TE UVS Stmk 1994/01/28 UVS 20.3-5/93

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Veröffentlicht am 28.01.1994
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Einzelmitglied Dr. Erich Kundegraber über die am 22.6.1993 eingelangte Beschwerde, des Herrn Ing. M G, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 88 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz (im folgenden SPG), wie folgt entschieden:

Die am 9.6.1993 um 07.00 Uhr vorgenommene Festnahme des Beschwerdeführers in St, Zufahrtsstraße zur Baustelle "Wanne-St" durch einen Gendarmeriebeamten im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Liezen war rechtswidrig.

Text

I.1.In der Beschwerde vom 22.6.1993 in Verbindung mit dem Mängelbehebungsauftrag gemäß § 88 Abs 5 SPG vom 18.8.1993 wird vorgebracht, daß die Festnahme am 9.6.1993 um 07.00 Uhr in St, Zufahrsweg zum Baustellenbereich "Wanne-St", rechtswidrig gewesen sei. Begründet wird dies damit, daß es keiner Festnahme bedurft hätte, um den Beschwerdeführer zum Verlassen der Sperrzone zu bewegen. Eine Aufforderung, den Platz zu verlassen, hätte der Beschwerdeführer - der kurz vor 07.00 Uhr auf die Zufahrtsstraße gelangte - nicht wahrgenommen.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Liezen als belangte Behörde legte den Verwaltungsstrafakt sowie die Verordnung vom 7.6.1993, GZ.: 2.1-V3-93 vor, wonach ein Platzverbot an der E-Trasse B146 im Bereich Baukm 53,770 bis 55,000, Wanne-St,

Gemeindegebiet St erlassen wurde. Eine weitere Stellungnahme wurde nicht abgegeben.

II.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat am 2.12.1993 in Anwesenheit des Beschwerdeführers, des Vertreters der belangten Behörde und der Zeugen eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt. Auf Grund dieser Verhandlung und nach dem Inhalt der folgenden Verwaltungsakten wurde nachfolgender Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer war am 9.6.1993 um ca. 06.55 Uhr am Baustellenbereich "Wanne-St" und ist die Zufahrtsstraße entlanggegangen. Zum Zeitpunkt der Festnahme befand sich der Beschwerdeführer zwar nicht auf der Zufahrtsstraße, jedoch noch im Sperrgebietsbereich des in der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Liezen genannten Gebietes. Um 07.00 Uhr wurde der Beschwerdeführer daraufhin von Revier Inspektor P F festgenommen. Nach einer Perlustrierung wurde der Beschwerdeführer zu einem Sammelpunkt gebracht und sodann mit einem Bus der Exekutive in die Bezirkshauptmannschaft Liezen gebracht.

Der Zeuge Major G T gab an, daß er mittels Megaphon am 9.6.1993 um 06.30 Uhr die widerrechtlich an der Zufahrtsstraße stehenden Personen aufforderte, das Sperrgebiet zu verlassen, widrigenfalls behördliche Befehls- oder Zwangsgewalt angedroht wurde. Diese Aufforderung wurde 5 Minuten später wiederholt, nachdem eine weitere Aufforderung von den Demonstranten ignoriert wurde, wiederholte er um 06.45 Uhr wiederum die Aufforderung und gab an, daß infolge einer Mißachtung der Aufforderung es zu einer Festnahme kommen würde. Unmittelbar danach wies er die Exekutivbeamten an mit den Festnahmen zu beginnen.

2. Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die im wesentlich übereinstimmenden Aussagen der Zeugen, sowie dem der Behörde bekannten Inhalt des Verwaltungsstrafaktes. Die Behörde gelangte zur Überzeugung, daß der Beschwerdeführer sehrwohl - entgegen seiner Auffassung - im Sperrgebietsbereich festgenommen wurde, da hier der Aussage des Zeugen Revier-Inspektor P F gefolgt wird, dem es als geschulten Exekutivorgan zumutbar war, festzustellen, ob sich der Beschwerdeführer noch im Sperrgebiet befunden hat oder nicht. Der Beschwerdeführer selbst kann nicht dezidiert ausschließen, ob er sich noch innerhalb oder außerhalb des Sperrgebietes befunden hat.

