TE UVS Stmk 1993/11/24 UVS 30.11-48/93

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Veröffentlicht am 24.11.1993
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied

Dr. Gerhard Wittmann über die Berufung des Herrn N K, wohnhaft G-straße 6, D, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft

Deutschlandsberg, vom 29.10.1992, GZ.: 1992/933, nach einer am 24.11.1993 durchgeführten öffentlichen, mündlichen

Verhandlung, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Text

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 29.10.1992 wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe es als Verantwortlicher am 27.5.1992 auf der Baustelle Dacheindeckung Einspinnergasse in Graz, unterlassen, dafür Sorge zu tragen, daß für die beiden Arbeitnehmer T und W Schutzblenden (Scheuchen) vorhanden gewesen wären. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung gemäß § 44 Abs 2 Bauarbeiterschutzverordnung (BASchVO) begangen und wurde über ihn eine Geldstrafe von

S 10.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 10 Tage Ersatzarrest) verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis brachte der Berufungswerber fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein und führte im wesentlichen aus, daß er seinen beiden Arbeitnehmern ausdrücklich den Auftrag gegeben habe, Gurten anzulegen sowie Schutzscheuchen, soweit es notwendig gewesen sei, zu errichten. Es sei auch festgestellt worden, daß Gurten und Scheuchen auf der Baustelle vorhanden gewesen wären. Zum Zeitpunkt, als der Arbeitsinspektor seine Kontrolle durchgeführt habe, habe gerade eine Arbeitsverlagerung am Dach stattgefunden. Auch habe der Arbeitsinspektor dem Arbeiter W an Ort und Stelle eine Verwarnung erteilt und ihm mitgeteilt, daß keine Anzeige erstattet werde. Abschließend ersuchte der Berufungswerber von einer Bestrafung Abstand zu nehmen. Am 24.11.1993 fand im Beisein des Berufungswerbers, eines Vertreters der belangten Behörde sowie eines Vertreters der mitbeteiligten Partei (AI Leoben) eine öffentliche, mündliche Berufungsverhandlung statt, in deren Verlauf Ing. K G, F W und M T als Zeugen einvernommen wurden. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist von folgender Sach- und Rechtslage auszugehen:

Vom Frühjahr 1992 bis Herbst 1992 führte das Unternehmen des Berufungswerbers Dacheindeckungs- und Spenglerarbeiten in der Einspinnergasse in Graz durch. An dieser Baustelle wurde, abgesehen von kürzeren Unterbrechungen, fast ständig gearbeitet. Mit den Arbeiten waren die beiden Arbeitnehmer F W und M T betraut. Ungefähr einmal pro Woche wurde vom Berufungswerber oder seinem Vertreter Herrn L eine Baustellenkontrolle durchgeführt.

Am 27.5.1992 sah der Arbeitsinspektor K G von seinem Büro am Opernring 2 aus, auf der Hofseite des in einer Entfernung von ca. 200 m befindlichen, gegenüberliegenden Hauses in der Einspinnergasse auf dem Dach 2 Arbeitnehmer. Unter dem Dach befand sich ein Balkon, der mit einem Gerüst versehen war. Dieses Gerüst ging jedoch nicht über die gesamte Breitseite des Daches, sodaß ein Bereich von 1 bis 1 1/2 m bei der Breitseite der Dachfläche übrigblieb, der nicht gesichert war. Der Arbeitsinspektor ging dann von seinem Büro hinüber zum Haus in der Einspinnergasse und zu den beiden Arbeitnehmern aufs Dach. Die beiden Arbeitnehmer F W und M T waren in der Nähe eines Dachflächenfensters gerade dabei, neben dem Fenster aufgeschlichtete Ziegel hinter das Dachflächenfenster zu stapeln. Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden Arbeitnehmer am Dach abgegurtet und die Gurte lagen neben ihnen. Diesbezüglich wurden F W und M T vom Arbeitsinspektor zunächst mündlich abgemahnt. Eine schriftliche Abmahnung an die beiden Arbeitnehmer erging mit Schreiben vom 1.6.1992. Der Arbeitsinspektor fertigte am Dach dann noch ein Lichtbild an und nachdem er in sein Büro zurückgekehrt war, machte er von seinem Büro aus noch ein Photo von der gegenüberliegenden Dachfläche des Hauses in der Einspinnergasse.

