TE UVS Niederösterreich 1993/11/18 Senat-F-93-030

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Veröffentlicht am 18.11.1993
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Spruch

1. Der Beschwerde wird gemäß §67c Abs3 AVG, BGBl Nr 51/1991, in Verbindung mit §52 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl Nr 838/1992, insoweit stattgegeben, als die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft für rechtswidrig erklärt wird; der Antrag auf Aufhebung des Schubhaftbescheides wird abgewiesen, jener auf Aufhebung der Schubhaft zurückgewiesen.

 

2. Gemäß §52 Abs4 erster Satz FrG wird festgestellt, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

 

3. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß §79a AVG in Verbindung mit §52 Abs2 FrG abgewiesen.

Text

Wie dem fremdenpolizeilichen Akt der belangten Behörde, Zl ****/93, zu entnehmen ist, wurde gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion xx vom 3. April 1991, Zl Fr-***.***/91, ein Aufenthaltsverbot erlassen. Am 5. April 1991 wurde er per Bahn abgeschoben, wobei er den Zug in L****** wieder verließ, am 7. April 1991 erneut illegal in Österreich einreiste und einen Asylantrag stellte.

 

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ bestätigte ihm mit Bescheid vom 5. September 1991, Zl Fr ****/91, die vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet bis zum Abschluß des Asylverfahrens. Das Asylverfahren wurde mit Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 18. März 1993, Zl *.***.***/2-III/13/92, negativ abgeschlossen.

 

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. Oktober 1993, Zl ****-4/93, wurde der Beschwerdeführer gemäß §41 Abs1 iVm Abs2 FrG zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen. Dieser im Verfahren gemäß §57 AVG ergangene Bescheid geht insbesondere von folgendem Sachverhalt aus:

 

1. Gegen den Beschwerdeführer besteht ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot.

2. Er hält sich seit 29. Mai 1993 (Anm: Abweisung des Asylantrages) unterlaubt in Österreich auf.

 

In der am 12. November 1993 beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ rechtzeitig eingelangten (sie wurde bei der Bundespolizeidirektion xy eingebracht) Beschwerde gemäß §51 FrG gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft beantragt der Beschwerdeführer die Feststellung der Rechtswidrigkeit der weiteren Anhaltung, Aufhebung des Schubhaftbescheides und Aufhebung der Schubhaft.

 

Bezüglich des beschwerderelevanten Sachverhalts behauptet er, bis zur letztinstanzlichen Abweisung seines Asylantrages zum vorläufigen Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen zu sein. Er habe beim Verwaltungsgerichtshof einen Verfahrenshilfeantrag zwecks Einbringung einer Beschwerde mit gleichzeitigem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt.

 

Aufgrund seiner kurdischen Abstammung und Tätigkeit für die PKK habe er mit seiner Erschießung in der Türkei zu rechnen. Er wisse von seinen Verwandten in der Türkei, daß nach ihm gefahndet werde und sein Bruder bereits von der türkischen Polizei verhaftet worden war, weil man jenen mit ihm verwechselt hätte.

 

In rechtlicher Hinsicht behauptet er, daß das Refoulement-Verbot seiner Abschiebung in die Türkei entgegenstünde und daher die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung aufzuheben wäre.

 

Die belangte Behörde hat in ihrem Vorlageschreiben vom 10. November 1993, Zl ****-13/93, darauf verwiesen, daß der Beschwerdeführer über einen bis zum 2. Dezember 1993 gültigen türkischen Reisepaß verfügt und die ehestmögliche Abschiebung betrieben wird.

 

Der Vertreter des Beschwerdeführers übermittelte am 16. November 1993 per Telefax die Kopie eines Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. November 1993, Zl VH 1993/01/0352-10, worin dem Beschwerdeführer für eine Beschwerde gegen die Abweisung des Asylantrages die Verfahrenshilfe gewährt wird. Die Beschwerde mit Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde am 16. November 1993 eingebracht.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat an die belangte Behörde per Telefax vom 16. November 1993 unter anderem die folgende Frage gestellt:

 

"2. Sollte die Abschiebung in die Türkei erfolgen: Wurde das Bestehen von Abschiebungshindernissen geprüft? Zutreffendenfalls wird um eine detaillierte Darstellung des Ergebnisses ersucht."

 

Das diesbezügliche Antwortschreiben vom 17. November 1993, Zl Fr ****-15/93, hat folgenden Wortlaut:

 

"Bezugnehmend wird berichtet, daß Obgenannter in die Türkei abgeschoben werden soll. Das Bestehen von Abschiebungshindernissen wurde geprüft, es wurden jedoch keine über das Asylverfahren hinausgehenden Refoulementgründe vorgebracht.

 

Laut telefonischer Weisung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ vom 16.11.1993, wird vorläufig von einer Abschiebung Abstand genommen (Antrag auf Verfahrenshilfe bei der VwGH-Beschwerde wurde bewilligt). Aufgrund der Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe wird - im Falle der tatsächlichen Abschiebung - der Landweg in Erwägung gezogen.

 

Im Nachhang zu dem am 10.11.1993 übermittelten Akt werden Vorlagekosten in der Höhe von ATS 336,-- verzeichnet, welche bei allfälligem Kostenersatz auf das PSK-Konto Nr ****.*** der Bundespolizeidirektion xy überwiesen werden mögen."

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des §1 Abs1 FrG, er wird seit 20. Oktober 1993 unter Berufung auf das FrG angehalten. Gemäß §51 Abs1 FrG hat unter anderem, wer unter Berufung auf das FrG angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme und der Anhaltung anzurufen. Zur Entscheidung über die Beschwerde ist gemäß §52 Abs1 legcit der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde.

