TE UVS Niederösterreich 1994/08/29 Senat-MD-93-671

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Veröffentlicht am 29.08.1994
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) 1991, BGBl Nr 51/1991, Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben.

 

Gemäß §45 Abs1 Z3 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) 1991, BGBl Nr 52/1991, wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Text

Mit Straferkenntnis vom 29. Juli 1993, Zl 3-****-93, erkannte die Bezirkshauptmannschaft Mödling den nunmehrigen Berufungswerber schuldig, am 28. November 1992, um 14.35 Uhr, auf der A **, D********autobahn, von W*** kommend in Fahrtrichtung S********, von km 13,0 bis km 15,5, als Lenker des Fahrzeuges PKW ** **HC, nicht so weit rechts gefahren zu sein, wie dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer und ohne Beschädigung von Sachen möglich war.

 

Aufgrund dieser Verwaltungsübertretung nach §§99 Abs3 lita, 7 Abs1, jeweils StVO verhängte die Erstbehörde gemäß §99 Abs3 lita StVO eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Stunden) und schrieb gemäß §64 Abs2 VStG einen Kostenbeitrag von S 50,-- vor.

 

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschuldigte fristgerecht am 19. August 1993 Berufung.

 

Mit Schreiben vom 3. September 1993 teilte die Bezirkshauptmannschaft xx mit, vom Recht einer Berufungsvorentscheidung keinen Gebrauch zu machen und um Bestätigung der angefochtenen Entscheidung zu ersuchen.

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

VERFOLGUNGSVERJÄHRUNG:

 

a) Verjährungsfrist:

 

Gemäß §31 Abs1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung im Sinne des §32 Abs2 VStG vorgenommen worden ist.

 

Gemäß §31 Abs2 VStG beträgt die Verjährungsfrist für die Verfolgungsverjährung im gegenständlichen Fall 6 Monate, wobei diese Frist von dem Zeitpunkt an zu berechnen ist, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.

 

Eine nach Monaten bestimmte Frist endet mit Ablauf desjenigen Tages des letzten Monates, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat (§32 Abs2 AVG).

 

Da der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung am 28. November 1992 begangen haben soll, endete die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist am 28. Mai 1993.

 

Die Behörde hätte somit gegen den Beschuldigten bis zum 28. Mai 1993 eine taugliche Verfolgungshandlung hinsichtlich der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung vornehmen müssen, um den Eintritt der Verfolgungsverjährung zu verhindern bzw die Verjährungsfrist zu unterbrechen.

 

b) Verfolgungshandlung:

 

Verfolgungshandlung ist gemäß §32 Abs2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u dgl).

 

Die Verfolgungshandlung muß sich auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente beziehen, wobei die Tat ausreichend zu konkretisieren ist.

 

Eine die Verjährung unterbrechende Verfolgungshandlung erfordert bei einer Verwaltungsübertretung nach §7 Abs1 StVO einerseits die Konkretisierung, wie weit rechts ein Fahrzeuglenker mit dem Fahrzeug gefahren ist und anderseits die konkrete Angabe, wie weit ihm dies zumutbar und möglich war.

 

Eine Tatumschreibung, welche ausschließlich den bloßen Gesetzestext wiedergibt, wie im gegenständlichen Fall jene der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 16. März 1993, Zl 3-****-93, und des angefochtenen Straferkenntnisses, ohne das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten entsprechend zu konkretisieren, entspricht nicht den Erfordernissen einer tauglichen Verfolgungshandlung iSd §32 Abs2 VStG, weil der Tatumschreibung "nicht so weit rechts gefahren, wie dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer und ohne Beschädigung von Sachen möglich war" nicht zu entnehmen ist, durch welches konkrete Verhalten der Beschuldigte mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug nicht so weit als möglich rechts gefahren ist und wie weit (mehr) ihm ein Rechtsfahren zumutbar und möglich war.