III. Die Rechtsbeurteilung ergibt folgendes:

1. Gemäß § 88 Abs 1 SPG erkennen die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art. 129a Abs 1 Z 2 B-VG). Gemäß Abs 4 leg. cit. entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat über Beschwerden gemäß Abs 1 leg. cit. durch eines seiner Mitglieder. Im übrigen gelten die §§ 67c bis 67g AVG.

Gemäß § 67c Abs 1 AVG erfolgte die Festnahme am 9.6.1993 und langte die Beschwerde beim Unabhängigen Verwaltungssenat am 22.6.1993 ein, ebenso wurde dem Mängelbehebungsauftrag gemäß § 88 Abs 5 SPG rechtzeitig entsprochen, sodaß die Beschwerdefrist gewahrt ist. Auch die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark ist gegeben, da die Festnahme im Sprengl der Bezirkshauptmannschaft Liezen veranlaßt wurde.

2. Gemäß § 36 Abs 1 SPG hat die Sicherheitsbehörde das Betreten des Gefahrenbereiches und den Aufenthalt in ihm mit Verordnung zu verbieten und die Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, es werde an einem bestimmten Ort eine allgemeine Gefahr für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen oder für Eigentum oder Umwelt in großem Ausmaß entstehen.

Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 7.6.1993, GZ.: 2.1-V3-93 hat nachfolgenden Wortlaut:

Gemäß § 36 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz 1991, BGBl. Nr. 566, werden zur Abwehr allgemeiner Gefahren für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen bzw. für Eigentum oder Umwelt in großem Ausmaß folgende sicherheitspolizeiliche Maßnahmen angeordnet:

§ 1

Das Betreten und der Aufenthalt auf dem durch einen Gitterzaun sichtbar gekennzeichneten Baustellenbereich "Wanne St" sowie 2 m vor diesem Baustellenbereich, der mit Verordnung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 7.9.1990, BGBl. Nr. 599/90, gemäß § 4 Abs 1 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. Nr. 286 i.d.g.F., verordneten Straßentrasse und das unbegründete Verweilen auf der Zufahrtsstraße von der

B 146 - Ennstalstraße in Straßenkilometer 4,825, bis zum Baustellenbereich, welche in Bahnkilometer 79,475 die Bahnlinie

B - St kreuzt, wird bis auf Widerruf dieser Verordnung untersagt.

§ 2

Ausgenommen von diesem Verbot des § 1 sind die Bediensteten der mit der Bauausführung betrauten Unternehmen und Subunternehmen, der staatlichen Bauaufsicht, sowie Organe der öffentlichen Sicherheit und durch den Bezirkshauptmann ermächtigte Personen.

§ 3

Personen, die sich auf dem im § 1 genannten Gebiet unbefugt

aufhalten, haben es unverzüglich zu verlassen und mitgebrachte

Gegenstände (Zelte, Verpflegung usw.) mitzunehmen.

§ 4

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes werden ermächtigt, jedermann aus dem im § 1 genannten Gebiet zu weisen. Diese können die ihnen aufgrund dieser Verordnung eingeräumten Befugnisse mit unmittelbarer Zwangsgewalt durchsetzen.

§ 5

Diese Verordnung tritt am 7. Juni 1993 um 16.00 Uhr in Kraft."

Gemäß § 35 Verwaltungsstrafgesetz (im folgenden VStG) dürfen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer den gesetzlich besonders geregelte Fällen, Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn, lit c der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.

Voraussetzung einer Festnahme ist sohin, daß der Betretene trotz Abmahnung nicht sein Verhalten nach außen hin so ändert, daß er sein strafbares Verhalten (Verwaltungsübertretung) aufgibt. Prämisse einer Festnahme ist jedoch das Vorliegen einer Verwaltungsübertretung. Der zugrundeliegenden Verordnung kann jedoch nicht entnommen werden, daß die Nichtbefolgung des Platzverbotes als Verwaltungsübertretung zu gelten hat. Da somit keine strafbare Handlung vorlag, war die Festnahme nach § 35 lit c VStG unzulässig. Auf die Frage, ob die Aufforderung das Sperrgebiet zu verlassen um 06.45 Uhr auch noch eine Festnahme eine viertel Stunde später rechtfertigt, obwohl der Festgenommene möglicherweise die Aufforderung nicht gehört hat, war daher nicht näher einzugehen.

Schlagworte
Demonstration
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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