte der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes betreffend die Zuordnung der Pflegeheime unter einen Tatbestand des Bundesverfassungsgesetzes eine Unterstellung unter die Bestimmungen der Gewerbeordnung nicht zulässig.

Da innerhalb der Fristen der §§ 31 und 32 VStG eine rechtswirksame Verfolgungshandlung nicht gesetzt worden ist, das angefochtene Straferkenntnis den Mindestanforderungen an eine bescheidmäßige Erledigung nicht genügt, war dieses infolge inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf Basis der zitierten gesetzlichen Bestimmungen und der dazu ergangenen Judikatur aufzuheben.

Schlagworte
Gastgewerbe Betriebsart
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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