TE UVS Niederösterreich 1994/02/17 Senat-SW-94-406

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Veröffentlicht am 17.02.1994
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Spruch

1.

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG, BGBl Nr 51/1991 insofern Folge gegeben, als Pkt 1 des gegenständlichen Straferkenntnisses hinsichtlich Schuld- und Strafausspruch aufgehoben wird. Hinsichtlich des Pkt 1 wird gemäß §45 Abs1 Z1 des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG, BGBl Nr 52/1991, das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

2.

Hinsichtlich des Pkt 2 wird der Berufung gemäß §66 Abs4 AVG keine Folge gegeben und der Schuld- und Strafausspruch hinsichtlich Pkt 2 vollinhaltlich bestätigt.

 

3.

Dem Beschuldigten wird die vom 20.02.1991, 11,25 Uhr bis 13,15 Uhr erlittene Vorhaft in der Dauer von 1 Stunde und 50 Minuten, dies entspricht einer Geldstrafe von S 77,-- auf die Strafe zu Punkt 2 angerechnet (§19a VStG 1991)

 

4.

Der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens erster Instanz beträgt somit S 100,--.

 

5.

Der Berufungswerber hat dem Land Niederösterreich gemäß §64 VStG S 200,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen 2 Wochen zu bezahlen.

 

Innerhalb gleicher Frist sind die Geldstrafe und die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu bezahlen (§59 Abs2 AVG).

Text

Mit dem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion xx vom 22. Dezember 1993, Zl St ***/91, wurde der Beschuldigte der Übertretung

1.

des §20 Abs2 StVO

2.

des §16 Abs1 litd StVO für schuldig befunden

und über ihn gemäß §99 Abs3 lita StVO

 

zu Pkt 1 eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag)

zu Pkt 2 eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag) verhängt, weil er am 20.02.1991 um 11,20 Uhr in xx-K********, K********** Straße

Nr ***, als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen ***-***

 

1.

die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um ca 20 km/h überschritten und

2.

ein Fahrzeug auf einem deutlich gekennzeichneten Schutzweg überholt hat.

 

Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz wurde gemäß §64 VStG mit 10 % der verhängten Strafe, sohin mit S 150,-- festgesetzt. Desweiteren wurde dem Beschuldigten die vom 20.02.1991, 11,25 Uhr bis 13,15 Uhr erlittene Vorhaft in der Dauer von 1 Std u 50 min, dies entspricht einer Geldstrafe von S 77,-- auf die Strafe zu Pkt 1 angerechnet

(§19a VStG 1991).

 

Die Bundespolizeidirektion xx begründet ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen aufgrund der glaubwürdigen Aussagen des Meldungslegers als erwiesen anzusehen sei. Bei der Strafbemessung wertete die Bundespolizeidirektion xx weder mildernde noch erschwerende Umstände.

 

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung des Beschuldigten, in welcher er ausführt, daß die erkennende Behörde unterlassen hätte auch nur in irgendeiner Form darzutun, aufgrund welcher objektiver Kriterien eine Geschwindigkeit von 70 km/h festgestellt werden konnte. Er hätte damals eine Geschwindigkeit von lediglich von 40 km/h eingehalten, habe daher ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen. Desweiteren sei keineswegs konkretisiert worden, wo sich der fragliche Schutzweg befunden habe, welchen er während des Überholvorganges überfahren hätte.

 

Er beantrage daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn einzustellen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich hat in Entsprechung des §51e VStG am 16. Februar 1994 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, bei welcher der Zeuge Rev Insp F F einvernommen wurde. Der Vertreter des Beschuldigten blieb der Verhandlung unentschuldigt fern, der Beschuldigte selbst entschuldigte sein Fernbleiben mit einer Grippe.

 

Rev Insp F F, gab zeugenschaftlich befragt zu dem Vorfall an, daß er damals in der K********** Straße, auf Höhe des Hauses Nr *** aus seinem Dienstauto ausgestiegen sei, als er bemerkt hätte, daß ein Fahrzeug, welches sich aus Richtung xx näherte, auf dem auf Höhe des Hauses Nr *** befindlichen Schutzweg ein vor ihm fahrendes Fahrzeug überholte. Das überholte Fahrzeug habe etwa eine Geschwindigkeit von 50 km/h eingehalten, der überholende PKW, welcher ein ungarisches Kennzeichen aufgewiesen hätte, wäre etwa mit 70 km/h gefahren. Der Überholvorgang des ungarischen PKW sei erst nach dem Schutzweg abgeschlossen gewesen. Er habe dann den ungarischen PKW auf Höhe des Hauses mit der Nr *** angehalten. Die Entfernung von seinem Standort aus bis zum Schutzweg habe in etwa 100 m bis 150 m betragen. Direkt vor dem Schutzweg befinde sich das Hinweiszeichen "Kennzeichnung eines Schutzweges". Die Geschwindigkeit des ungarischen PKWs sei von ihm durch Schätzung ermittelt worden, es sei keine Zeitmessung vorgenommen worden. Er habe die Geschwindigkeit des PKW im Herannahen geschätzt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich hat nachfolgenden Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde gelegt:

 

Herr Dipl Ing M K lenkte am 20. Februar 1991 den PKW mit dem ungarischen Kennzeichen ***-*** in xx-K********, auf der K********** Straße. Auf dem sich auf Höhe des Hauses mit der Nr *** befindlichen Schutzweg überholte er ein vor ihm fahrendes Kraftfahrzeug.