 

Diesem Konkretisierungserfordernis hätte im gegenständlichen Fall dadurch entsprochen werden können, wenn dem von der Erstbehörde zur Formulierung der Tatumschreibung wiedergegebenen Gesetzeswortlaut, der Nebensatz "weil Sie ohne zwingenden Grund den zweiten Fahrstreifen benützt haben"

hinzugefügt worden wäre.

 

Der Berufungsbehörde ist es verwehrt, nach Ablauf der sechsmonatigen Frist des §31 Abs2 VStG erstmals im Spruch des Berufungsbescheides den Tatvorwurf gegen den Beschuldigten dahingehend zu ergänzen, daß er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung dadurch begangen hat, daß er ohne zwingenden Grund den zweiten Fahrstreifen benützt hat.

 

Keine Verfolgungshandlungen stellen die Übertragung der Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß §29a VStG durch die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg am 29. Jänner 1993 (VwGH 27. September 1988, 88/08/0146), die Anzeigeerstattung des Landesgendarmeriekommandos für NÖ, Verkehrsabteilung, Außenstelle S******** vom 28. November 1992, GZ P ****/92, an die Bezirkshauptmannschaft xy (VwGH 12. Jänner 1972, Slg 8138 A) und die Aufforderung nach §103 Abs2 KFG (VwGH 24. Juni 1988, 88/11/0137) dar.

 

Die Rechtshilfeersuchen der Bezirkshauptmannschaft xx vom 13. April und 7. Mai 1993 (um Stellungnahme des Meldungslegers zu den Beschuldigtenangaben und niederschriftliche Einvernahme des Beschuldigten sowie Bekanntgabe der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse) enthalten jeweils überhaupt keine Angaben zur Tathandlung, sodaß diese Behördenhandlungen nicht als Verfolgungshandlungen iSd §32 Abs2 VStG zu qualifizieren sind.

 

Der Bericht des Gendarmeriebeamten (= Meldungsleger) vom 25. April 1993 stellt keine Verfolgungshandlung dar, weil es sich bei der Gendarmerie und deren Organen rechtlich gesehen nicht um eine Behörde, sondern um Hilfsorgane einer Behörde handelt, der Bericht somit nicht als Behördenhandlung zu werten ist.

 

Die Strafverfügung vom 16. März 1993 entspricht aus den eingangs dargelegten Gründen (mangelnde Konkretisierung der Tathandlung) nicht den gesetzlichen Erfordernissen einer tauglichen Verfolgungshandlung.

Weitere, innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgenommene, als mögliche Verfolgungshandlungen in Betracht kommende Behördenhandlungen lassen sich dem von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsstrafakt, von dessen Vollständigkeit die Berufungsbehörde ausgeht, nicht entnehmen.

 

Zusammenfassend ist daher auszuführen, daß die genannten Behördenhandlungen, insbesondere mangels ausreichender Konkretisierung der Tathandlung, keine tauglichen Verfolgungshandlungen darstellten und nicht geeignet waren, die Verfolgungsverjährungsfrist zu unterbrechen, sodaß mit Ablauf des 28. Mai 1993 die Verfolgungsverjährung hinsichtlich der dem Beschuldigten zur Last gelegten Verwaltungsübertretung eintrat.

 

Der Eintritt der Verfolgungsverjährung ist von Amts wegen wahrzunehmen.

 

Das trotz eingetretener Verfolgungsverjährung von der Bezirkshauptmannschaft xx am 29. Juli 1993 erlassene Straferkenntnis ist somit inhaltlich rechtswidrig und war daher, ohne auf das Berufungsvorbringen des Beschuldigten einzugehen, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben und gemäß §45 Abs1 Z3 VStG die Einstellung des anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen.

 

Aufgrund dieser rechtlichen Beurteilung erübrigte sich die Erörterung der Frage, ob dem Beschuldigten der im angefochtenen Straferkenntnis bezeichnete Tatort innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist konkret vorgehalten wurde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß §51e Abs1 VStG abzusehen.

 

Sämtliche in dieser Entscheidung zitierten gesetzlichen Bestimmungen des AVG gelten gemäß §24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren und waren deshalb anzuwenden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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