TE UVS Niederösterreich 1994/03/01 Senat-GF-93-003

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Veröffentlicht am 01.03.1994
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51, Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben.

 

Gemäß §45 Abs1 Z2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52, wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Text

Die Bezirkshauptmannschaft xx hat gegen den nunmehrigen Berufungswerber zur Zl 3-*****-92 das mit 19.11.1992 datierte Straferkenntnis erlassen. Es wird ihm darin zur Last gelegt, er habe am 20. September 1992 um 12,00 Uhr, im Ortsgebiet von G***-E********* auf dem J**** R**********, nächst der Kreuzung W*********** in Richtung B*******, den Personenkraftwagen mit dem Kennzeichen W *** ** gelenkt, obwohl dies aufgrund des angebrachten Vorschriftzeichens "Fahrverbot in beiden Richtungen" mit der Zusatztafel "Sonntag von 05,00 bis 15,00 Uhr, ausgenommen Anrainer" verboten war und die in der Zusatztafel kundgemachte Ausnahmeregelung auf ihn nicht zutreffend war. Es wurde deshalb gemäß §99 Abs3 lita iVm §52 lita Z1 StVO eine Geldstrafe in Höhe von S 400,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt. Begründet wurde dieses Straferkenntnis im wesentlichen damit, daß der Beschuldigte nicht zum Kreis jener Personen gehöre, welchen eine Zufahrtserlaubnis für Anrainer eingeräumt sei, weshalb unter Beachtung der Strafzumessungsgründe die im Spruch des Straferkenntnisses angeführte Strafe zu verhängen war.

 

Mit seiner innerhalb offener Frist erhobenen Berufung ficht der Rechtsmittelwerber diese Entscheidung ihrem gesamten Inhalte nach an und führt dazu aus, daß im Straferkenntnis zwar zunächst richtigerweise die Frage untersucht werde, ob er zum Kreis der zufahrtsberechtigten Personen im Bereich des verordneten "Fahrverbotes in beiden Richtungen" gehöre oder nicht. Hiezu führe die Erstbehörde aus, daß als Anrainer die Besitzer der neben der Straße befindlichen Liegenschaften anzusehen wären, der Begriff Anrainer umfasse also nicht nur die Eigentümer von Grundstücken entlang eines Weges, sondern auch allfällige (Rechts)Besitzer, sodaß außer dem Eigentümer auch jenen Personen die Anrainereigenschaft zuerkannt werden muß, die an einer dieser Liegenschaften ein Bestandrecht besitzen oder die zur Ausübung des Jagdrechtes an dieser Liegenschaft berechtigt sind. Aus dieser Textstelle, die einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes entnommen sei, werde ohne auf die von ihm vorgelegten und angebotenen Beweise einzugehen, in einer logischen Kapriole der Schluß gezogen, daß er eben nicht zum Kreis der zufahrtsberechtigten Personen gehöre. Diese Rechtsansicht der Erstbehörde sei aber in sich unschlüssig und widerspreche darüberhinaus den von der Behörde selbst angeführten Belegstellen.

 

Während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens habe er nachzuweisen versucht, etwa durch die Vorlage und das Anbot Beweismittel beizuschaffen, daß ihm von der Eigentümerin der Liegenschaft Berechtigungen in der Art von Bestandrechten eingeräumt worden seien. Hiebei beantrage er, falls die bereits vorgelegten Bestätigungen nicht ausreichend sein sollten, die Liegenschaftseigentümerin als Zeugin zum Inhalt der mit ihm getroffenen Vereinbarungen einzuvernehmen. Es sei unbestritten, daß die Rechtsbegriffe "Anrainer" sowie "Rechtsbesitzer" und "Bestandnehmer" aus dem Zivilrecht stammten, ebenso unbestritten sei, daß nach Österreichischem Zivilrecht Vereinbarungen und Verträge, schriftlich, mündlich oder durch schlüssiges Handeln gültig zustandekommen können. Da die Erstbehörde diesem Umstand keinerlei Beachtung schenkte, habe sie das von ihr erlassene Straferkenntnis mit Rechtswidrigkeit belastet. Hinsichtlich der Interpretation der Straßenverkehrsordnung sei er, in Übereinstimmung mit seinen bereits vor der I. Instanz getätigten Ausführungen der Meinung, daß es in diesem Fall nicht auf eine enge oder weite Auslegung des Anrainerbegriffes ankomme, sondern ganz einfach auf eine gesetzeskonforme Interpretation.

 

Auch sei die Behörde mit keinem Wort auf die subjektive Tatseite (keine Strafe ohne Schuld) sowie auf seine Bedenken hinsichtlich der Verordnung des Fahrverbotes selbst eingegangen. Letztlich wolle er als Milderungs- bzw Entschuldigungsgrund noch anführen, daß die Bestrafung aufgrund der Anzeige eines Gendarmeriebeamten, der nach seiner Ansicht eine unrichtige rechtliche Auffassung vertrat, nach welcher er weder als Anrainer noch als (Zufahrts)Berechtigter angesehen werden könne, erfolgte, weshalb er damit rechnen müsse, jeden Sonntag für notwendige und wirtschaftlich gerechtfertigte Fahrten hunderte Schilling bezahlen zu müssen. Darüberhinaus sei er ein zuverlässiger und rechtstreuer Kraftfahrer, der seit dem Besitz des Führerscheines unfall- und praktisch auch straffrei unterwegs sei. Ebenso habe die Strafbehörde keine Überlegungen hinsichtlich des Vorliegens eines eventuellen Notstandes angestellt, zumal seine Großmutter (die Eigentümerin der Liegenschaft) damals schwer erkrankt war.

