TE UVS Niederösterreich 1994/01/28 Senat-GF-93-002

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Veröffentlicht am 28.01.1994
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51, Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben.

 

Gemäß §45 Abs1 Z2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52, wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Text

Die Bezirkshauptmannschaft xx hat gegen Herrn Mag J T zur Zl 3-*****-92 das mit 19.11.1992 datierte Straferkenntnis erlassen. Es wird ihm darin zur Last gelegt, er habe am 20.09.1992 gegen 14,25 Uhr, im Ortsgebiet von G***-E********* auf dem J**** R******-R***, der B********gasse und wieder zurück auf die B 3 in Richtung Ortsmitte, den Personenkraftwagen mit dem Kennzeichen W *** AZ gelenkt, obwohl dies aufgrund des angebrachten Vorschriftszeichens "Fahrverbot in beiden Richtungen" mit der Zusatztafel "Sonntag von 05,00 bis 15,00 Uhr, ausgenommen Anrainer" verboten war und die in der Zusatztafel kundgemachte Ausnahmeregelung auf ihn nicht zutraf. Es wurde deshalb gemäß §99 Abs3 lita iVm §52 lita Z1 StVO eine Geldstrafe von S 400,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) verhängt. Begründend wurde zu dieser Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, daß der Bestrafte nicht zu dem Kreis jener Personen gehöre, welchen eine Zufahrtserlaubnis für Anrainer gestattet sei, weshalb unter Beachtung der Strafzumessungsgründe die im Spruch des Straferkenntnisses angeführte Strafe zu verhängen war.

 

Mittels seiner innerhalb offener Frist erhobenen Berufung ficht der Rechtsmittelwerber dieses Straferkenntnis seinem gesamten Inhalte nach an und führt dazu aus, daß in der angefochtenen Entscheidung zunächst richtigerweise die Frage untersucht werde, ob er zum Kreis der zufahrtsberechtigten Personen gehöre oder nicht. Die Erstbehörde führe hiezu aus, daß als Anrainer die Besitzer der neben der Straße befindlichen Liegenschaften anzusehen wären, der Begriff Anrainer umfasse also nicht nur die Eigentümer von Grundstücken entlang des Weges, sondern auch allfällige (Rechts)Besitzer, sodaß außer dem Eigentümer auch jenen Personen die Anrainereigenschaft zuerkannt werden muß, welche an einer dieser Liegenschaften ein Bestandrecht besitzen oder die zur Ausübung des Jagdrechtes an dieser Liegenschaft berechtigt sind. Aus dieser Textstelle, die einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes entnommen sei, werde ohne auf die von ihm vorgelegten und angebotenen Beweismittel einzugehen, in einer logischen Kapriole der Schluß gezogen, daß er eben nicht zum Kreis der zufahrtsberechtigten Personen gehöre. Diese Rechtsansicht der Erstbehörde sei aber unschlüssig und widerspreche im übrigen den von der Behörde selbst angeführten Belegstellen.

 

Er habe während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens nachzuweisen versucht, so etwa durch die Vorlage und das Angebot von Beweismitteln, daß ihm von der Eigentümerin der Liegenschaft Berechtigungen in der Art von Bestandrechten eingeräumt wurden. Wobei er beantrage, falls die vorgelegten Bestätigungen nicht ausreichend sein sollten, die Liegenschaftseigentümerin selbst, die er hiermit als Zeugin namhaft mache, zu dem Inhalt der getroffenen Vereinbarungen einzuvernehmen. Es sei unbestritten, daß die Rechtsbegriffe "Anrainer" sowie "Rechtsbesitzer" und "Bestandnehmer" aus dem Zivilrecht stammten. Ebenso unbestritten sei, daß nach Österreichischem Zivilrecht Vereinbarungen und Verträge, schriftlich, mündlich oder durch schlüssiges Handeln gültig zustande kommen können. Da die Erstbehörde diesem Umstand keinerlei Beachtung schenkte, habe sie das von ihr erlassene Straferkenntnis mit Rechtswidrigkeit belastet. Hinsichtlich der Interpretation der Straßenverkehrsordnung sei er, in Übereinstimmung mit seinen bereits vor der I Instanz getätigten Ausführungen der Meinung, daß es in diesem Fall nicht auf eine enge oder weite Auslegung des Anrainerbegriffes ankomme, sondern ganz einfach auf eine gesetzeskonforme Auslegung.

 

Darüberhinaus sei die Behörde mit keinem Wort auf die subjektive Tatseite (keine Strafe ohne Schuld) sowie auf seine Bedenken hinsichtlich der Verordnung selbst eingegangen. Letztlich wolle er als Milderungs- bzw Entschuldigungsgründe noch anführen, daß die Bestrafung aufgrund einer von ihm getätigten Selbstanzeige erfolgte, die er deshalb erstattete um aufzuklären, ob und inwieweit er Gefahr laufe, jeden Sonntag hunderte Schilling Strafe für notwendige und wirtschaftlich gerechtfertigte Fahrten zu dem angeführten Grundstück bezahlen zu müssen. Auch sei er ein zuverlässiger und rechtstreuer Kraftfahrer, der nunmehr seit 28 Jahren sein Fahrzeug unfall- und praktisch auch straffrei benütze. Ebenso habe die Strafbehörde keine Überlegungen hinsichtlich eines Notstandes angestellt, zumal seine Schwiegermutter damals schwer erkrankt war.