 

 

Der Überholvorgang begann vor und war erst nach dem Schutzweg abgeschlossen. Unmittelbar vor dem Schutzweg befindet sich das Hinweiszeichen "Kennzeichnung eines Schutzweges".

 

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die Angaben des Zeugen Rev Insp F, welcher auf die Berufungsbehörde einen glaubwürdigen Eindruck machte und eine in sich geschlossene und nachvollziehbare Darstellung des Vorfalles abgab.

 

Wie dem Verwaltungsakt zu entnehmen ist, bestritt der Beschuldigte den Überholvorgang nicht, verantwortete sich jedoch damit, daß er den Schutzweg nicht gesehen habe.

Gemäß §16 Abs1 litd StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges auf und unmittelbar vor Schutzwegen, sofern nicht der Verkehr im Bereiche des Schutzweges durch Arm- oder Lichtzeichen geregelt wird, nicht überholen.

 

Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, hat der Beschuldigte den Tatbestand des §16 Abs1 litd StVO in objektiver Hinsicht verwirklicht. Da der Beschuldigte nicht glaubhaft machte, daß ihn an der Verletzung dieser Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, gilt gemäß §5 Abs1 VStG der Tatbestand auch in subjektiver Hinsicht als erfüllt.

Gemäß §20 Abs2 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h fahren, sofern die Behörde nicht eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt.

 

Wie aus der Zeugenaussage des Meldungslegers zu entnehmen ist, erfolgte die Feststellung der Fahrgeschwindigkeit des Beschuldigten durch Schätzen im Herannahen. Den verkehrsgeschulten Sicherheitsorganen der Polizei- und Gendarmerie ist ein - wenn auch nur im Schätzungswege gewonnenes - Urteil darüber zuzubilligen, ob ein Fahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit in erheblichen Maß überschritten hat, dies allerdings nur dann, wenn das Fahrzeug an dem Straßenaufsichtsorgan vorbeifährt. Für eine verläßliche Geschwindigkeitsschätzung lediglich im Herannahen, wie sie der Meldungsleger durchführte, ist es erforderlich, daß besondere Umstände hinzutreten, wie etwa eine wesentlich längere Beobachtungsstrecke oder eine wesentlich höhere Differenz zwischen der geschätzten und der höchstzulässigen Geschwindigkeit. Da wie vom Meldungsleger ausgesagt, die Geschwindigkeit im Herannahen geschätzt wurde, desweiteren die von ihm beobachtete Strecke lediglich ca 100 m bis 150 m betragen hat, und die vom Meldungsleger angegebene Geschwindigkeitsüberschreitung lediglich 20 km/h betragen hat, erscheint die vom Meldungsleger vorgenommene Schätzung der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht mehr verläßlich zu sein. Es konnte daher nicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, daß der Beschuldigte tatsächlich die im Ortsgebiet höchstzulässige Geschwindigkeit überschritt und war gemäß dem Grundsatz in dubio pro reo der Pkt 1 des gegenständlichen Straferkenntnisses aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich einzustellen.

 

Hinsichtlich der Strafbemessung ist folgendes auszuführen:

 

Gemäß §19 VStG ist Grundlage für die Strafbemessung das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Darüberhinaus sind Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen, auf das Verschuldensausmaß Bedacht zu nehmen sowie die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Der 41-jährige Beschuldigte gab seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht bekannt und wurde deswegen sein monatliches Nettoeinkommen mit S 15.000,-- geschätzt.

 

§16 Abs1 litd StVO dient dem Schutze der den auf einem Schutzweg die Fahrbahn überquerenden Verkehrsteilnehmer. Unter Zugrundelegung, daß der verfahrensgegenständliche Schutzweg durch ein Hinweiszeichen gemäß §53 Abs1 Z2a StVO  beschildert ist, der Beschuldigte dennoch auf dem Schutzweg einen Überholvorgang setzte, ist das Verschulden des Beschuldigten als nicht gering anzusehen.

 

Im Hinblick darauf, daß der Beschuldigte durch sein rechtswidriges Verhalten den Schutzzweck der übertretenen Norm des §16 Abs1 litd verletzt hat, der Unrechtsgehalt der Tat nicht unwesentlich ist, der Strafrahmen des zur Last gelegten Deliktes bis zu S 10.000,-- reicht, sowie unter Berücksichtigung general- und spezialpräventiver Erwägungen, erweist sich sich die von der Behörde erster Instanz verhängte Geldstrafe zu Pkt 2 als durchaus tat- und schuldangemessen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §64 Abs2 VStG, wonach als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens 20 % der verhängten Geldstrafe obligatorisch festzusetzen sind.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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