TE UVS Wien 1993/12/29 07/21/1082/93

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Veröffentlicht am 29.12.1993
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat über die Berufung des Herrn Manfred R, pA N GesmbH & Co KG, Wien, P-gasse, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratischen Bezirksamt für den 4./5. Bezirk, vom 11.10.1993, Zl MBA 4/5 - S 497/91, wegen Verwaltungsübertretung gemäß §74 Abs2 Z1 in Verbindung mit §§7 Abs1 litb und 8 litg des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl Nr 86/1975, in der geltenden Fassung entschieden:

Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung in der Schuldfrage keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. In der Straffrage jedoch wird der Berufung Folge gegeben und das Straferkenntnis diesbezüglich insofern geändert, daß der Strafausspruch zu lauten hat:

"Gemäß §21 Abs1 VStG wird wegen dieser Verwaltungsübertretung von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung ausgesprochen."

Damit entfällt der erstinstanzliche Strafkostenbeitrag. Der Berufungswerber hat daher gemäß §65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

Das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk, vom 11.10.1993, Zl MBA 4/5 - S 497/91, hat folgenden Spruch:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufenes Organ der

N GesellschaftmbH, die Komplementär der Großkonditorei

N GesmbH & Co KG ist, in Wien, P-gasse, zu verantworten, daß diese Gesellschaft die am 28.8.1991 erzeugten Lebensmittel 1.) "Egerländer" und 2.) "Mohnschlingen" am 29.8.1991 im Betrieb gelagerten und entgegen des Verbotes des Inverkehrbringens von Lebensmitteln und Verzehrprodukten, die wertgermindert sind, ohne daß dieser Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist, in Verkehr gebracht.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§74 Abs2 Z1 in Verbindung mit §§7 Abs1 litb und 8 litg des Lebensmittelgesetzes, 1975, BGBl Nr 86/1975 in der geltenden Fassung.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

2 Geldstrafen von je S 1.000,--, ds zusammen S 2.000,--, falls diese uneinbringlich sind, Ersatzfreiheitsstrafen von je 1 Tag gemäß §74 Abs2 leg cit. Ferner haben Sie gemäß §64 des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG, in der geltenden Fassung, zu zahlen:

Je S 100,--, ds zusammen S 200,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe.

Schilling ad 1) 1.830,--, ad 2) 400,-- als Ersatz der Barauslagen für die amtlichen Untersuchungszeugnisse.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe, Kosten, Barauslagen) beträgt daher S 4.430,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerechte Berufung des Beschuldigten, in welcher dieser im wesentlichen ausführt, daß die Beanstandung auf eine subjektive Meinung des amtlichen Verkosters zurückzuführen sei und daß eine angebliche Wertminderung für ihn und seine Kunden nicht erkennbar gewesen sei.

Unbestritten ist, daß der Berufungswerber die am 28.8.1991 erzeugten Lebensmittel: "Egerländer" und "Mohnschlingen" am 29.8.1991 im Betrieb "N Karl Groß-Konditorei, Wien, P-gasse gelagert und in Verkehr gebracht hat.

Von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung wurde zur Zahl U: 18639/91, Probenbezeichnung 104/FF 162,

Abteilung 5, bezüglich der Probenbezeichnung: "Egerländer" nach

Befundaufnahme folgendes Gutachten erstellt:

"Gutachten

Die gegenständliche Probe weist Geschmacksmängel auf. Sie ist daher in ihrem Wert erheblich gemindert, jedoch noch nicht verdorben.

Die Probe ist daher nach den Begriffsbestimmungen des §8 litg LMG 1975 als wertgemindert zu beurteilen und unterliegt somit dem Verbot des §7 Abs1 litb"

Hinsichtlich des Untersuchungspunktes: "Geschmack" wird im Befund

folgendes angeführt:

"Geschmack: Teigmasse: mäßig süß, nach Hefeteig

Mohnfülle: süß, leicht kratzend

Topfenfülle: süß, leicht nach Topfen

Marmelade: süß, säuerlich, nach Powidl"

Weiters wurde von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung zur Zahl U: 18643/91, Probenbezeichnung 104/FF 166,

Abteilung 5, bezüglich der Probenbezeichnung: "Mohnschlingen" nach

Befundaufnahme folgendes Gutachten erstellt:

"Gutachten

Die Fülle der gegenständlichen Probe weist Geschmacksmängel auf. Sie ist daher in ihrem Wert erheblich gemindert, jedoch noch nicht verdorben.

