TE UVS Wien 1994/08/08 08/25/645/94

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Veröffentlicht am 08.08.1994
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Frey über die Berufung der Frau Ingrid M gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4 Referat 5 vom 23.2.1994, MA 4/5 - PA 149731/3/6, wegen Übertretung des §1 Abs3 iVm §4 Abs1 Parkometergesetz, LGBl Nr 47/1974, idgF, entschieden:

Gemäß §66 Abs4 AVG wird das angefochtene Straferkenntnis in der Schuldfrage bestätigt.

Gemäß §21 Abs1 VStG wird jedoch von der Verhängung einer Strafe abgesehen und die Berufungswerberin unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens ermahnt.

Die Berufungswerberin hat daher gemäß §65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu bezahlen.

Text

Begründung:

Im angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin (im folgenden: BW) zur Last gelegt, sie hätte das mehrspurige Kraftfahrzeug Marke N mit dem behördlichen Kennzeichen W 40 am 29.5.1993, um 9.29 Uhr, in Wien, L-Straße in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt gehabt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültig entwerteten Parkschein gesorgt zu haben, da der Parkschein gefehlt habe. Demnach habe sie die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt.

Sie habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§1 Abs3 iVm §4 Abs1 Parkometergesetz, LGBl für Wien Nr 47/1974, idgF.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von S 500,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden gemäß §4 Abs1 Parkometergesetz.

Ferner habe sie gemäß §64 VStG zu zahlen:

S 50,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe.

In ihrer fristgerecht eingebrachten Berufung brachte die BW im wesentlichen vor, daß ihre Schwiegermutter, Frau Ernestine M, 77 Jahre alt, schwerstbehindert und halbseitig gelähmt sei. Zu ihrer Fortbewegung bedürfe sie eines Rollstuhles mit Fußstützen und einer Vierfußgehhilfe. Sie wäre am 29.5.1993, gegen 9.29 Uhr, mit ihrem PKW W 40 vor dem "S-hof" in einer HV-Zone, "ausgenommen Autobusse", die jedoch im Zuge einer Kurzparkzone errichtet wäre, zugefahren und habe gemeinsam mit ihrem Mann, Herrn Hermann M, ihre schwerstbehinderte Schwiegermutter ausgeladen, den Rollstuhl mit den Fußstützen aktiviert und ihre Schwiegermutter in den Rollstuhl gesetzt. Anschließend hätten ihr Mann und sie gemeinsam - allein sei sie dazu nicht in der Lage - die Schwiegermutter mit dem Rollstuhl zum Eingang des "S-hofes" geschoben, wo ihr jemand anderer weitergeholfen hätte. Ihr Mann habe in der Zwischenzeit mit dem PKW wegfahren wollen, wo bereits ein Organ beim Ausfüllen eines "BOM" tätig gewesen wäre. Das Ausladen und Hinschieben bis zum Haustor sowie das Wegfahren aus der HV-Zone hätten maximal 3 Minuten gedauert. Da am Samstag reger Fußgängerverkehr geherrscht hätte, wäre es nicht einfach gewesen, jemanden mit dem Rollstuhl zu führen. Der Gesetzgeber sähe eine Ausnahme für den Inhaber eines Ausweises gemäß §29 litb StVO vor. Es wäre für sie oder ihren Mann allein nicht möglich gewesen, die behinderte Person mit dem Rollstuhl bis zum Haustor zu führen. Die BW hätte das KFZ nicht in der KPZ abgestellt, sondern lediglich das Ausladen ihrer Schwiegermutter vorgenommen. Es könne ja nicht durch diese restriktive Auslegung der Behörde der "Behinderte gemäß Ausweis nach §29 litb StVO" beim Aussteigen zum Entrichten der Parkometerabgabe verpflichtet werden. Sie stelle den Antrag auf Abhaltung eines Lokalaugenscheines, zum Zwecke der Feststellung, wie lange ein Ausladen einer schwerstbehinderten Person samt den notwendigen Behelfen dauert.

