TE UVS Niederösterreich 1995/02/06 Senat-PM-93-059

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Veröffentlicht am 06.02.1995
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51/1991, iVm §24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52/1991, Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

Gemäß §45 Abs1 Z2 VStG wird die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, daß er zumindest am 11.8.1992 vom Standort seiner ehemaligen Rechtsanwaltskanzlei in xx, W***** S***** 21, aus, in der Scheidungssache "F*******-F*******", ohne zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt gewesen zu sein, als Parteienvertreter gewerbsmäßig schriftliche Anbringen verfaßt und einschlägige Auskünfte erteilt habe.

 

Hiezu wurde über den Berufungswerber gemäß ArtIX Abs4 EGVG 1991 iVm ArtIX Ziffer7 (richtig: Abs1) leg cit eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen) verhängt.

 

Gemäß §64 Abs2 VStG wurden S 300,-- an Kosten für das erstinstanzliche Strafverfahren vorgeschrieben.

 

Der Berufungswerber hat gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht berufen und dabei im wesentlichen ausgeführt, daß er die ihm angelastete Verwaltungsübertretung bestreite. Er verweise auf sein gesamtes Vorbringen zum Verfahren beim Magistrat der Landeshauptstadt xx, Zl ***********-1990/S/Hi, und erkläre dieses auch zur Begründung der gegenständlichen Berufung. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Winkelschreiberei seien auf ihn nicht anwendbar, weil er über eine gediegene juristische Berufsausbildung verfüge. Nur dadurch, daß in seinem Falle einige Male zu seinem Nachteil eine denkunmögliche Gesetzesanwendung erfolgt sei, hatte es zur Konkurseröffnung gegen ihn kommen können. Es sei ihm nicht möglich, aus den Resten seines Kanzleibetriebes irgendein Einkommen zu erzielen. Die verbliebene Tätigkeit erfülle lediglich den Zweck, seine gänzliche Entwöhnung von jeglicher juristischer Arbeit zu verhindern. Dementsprechend müsse er den Großteil seiner Notstandsunterstützung verwenden, um verschiedene andere Kosten, wie Telefon, Strom udgl für seine Kanzleiräume zu begleichen. Nur einen kleinen Teil der gerade genannten Spesen könne er mit den spärlichen Einkommen abdecken, die er aus seiner ihm verbliebenen Berufstätigkeit erziele. Daher stelle der Berufungswerber den Antrag auf ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

Die Berufungsbehörde holte den durch den Berufungswerber ins Treffen geführten Verwaltungsstrafakt der Behörde erster Instanz mit der Zahl ***********-1990 ein. Daraus ergibt sich im wesentlichen folgendes: Dem Berufungswerber war damals zur Last gelegt worden, daß er zumindest in der Scheidungssache "H*****-H*****" am 22.3.1990 und in der Strafsache "K*****-K*******" am 14.3.1990 sowie laut Protokoll des Bezirksgerichtes xx, Jv ***/90, in Pflegschaftssachen, ohne zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt gewesen zu sein, schriftliche Anbringen verfaßt habe.

 

Der Berufungswerber war aufgrund dieses damaligen Ermittlungsergebnisses mit Straferkenntnis vom 21.10.1993, Zl wie oa, mit S 3.000,-- Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) bestraft worden.

 

Seiner Berufung vom 7.11.1991 gegen dieses Straferkenntnis wurde mit Bescheid des Amtes der NÖ Landesregierung, Zl I/2-*********, Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis im wesentlichen mit der Begründung aufgehoben, daß es sich bei den dem Berufungswerber vorgeworfenen Tätigkeiten zwar eindeutig um die Erteilung einschlägiger Auskünfte, jedoch keinesfalls um das "Verfassen schriftlicher Anbringen oder Urkunden vor Behörden" gehandelt habe und die Spruchkorrektur der Berufungsbehörde nicht mehr zulässig gewesen sei.

 

Die Behörde erster Instanz hat den Verwaltungsstrafakt zur gegenständlichen Berufung vorgelegt.

 

Aus diesem Akt, Zl ***********-1992, ergibt sich im wesentlichen folgender - unbestrittener - Sachverhalt:

 

Mit der Sachverhaltsmitteilung vom 9.9.1992 brachte die Rechtsanwaltskammer NÖ der Behörde erster Instanz das dem Berufungswerber als "Winkelschreiberei" vorgeworfene Verhalten zur Kenntnis. Demnach sei durch das Landesgericht xx, Zl S-*/**, mit 16.5.1989 über das Vermögen des Berufungswerbers der Konkurs eröffnet worden, habe der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer NÖ mit Beschluß vom 18.5.1989, Zl ***/89, die Ausübung der Rechtsanwaltschaft des Berufungswerbers bis zur Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses eingestellt und sei der Berufungswerber infolge Erlöschens der "Ausübung der Rechtsanwaltschaft" aus der Liste der Rechtsanwälte gestrichen worden. Der diesbezügliche Beschluß der Rechtsanwaltskammer NÖ vom 17.5.1990 sei am 19.7.1990 in Rechtskraft erwachsen. Wie sich aus der Kopie des Briefes vom 11.8.1992 ergebe, sei der Berufungswerber als Rechtsanwalt und Verteidiger aufgetreten und habe damit die Bestimmung des ArtIX Abs1 Z4 EGVG verletzt. Deshalb stelle die Rechtsanwaltskammer NÖ den Antrag auf Einleitung des Verfahrens gegen Dr P**** P*******.