 

Aus all diesen Gründen stelle er den Antrag, der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ möge seiner Berufung Folge geben, das angeführte Straferkenntnis beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

Aufgrund dieser Ausführungen im Rechtsmittel wurde vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ am 07.02.1994 eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten.

 

Der als Zeuge einvernommene Meldungsleger gab hiebei auf Befragen an, er habe damals im Bereich des Ortsgebietes G***-E********* Verkehrskontrollen durchgeführt. Den nunmehrigen Berufungswerber hätte er deshalb angehalten, weil sich dieser mit seinem Fahrzeug bereits im Bereich des verordneten Fahrverbotes bewegte. Nach der Anhaltung habe ihm der Berufungswerber erklärt, daß er seiner Meinung nach zufahren dürfe, weil er jedes Wochenende zu seiner Großmutter fahre und daher als Anrainer bezeichnet werden müsse. Nach Beendigung der Verkehrskontrolle habe er dann überprüft, ob der Angehaltene tatsächlich zum Haus seiner Großmutter gefahren war und mußte laut deren Auskunft feststellen, daß er am heutigen Tage noch nicht vorbeigekommen sei. Er habe dann die vorliegende Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft xx gerichtet und könne sich heute nicht mehr erinnern, ob er damals dem Angezeigten auch die Weiterfahrt - also die Zufahrt zum Haus seiner Großmutter - verboten hat.

 

Mit Zustimmung des Berufungswerbers wurde anschließend die von der Eigentümerin der Liegenschaft, Frau H K, im Verfahren gegen Mag J T gemachte Zeugenaussage verlesen. Aus dieser Aussage geht hervor, daß sie dem Berufungswerber das Recht eingeräumt hat, sein Fahrzeug auf ihrem Grundstück zu parken und ihm hiefür auch einen Schlüssel des Tores ausgefolgt hat. Neben dem Abstellplatz befände sich darüberhinaus noch ein Schuppen, in welchem Werkzeug für Reparatur sowie diverse Ersatzteile aufbewahrt würden. Der Berufungswerber sei jedenfalls von ihr berechtigt, jederzeit auf das Grundstück zu kommen, seinen Wagen dort abzustellen und auch Reparaturen- und Instandhaltungsarbeiten, wie Reifenwechsel und dgl durchzuführen.

 

Die Berufung ist begründet.

 

Ausgehend von den Angaben der Grundstückseigentümerin reduzierte sich die entscheidende Frage alleine darauf, ob der Berufungswerber als "Anrainer" angesehen werden muß, und aus diesem Grund das angebrachte Verbotszeichen Fahrverbot (in beiden Richtungen) mit der Zusatztafel "ausgenommen Anrainer" für ihn somit keine Gültigkeit hatte.

 

Wie bereits von der Erstbehörde im Straferkenntnis zitiert, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12.09.1980, 807/80 die Definition des Begriffes "Anrainer" nicht nur auf die Eigentümer von Grundstücken entlang des Weges beschränkt, sondern ebenfalls allfällige Rechtsbesitzer einbezogen, sodaß außer dem Eigentümer einer neben der Straße gelegenen Liegenschaft auch jenen Personen die Anrainereigenschaft zuzuerkennen ist, die an dieser Liegenschaft ein Bestandrecht (Miete oder Pacht) besitzen oder etwa zur Ausübung eines Jagdrechtes auf dieser Liegenschaft berechtigt sind. Eine derartige Einbeziehung von Rechtsbesitzern in den Anrainerbegriff hat aber, wie der Verwaltungsgerichtshof ständig ausspricht (vgl Erkenntnis vom 04.05.1965, ZVR 1966/82) nicht in weiter Auslegung dieses Begriffes zu erfolgen, sondern ist die Anrainereigenschaft nach wie vor eng und nicht ausdehnend zu interpretieren.

 

Aus einem bloßen Krankenbesuch oder dem Vorbeibringen von Medikamenten ließe sich deshalb für den Rechtsstandpunkt des Berufungswerbers zunächst nichts gewinnen, weil damit kein Rechtsbesitz an einer Liegenschaft vermittelt wird (der Begriff "Rechtsbesitz" wird laut Koziol-Welser, Grundriß des Bürgerlichen Rechts II-18 ff, als Ausübung eines besitzfähigen Rechtes mit dem Willen, es als das eigene zu haben, sowie zum Umstand, daß - da unter Besitz ein Zustand der Innehabung verstanden wird - Rechtsbesitz daher nur bei Rechten in Betracht kommt, die eine dauernde Ausübung gestatten (etwa Miete, Pacht, Dienstbarkeiten, Pfandrecht).

 

Anders verhält es sich allerdings mit dem ihm eingeräumten Recht, seinen PKW auf dem Grundstück abzustellen, bzw dort Ersatzteile zu lagern und Reparaturen durchführen zu dürfen. Bereits mit der Einräumung dieses Rechtes hat er "Rechtsbesitz" erworben, und ist durch dieses zur Verfügungstellen eines Abstellplatzes innerhalb des Grundstückes - solange dieses ihm eingeräumte Recht besteht - als "Anrainer" zu qualifizieren, weshalb er den ihm vorgeworfenen Verstoß gegen §52 lita Z1 StVO nicht gesetzt hat.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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