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß §1 Abs3 zweiter Satz Parkometergesetz hat jeder Lenker eines mehrspurigen Fahrzeuges, der ein solches Fahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Anordnung nach Abs1 getroffen wurde, die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten.

Der Befreiungstatbestand des §3 Abs1 lite Parkometergesetz ist im gegenständlichen Fall nicht erfüllt, weil nach dieser Bestimmung nur das Halten für die Dauer des Aus- und Einsteigens der behinderten Person einschließlich des Aus- und Einladens der für diese Person nötigen Behelfe (Rollstuhl u dergl) abgabenfrei ist, im vorliegenden Falle darüber hinaus die behinderte Person jedoch bis zum Haustor gebracht wurde. Die Befreiung von der Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe trat daher nicht ein. Zum Vorbringen, das Fahrzeug sei nicht in die Kurzparkzone gestellt worden, um es abzustellen, wird wie folgt bemerkt:

Gemäß §1 Abs5 Parkometergesetz umfaßt der Begriff "Abstellen", wie er in der zitierten Bestimmung des §1 Abs3 Parkometergesetz gebraucht wird, sowohl das Halten als auch das Parken von mehrspurigen Fahrzeugen.

Gemäß §2 Abs1 Z27 StVO ist Halten eine nicht durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Fahrtunterbrechung bis zu zehn Minuten oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit.

Da das Gesetz die Worte "bis zu zehn Minuten" gebraucht, ohne eine zeitmäßige Untergrenze festzulegen, gilt als Halten jede auch noch so kurzfristige Fahrtunterbrechung, sofern diese nicht erzwungen (also - wie im vorliegenden Fall - freiwillig) ist und 10 Minuten nicht übersteigt. Daher ist für jedes noch so kurzfristige Abstellen Parkometerabgabe zu entrichten, wenn die gesetzliche Befreiung nicht zugutekommt. Im vorliegenden Fall kam sie - wie bereits ausgeführt - eben nicht zugute.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, daß es für die Abgabepflicht ohne rechtliches Gewicht ist, welche Gründe den Abgabepflichtigen bestimmen, sein KFZ in einer Kurzparkzone abzustellen (VwGH 24.1.1979, Zl: 2073,2074/78).

Ein einsichtiger und besonnener Benützer einer Kurzparkzone an der Stelle der BW hätte daher, wenn er einer behinderten Person nicht nur beim Aussteigen bzw Ausladen, sondern auch beim - auch noch so kurzfristigen - Zurücklegen des Weges bis zur Haustür behilflich sein wollte, die Abgabe von S 6,-- entrichtet. Da die BW dies nicht tat, hat sie die Abgabe fahrlässig verkürzt.

Dennoch konnte aus folgenden Gründen von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden:

Gemäß §21 Abs1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Das Verschulden der BW ist als gering zu beurteilen, weil die Tat im Sinne des §34 Z11 StGB unter Umständen begangen wurde, die einem Rechtfertigungsgrund nahekommen. Die Nichtentrichtung der Abgabe ist nämlich gemäß §3 Abs1 lite Parkometergesetz erlaubt, also gerechtfertigt, solange dem Behinderten nur ein Aussteigen ermöglicht wird. Dem kommt ein kurzfristiges Begleiten des Behinderten nahe.

Darüber hinaus war der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen. Außer der zum Tatbild gehörenden Verkürzung der Abgabe in Höhe von S 6,-- sind auch keine nachteiligen Folgen eingetreten. Da nach dem Vorbringen der BW und der Aktenlage nicht auszuschließen ist, daß die BW zukünftig wieder in eine gleichgelagerte Situation kommen und geneigt sein könnte, wegen geringer Abstelldauer die Abgabenentrichtung zu unterlassen, schien eine Ermahnung der BW erforderlich, um sie von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Es erübrigte sich, dem Antrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheins zum Beweis für die Dauer des Ausladens der behinderten Person und der notwendigen Behelfe nachzukommen, da - wie bereits ausgeführt - jede auch noch so kurzfristige (nicht erzwungene) Fahrtunterbrechung als abgabepflichtiges Halten gilt.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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