 

Der Beschwerdeführer wurde im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bundespolizeidirektion xy festgenommen, der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ ist daher zur Entscheidung über die Beschwerde berufen.

 

Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht.

 

Vorweg sei darauf hingewiesen, daß der Schubhaftbescheid der belangten Behörde nicht für rechtswidrig zu erklären war, weil er einerseits keine formellen Mängel aufweist und es andererseits in materieller Hinsicht der belangten Behörde zugebilligt werden muß, das Zielland der Abschiebung erst nach Erlassung des Schubhaftbescheides festzulegen; selbiges gilt auch für die Überprüfung allfälliger Abschiebungshindernisse.

 

Der Antrag auf Aufhebung der Schubhaft war zurückzuweisen, weil dieser Rechtsakt nicht in die Zuständigkeit eines unabhängigen Verwaltungssenates fällt. Vielmehr ist die Schubhaft im Falle der Feststellung, daß die Voraussetzungen für ihre Fortsetzung nicht vorliegen, gemäß §49 Abs1 Z2 FrG durch Freilassung formlos aufzuheben. Die Enthaftung hat die belangte Behörde in die Wege zu leiten.

 

Hinsichtlich der Zulässigkeit der weiteren Anhaltung weist der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ auf die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes hin, wonach die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nur so lange fortdauern darf, als sie diesen gesetzlichen Schutzzweck erfüllt (zB Erkenntnisse vom 19. Juni 1993, Zl B 1084/92-6, vom 4. Oktober 1993, Zl B 364/93-7 uva).

 

Der Beschwerdeführer war bis zur rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens zum vorläufigen Aufenthalt in Österreich berechtigt. Gegen die Abweisung des Asylantrages hat er Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof mit gleichzeitigem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eingebracht (die Verfahrenshilfe wurde bereits bewilligt). Es entspricht nach den Erfahrungen des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ in ähnlich gelagerten Fällen der Praxis des Höchstgerichtes, einem derartigen Antrag gemäß §30 Abs2 VwGG "im Umfang der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung des Antragstellers nach dem Asylgesetz" stattzugeben. Im gegenständlichen Verfahren hätte ein solcher Beschluß die Wirkung, daß der Fremde für die Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof aufenthaltsberechtigt wäre und somit während dieser Zeit nicht abgeschoben werden dürfte (weder in die Türkei, noch in ein Drittland).

 

Es ist aktenkundig, daß die Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ der belangten Behörde am 16. November 1993 die Weisung erteilt hat, vorläufig von einer Abschiebung Abstand zu nehmen.

 

Im Hinblick darauf, daß die 2-Monatsfrist des §48 Abs2 FrG (Höchstdauer der Schubhaft; es liegt keiner der Verlängerungstatbestände des Abs4 vor) am 20. Dezember 1993 abläuft und der Verwaltungsgerichtshof mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bis zu diesem Zeitpunkt über die Beschwerde des Asylwerbers noch nicht entschieden haben wird, ist nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ davon auszugehen, daß eine Abschiebung bis dahin nicht erfolgen können wird und die Schubhaft daher nicht geeignet ist, ihren Zweck - Sicherung der Abschiebung - zu erfüllen. Es mangelt daher an einer wesentlichen Voraussetzung für die Fortsetzung der Schubhaft.

 

Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß die belangte Behörde dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ trotz Aufforderung das Ergebnis einer allfälligen Prüfung von Abschiebungshindernissen nicht detailliert dargestellt hat. Es ist auch aus dem fremdenpolizeilichen Akt nicht zu erkennen, daß sie eine derartige Prüfung vorgenommen hat. Die lapidare Bemerkung in der Stellungnahme vom 17. November 1993, daß keine über das Asylverfahren hinausgehenden Refoulementgründe vorgebracht worden seien, geht insoweit ins Leere, als speziell die vom Beschwerdeführer behauptete Tätigkeit für die PKK zwar nicht zur Asylgewährung führen muß, sehr wohl aber bei der Prüfung von Abschiebungshindernissen eine Rolle spielt. Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ konnte im Hinblick auf die kurze Entscheidungsfrist des §52 Abs2 Z2 FrG (eine Woche) diesbezüglich lediglich eine Grobprüfung vornehmen. Im anhängigen Beschwerdeverfahren ist es nicht unwahrscheinlich, daß der Fremde in der Türkei, wohin er abgeschoben werden soll, zumindest einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe unterworfen werden könnte und deshalb ein Abschiebungshindernis gemäß §37 Abs1 FrG vorliegt. Ein zuverlässigeres Ergebnis könnte nur im Wege eines einläßlicheren und längeren Ermittlungsverfahrens erzielt werden, dessen Durchführung die belangte Behörde verabsäumt hat. Die weitere Anhaltung des Fremden wäre daher unter Berücksichtigung der Sachlage und der Ermittlungsergebnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde auch wegen eines bestehenden Abschiebungshindernisses rechtswidrig.

 

Es war daher jedenfalls festzustellen, daß (zum Zeitpunkt der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ) die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

 

Die Schubhaft ist gemäß §49 Abs1 Z2 FrG durch Freilassung des Fremden formlos aufzuheben.

 

Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz war abzuweisen, weil gemäß §79a AVG iVm §52 Abs2 FrG (eine andere Kostenersatzbestimmung kommt im gegenständlichen Verfahren nicht in Betracht) nur die obsiegende Partei Anspruch auf den Ersatzes der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten hat.

 

Der Beschwerdeführer hat keine Kosten geltend gemacht.

 

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß §52 Abs2 Z1 FrG unterbleiben, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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