Die beiden vom Arbeitsinspektor angefertigten Photos befinden sich im Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde. Auf den Photos erkennt man, daß sich unter dem Dach ein Balkon befindet, der eingerüstet ist. Dieses Gerüst erstreckt sich nicht über die gesamte Breitseite des Daches, sodaß ein schmaler Bereich von ca. 1 m ungesichert ist. Dieser schmale Bereich ist bereits eingedeckt.

Im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren war die Frage zu klären, ob die beiden Arbeitnehmer W und T am 27.5.1992 sich nur in dem abgesicherten Bereich der Dachfläche oder auch in dem nicht gesicherten schmalen Bereich der Dachfläche aufhielten. Der Zeuge F W gab an, daß die Dachziegel in dem schmalen, nicht gesicherten Bereich bereits 2 bis 3 Wochen vor dem Tag der Kontrolle durch den Arbeitsinspektor verlegt worden seien. Am Tag der Kontrolle seien sie nur in dem gesicherten Bereich der Dachfläche damit beschäftigt gewesen, Ziegel umzuschlichten. Der Zeuge M T konnte sich nicht mehr genau erinnern, wann der schmale nicht gesicherte Bereich eingedeckt wurde, gab aber wie sein Kollege W an, daß sie am 27.5.1992 im gesicherten Bereich damit beschäftigt waren, Ziegel umzuschlichten. Beide Arbeitnehmer gaben auch übereinstimmend an, daß sich am Tag der Kontrolle durch den Arbeitsinspektor auch Arbeitern anderer Firmen, insbesondere Maurer, und Arbeiter der Firma, die dort Zimmermannsarbeiten verrichteten, aufgehalten hätten. Der Arbeitsinspektor Ing. G konnte sich bei der Berufungsverhandlung am 24.11.1993 nicht mehr detailliert an seine Kontrolle am 27.5.1992 erinnern. Er führte aber aus, daß, wenn er die beiden Arbeitnehmer nicht im ungesicherten Bereich der Dachfläche wahrgenommen hätte, er keine Anzeige erstattet hätte.

Die beiden Arbeitnehmer F W und M T machten bei ihrer Zeugeneinvernahme am 24.11.1993 einen durchaus glaubwürdigen Eindruck. Der Arbeitsinspektor seinerseits konnte sich bei seiner Zeugeneinvernahme nicht mehr an die Einzelheiten seiner Kontrolle am 27.5.1992 erinnern. Während die beiden Arbeitnehmer W und T angaben, der Arbeitsinspektor wäre zu ihnen aufs Dach hinausgestiegen, gab der Arbeitsinspektor Ing. G an, daß er die beiden Arbeitnehmer vom Dach hereingeholt habe. Verwunderlich ist auch, daß der Arbeitsinspektor im Zuge seiner Kontrolle die beiden Arbeitnehmer nicht mit dem Vorwurf konfrontierte, sie hätten Arbeiten in einem Bereich der Dachfläche durchgeführt, der nicht gesichert gewesen sei. Außerdem kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich zum Zeitpunkt, als der Arbeitsinspektor von seinem Büro aus in einer Entfernung von ca. 200 m auf dem Dach in der Einspinnergasse 2 Personen sah, diese von anderen Firmen waren.

Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren bestehen erhebliche Zweifel darüber, ob die beiden Arbeitnehmer F W und M T am Tag der Kontrolle durch den Arbeitsinspektor am 27.5.1992 tatsächlich Dacheindeckungsarbeiten in einem nicht gesicherten Bereich der Dachfläche durchführten. Da somit die dem Berufungswerber vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden konnte, war der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren gegen den Berufungswerber gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

Schlagworte
Beweiswürdigung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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