TE UVS Stmk 1993/12/16 UVS 30.12-134/93

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.1993
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied

Dr. Wigbert Hütter über die Berufung des Herrn R J, vertreten durch Dr. Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Plankengasse 2, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 24.2.1993, GZ.:

15.1 Jöb 86/92-1, ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wie folgt entschieden:

Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) Folge gegeben,

das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg hat den nunmehrigen Berufungswerber im Straferkenntnis vom 24.2.1993 beschuldigt, gemäß § 20 Lebensmittelgesetz 1975 (im folgenden LMG) als derjenige, der Lebensmittel in Verkehr gebracht habe, dafür verantwortlich zu sein, daß am 9.9.1991 im ÖBB-Zug Dachstein

im Kühlschrank bei einer Temparatur von 14 Grad Celsius gelagert worden sei und daß von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Innsbruck, laut Gutachten U-5716/91 festgestellt worden sei, daß die Lagertemparatur eine hygienisch nachteilige Beeinflussung der Frankfurter darstelle. Er habe § 20 LMG 1975 verletzt.

Es wurde über ihn gemäß § 74 Abs 5 Z 3 LMG eine Geldstrafe von S 500,-- (12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt und ihm darüber hinaus die Bezahlung der Untersuchungskosten der Bundesanstalt der Lebensmitteluntersuchung in Innsbruck in Höhe von S 1.670,-- auferlegt.

Dagegen wurde vom Berufungswerber durch seinen Vertreter das Rechtsmittel der Berufung eingebracht und zur Begründung ausgeführt, daß alleine schon durch die Verpackung eine hygienisch nachteilige Beeinflussung der Frankfurter ausgeschlossen sei. Durch die Verpackung sei das Lebensmittel vor hygienisch nachteiligen Einwirkungen, wie Schmutz, geschützt. Die konstante Temparatur von 14 Grad Celsius verhindere einen Verderb der Frankfurter durch Wärmeeinfluß. Für die technische Ausstattung, Wartung und Instandhaltung gemäß den Bestimmungen der zwischen der ISTG (Internationale Schlafwagen- und Touristik- Gesellschaft, Aktiengesellschaft) und den ÖBB, seien die ÖBB allein verantwortlich. Die ÖBB stellten die technischen Einrichtungen, wie Kühlschrank und Buffetwagen zur Verfügung und seien auch für deren Funktionieren verantwortlich.

Weiters wurde vorgebracht, daß von ihm die beanstandeten Frankfurter gar nicht in Verkehr gebracht worden seien (ohne näher auszuführen, was damit gemeint sei). Als Beweis werden der Bewirtschaftungsvertrag, Herr E E von der Internationalen Schlafwagen- und Touristik-Gesellschaft als Zeuge sowie die Parteieneinvernahme beantragt.

Da im gegenständlichen Fall bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, war keine öffentliche mündliche Verhandlung im Sinne des § 51e Abs 1 VStG anzusetzen.

Bei der Beurteilung des Sachverhaltes und der Rechtsfrage wird im gegenständlichen Fall von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Nach dem mit "Hygiene im Lebensmittelverkehr" überschriebenen § 20 LMG hat derjenige, der Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit das nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist. Nach dem ersten Absatz des mit "besondere Fälle der Verantwortlichkeit" überschriebenen

§ 9 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen, und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Der Berufungswerber war zum Tatzeitpunkt, dem 9.9.1991, als Kellner im Speisewagen

Nr. 305 des Zuges "Dachstein" der ÖBB beschäftigt. Der Speisewagen wurde von der "Wagons-Lits Bahnservice", das ist die "Compagnie Internationale des Wagons-Lits et du Tourisme Societe anonyme" (Internationale Schlafwagen- und Touristik-Gesellschaft, Aktiengesellschaft), Zweigniederlassung Wien, betrieben.

Die Tathandlung, nämlich die Kühlung von Frankfurtern bei einer Temparatur von nur 14 Grad Celsius und damit die hygienisch nachteilige Beeinflußung dieser Frankfurter wurde dem Berufungswerber als demjenigen zur Last gelegt, der Lebensmittel in Verkehr bringt, im Sinne des § 20 LMG. Kommen Verwaltungsübertretungen im Bereich von juristischen Personen vor, so trifft die verwaltungsstrafrechtliche Haftung grundsätzlich den zur Vertretung nach außen Berufenen, das ist bei einer Aktiengesellschaft, der Vorstand. Aus dem Auszug des Firmenbuches

Nr. 29252 des Handelsgerichtes Wien über die Internationale Schlafwagen- und Touristik-Gesellschaft, Aktiengesellschaft, wird festgestellt, daß der Berufungswerber dem Vorstand dieser Gesellschaft nicht angehört.

Nach dem Abs 2 des § 9 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten zu bestellen.

Nach dem 4.) Abs des § 9 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Laut Schreiben der "Wagons-Lits" vom 28.10.1993, wird jeder Mitarbeiter anläßlich der Einstellung auf die Übernahme der Verantwortung für seinen Bereich hingewiesen, was auch im vorliegenden Fall geschehen sei. Schriftliche Unterlagen hiezu seien nicht üblich. Da es somit an der erforderlichen schriftlichen Zustimmung des Bestellten im gegenständlichen Fall fehlt, liegt keine wirksame Bestellung des Berufungswerbers zum verantwortlichen Beauftragten unter Ausschluß der Haftung der zur Vertretung nach außen Berufenen vor.

Eine verwaltungsstrafrechtliche Haftung darüber hinaus ist nur denkbar, sofern die Verwaltungsvorschriften etwas anderes bestimmen. Dies ist jedoch im Bereich des Lebensmittelrechtes nicht der Fall. Laut Vwslg. 12.251A/1986, bietet seit Inkrafttreten der Novelle BGBl. 1983/176 zu § 9 VStG am 1.4.1983 das LMG keine Grundlage dafür, Dienstnehmer juristischer Personen, die in deren Namen und Auftrag handeln, unmittelbar und ohne Heranziehung des § 9 VStG für im Betrieb des Unternehmens gesetzte Delikte verwaltungsstrafrechtlich heranzuziehen. Eine verwaltungsstrafrechtliche Haftung des Berufungswerbers aufgrund des § 20 LMG unmittelbar ist daher nicht möglich. Da der Berufungswerber aber, wie bereits ausgeführt, weder dem Vorstand der Internationalen Schlafwagen- und Touristik Gesellschaft, Aktiengesellschaft, angehört, noch von dieser Gesellschaft zum verantwortlichen Beauftragten bestellt wurde, fehlt auch jede Rechtsgrundlage, ihn für die Tat haftbar zu machen, die ihm von der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg mit Straferkenntnis vom 24.2.1993 vorgeworfen wurde.

Hat aber der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen, so hat gemäß § 45 Abs 1 Z 2 die Behörde von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen.

Gemäß § 25 Abs 2 hat die Berufungsbehörde die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.

Aus den angeführten Gründen war somit der Strafbescheid der ersten Instanz zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Schlagworte
Verantwortlichkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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