Die Probe ist daher nach den Begriffsbestimmungen des §8 litg LMG 1975 als wertgemindert zu beurteilen und unterliegt somit dem Verbot des §7 Abs1 litb"

Hinsichtlich des Untersuchungspunktes: "Geschmack" wird im Befund

folgendes angeführt:

"Geschmack: Teigmasse: mäßig süß, nach Hefeteig

Fülle: leicht kratzend, leicht bitter, nach Mohn

weißliche Masse: süßlich"

In einer auf Grund des Einspruches von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung eingeholten Stellungnahme heißt es:

"Die beiden Proben UZ18639/91 "Egerländer" und UZ18643/91, "Mohnschlingen", wurden aufgrund von Geschmacksmängeln (Mohnfülle: leicht kratzend) als wertgemindert beurteilt.

Backwaren, deren Mohnfülle leicht kratzende Geschmackseigenschaften aufweisen, entsprechen nicht der berechtigten Verbrauchererwartung.

Der bei den beiden gegenständlichen Proben in der Fülle festgestellte leicht kratzende Geschmack ist - wie aus der Literatur bekannt - auf eine Veränderung des Mohn (des in diesem enthaltenen Öls) zurückzuführen (siehe beiliegende Kopie aus dem Handbuch der Lebensmittelchemie, Schormüller, Seite 862)."

In dieser zitierten Stelle findet sich die Tabelle 146, Skala zur Bezeichnung des Verdorbenheitsgrades von Fetten. Speiseöl mit schwach kratzigem Beigeschmack, Zahlenwert 6, wird in der allgemeinen Skala als "schwach ranzig, von einigen, aber nicht allen Prüfern erkennbar" bezeichnet.

Auf Grund der oben zitierten Gutachten der Bundesprüfanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung, der der Berufungswerber nicht auf gleicher fachlicher Ebene - etwa durch ein privates Gegengutachten - entgegengetreten ist, war die dem Berufungswerber angelastete Tat als erwiesen anzusehen, weshalb der Berufung in der Schuldfrage keine Folge zu geben und der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen war.

Gemäß §21 Abs1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf sein Verhalten mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Entscheidend für das Vorgehen nach §21 Abs1 VStG war für den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien der Umstand, daß selbst nicht von allen amtlichen und geschulten Prüfern Öl mit schwach kratzigem Beigeschmack festgestellt werden kann (siehe die oben zitierte Stelle aus dem "Handbuch der Lebensmittelchemie"). Weiters handelt es sich hiebei um die Qualifizierung von Speiseölen auf ihren Verdorbenheitsgrad. Ist schon ein schwach ranziges Speiseöl nur von einigen, aber nicht von allen Prüfern erkennbar, so muß dies umso mehr für das im Mohn enthaltene Fett gelten. Wenngleich auch der Berufungswerber - nach seinen eigenen Angaben - mehr als 20 Jahre Geschäftspraxis aufweist und in der Woche ca 100 kg Mohn von verschiedenen Lifereanten verarbeitet und er die angelieferte Ware persönlich auf ihre gute Beschaffenheit hin untersucht und verkostet, wenngleich dem Berufungswerber daher eine große Erfahrung zuzubilligen ist, kann dennoch im gegenständlichem Fall auf Grund der Schwierigkeit des Erkennens von geringfügigen Geschmacksabweichungen des Mohnes nur von einem äußerst geringfügigen Verschulden gesprochen werden, welches die bloße Erteilung einer Ermahnung gerechtfertigt.

Da auch die angelastete Übertretung keine weiteren oder nachteiligen Folgen nach sich gezogen hat - so waren die geringfügigen Geschmacksabweichungen für einen ungeschulten, "normalen" Konsumenten wohl kaum wahrnehmbar und befand sich außerdem der überprüfte Betrieb "zum Zeitpunkt der Revision in hygienischer Hinsicht in einem sehr guten Zustand" und traten daher keine gesundheitlichen Risiken für die Konsumenten auf - wurde von der Verhängung einer Strafe abgesehen.

Schlagworte
Wertgeminderte Lebensmittel, wertgeminderte Verzehrprodukte, ranziges Öl, Mohn, Ermahnung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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