 

Aus all diesen Gründen stelle er den Antrag, der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ möge seiner Berufung Folge geben, das angeführte Straferkenntnis beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

In Anbetracht dieses Berufungsvorbringens wurde vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ am 29. November 1993 eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten.

 

Die hiebei als Zeugin einvernommene Eigentümerin jener Liegenschaft, zu welcher der Berufungswerber zugefahren war, gab hiebei an, sie sei schon seit längerer Zeit - so auch zum Tatzeitpunkt - schwer krank und werde deshalb von ihren Kindern ständig besucht bzw betreut. Sie habe ihren Kindern bzw Schwiegerkindern das Recht eingeräumt, die Fahrzeuge auf ihrem Grundstück neben dem Haus zu parken und ihnen auch einen Schlüssel des Gartentores ausgefolgt. Auf dem hiefür vorgesehenen Platz im Garten würden die Autos dann tatsächlich abgestellt, wobei sich dieser Platz neben einem Schuppen befinde, in welcher Werkzeug für kleinere Reparaturen der Fahrzeuge, sowie Ersatzreifen und dgl aufbewahrt würde. Ihr Schwiegersohn, der nunmehrige Berufungswerber, sei jedenfalls von ihr berechtigt, jederzeit zu ihr in das Haus zu kommen, seinen Wagen auf dem vorgesehenen Abstellplatz abzustellen, sowie die erwähnten Autoreparaturen und Reifenwechsel durchzuführen, ebenso diverse Autoersatzteile (etwa Ersatzreifen) im Schuppen zu lagern.

 

Der Berufungswerber selbst gab zu dieser Aussage der Zeugin keine weitere Erklärung mehr ab, legte aber noch Bestätigungen betreffend den damaligen Gesundheitszustand der Zeugin vor, bzw nochmals eine Kopie der bereits dem erstinstanzlichen Akt beigeschlossenen Bestätigung, laut welcher ihm das Recht eingeräumt wird, die in Rede stehende Liegenschaft jederzeit zu betreten, befahren und für sonstige Zwecke zu nutzen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Ausgehend von diesen Angaben der Zeugin, welche durchaus glaubwürdig sind und der Entscheidung zugrundegelegt werden können, reduziert sich die zu lösende Frage allein darauf, ob der Berufungswerber als "Anrainer" angesehen werden muß und das angebrachte Verbotszeichen Fahrverbot (in beiden Richtungen) mit der Zusatztafel "Ausgenommen Anrainer" für ihn deshalb nicht geltend war.

 

Wie bereits von der Erstbehörde im Straferkenntnis zitiert hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12.09.1980, 807/80 die Definition des Begriffes "Anrainer" nicht nur auf die Eigentümer von Grundstücken entlang des Weges beschränkt, sondern ebenfalls allfällige Rechtsbesitzer einbezogen, sodaß außer dem Eigentümer einer neben der Straße gelegenen Liegenschaft auch jenen Personen die Anrainereigenschaft zuzuerkennen ist, welche an dieser Liegenschaft ein Bestandrecht (Miete oder Pacht) besitzen oder etwa zur Ausübung eines Jagdrechtes auf dieser Liegenschaft berechtigt sind. Eine derartige Einbeziehung von Rechtsbesitzern in den Anrainerbegriff hat aber, wie der VwGH ständig ausspricht (vgl etwa Erkenntnis vom 04.05.1965) nicht in weiter Auslegung dieses Begriffes zu erfolgen, sondern ist die Anrainereigenschaft nach wie vor eng und nicht ausdehnend zu interpretieren.

 

Es läßt sich für den Rechtsstandpunkt des Berufungswerbers, soweit er einen bloßen Krankenbesuch bei seiner Schwiegermutter behauptet, nichts gewinnen, weil der bloße Besuch, sei er auch mit dem Vorbeibringen von Medikamenten oder Mahlzeiten verbunden, keinen Rechtsbesitz an der Liegenschaft vermittelt (vgl zum Begriff "Rechtsbesitz" als Ausübung eines besitzfähigen Rechtes mit dem Willen, es als das eigene zu haben, sowie zum Umstand, daß - da unter Besitz ein Zustand der Innehabung verstanden wird - Rechtsbesitz daher nur bei Rechten in Betracht kommt, die eine dauernde Ausübung gestatten wie Miete, Pacht, Dienstbarkeiten, Pfandrecht, Näher-Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes II-18ff).

 

Anders verhält es sich allerdings mit dem dem Berufungswerber eingeräumten Recht, seinen PKW im Garten, also auf dem Grundstück abzustellen, welches ihm von der Eigentümerin des Grundstückes eingeräumt wurde. Bereits mit der Einräumung dieses Rechtes hat er "Rechtsbesitz" erworben, wozu noch kommt, daß er darüberhinaus noch im Schuppen auf diesem Grundstück Autoteile und Reifen lagern, sowie Reparaturen durchführen darf. Durch dieses zur Verfügung stellen eines Parkplatzes innerhalb des Grundstückes ist er - solange dieses eingeräumte Recht besteht - als "Anrainer" zu qualifizieren, weshalb er den ihm vorgeworfenen Verstoß gegen §52 lita Z1 StVO nicht gesetzt hat.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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