 

Der bezeichnete Brief vom 11.8.1992, welcher die Kopfstampiglie des Berufungswerbers als "Rechtsanwalt, Dr P**** P*******, Verteidiger in Strafsachen" trägt und unbestritten vom Berufungswerber stammt, hat folgenden Inhalt:

 

"Rechtsanwalt

Dr P**** P*******

Verteidiger in Strafsache

**** S*********, W***** S***** 21

Tel. 0****/*****

 

Frau

L********* F*******

p. A. H**** W*****

W****** G***** **-**

**** W***             S********, am 11.8.1992

 

 

Betrifft: F******* - F*******

 

 

Sehr geehrte Frau F*******!

 

Zunächst gebe ich Ihnen bekannt, daß ich die Rechtsvertretung Ihres früheren Ehemannes N******* F******* übernommen habe. Im Scheidungsverfahren, das zwischen Ihnen und meinem Mandanten anhängig war, sind verschiedene Fragen nicht geregelt worden.

 

Mein Mandant hat mich beauftragt, nunmehr eine Klärung dieser Fragen herbeizuführen.

 

Vorerst ist er bestrebt, im Einvernehmen mit Ihnen zu einer Lösung zu gelangen.

 

Ich habe Sie daher aufzufordern,

 

bis spätestens zum 3.9.1992

 

Zu einer unverbindlichen und für Sie kostenlosen Besprechung der erwähnten Fragen in meine Kanzlei zu kommen.

 

Ihre Vorsprache kann nur

 

nach telefonischer Voranmeldung unter der Nummer 0****/*****

 

erfolgen.

 

Sollten Sie dieser Aufforderung nicht Folge leisten, dann wäre davon auszugehen, daß Ihnen an einer einverständlichen Regelung nichts liegt, wobei Sie sich alle sich hieraus in voller Schärfe ergebenden Kosequenzen Ihres Verhaltens selbst zuzuschreiben haben würden.

 

Ich betone abschließend, daß ich Ihrer Reaktion auf mein Schreiben mit Interesse entgegensehe, und zeiche

 

in vorzüglicher Hochachtung"

(unleserliche Paragraphe)

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Der Berufungswerber bestreitet nicht, daß gegen ihn der Konkurs eröffnet worden ist, sondern behauptet, dies sei in denkunmöglicher Gesetzesanwendung erfolgt.

 

Unbestritten ist auch, daß der Berufungswerber rechtskräftig aus der Liste der Rechtsanwälte gestrichen worden ist.

 

Der Berufungswerber bestreitet auch nicht, den Brief vom 11.8.1992 der die Stampiglie mit der Bezeichnung, "Rechtsanwalt" trägt, erstellt und versendet zu haben. Er bringt sogar vor, als Parteienvertreter die Rechtsvertretung des N******* F******* übernommen zu haben.

 

Sohin ergibt sich zweifelsfrei, daß der Berufungswerber als - wenngleich unberechtigter - Rechtsanwalt eingeschritten ist.

 

Die Behörde erster Instanz hat dieses Verhalten des Berufungswerbers unter ArtIX Abs1 Z4 EGVG 1991 subsumiert und als Strafnorm ArtIX Z7 leg cit (richtig: Abs1) herangezogen, in der Begründung zur Strafbemessung jedoch auf den Strafrahmen des §57 Abs2 Rechtsanwaltsordnung (in der Folge: RAO) Bezug genommen.

 

Gemäß ArtIX Abs1 Z4 EGVG 1991 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer in Angelegenheiten, in denen er nicht zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt ist, gewerbsmäßig für den Gebrauch vor inländischen oder ausländischen Behörden (Gerichten oder Verwaltungsbehörden) schriftliche Anbringen oder Urkunden verfaßt, einschlägige Auskünfte erteilt, vor inländischen Behörden Parteien vertritt oder sich zu einer dieser Tätigkeiten in schriftlichen oder mündlichen Kundgebungen anbietet (Winkelschreiberei).

 

Zufolge Abs1 Schlußsatz leg cit ist, wer eine solche Verwaltungsübertretung begeht, mit Geldstrafe bis zu S 3.000,-- zu bestrafen.

 

Aus Abs3 des ArtIX EGVG (idF BGBl Nr 356/1990) ergibt sich, daß Abs1 Z4 leg cit nicht anzuwenden ist, soweit besondere Vorschriften gegen die unbefugte Parteienvertretung bestehen.

 

Als solche besondere Vorschrift gegen die unbefugte Parteienvertretung ist §57 Abs2 RAO zu betrachten.

 

Zufolge §57 Abs2 RAO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 60.000,-- zu bestrafen, wer unbefugt eine durch dieses Bundesgesetz den Rechtsanwälten vorbehaltene Tätigkeit gewerbsmäßig ausübt. Diese Tat darf auch nicht nach anderen Bestimmungen über die Strafbarkeit der Winkelschreiberei geahndet werden.

 

Diese Bestimmung verbietet die gewerbsmäßige Ausübung der den befugten Rechtsanwälten vorbehaltene Tätigkeiten im Sinne des §8 RAO durch Nichtberechtigte und statuiert nachdrücklich die Subsidiarität anderer Verwaltungsvorschriften.

 

Der Berufungswerber ist als nicht befugter, wenngleich den sonstigen Erfordernissen zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft entsprechender, Parteienvertreter eingeschritten.

 

Für diesen Bereich, der den befugten Rechtsanwälten vorbehaltenen Tätigkeiten kann ArtIX Abs1 Z4 EGVG jedoch aus ao Gründen nicht zur Anwendung kommen (siehe Zierl in Anw 4/1988, Seite 196 ff bzw Tades in AnwBl 1985, 623).

 

Da die anzuwendende verletzte Rechtsvorschrift des §57 Abs2 RAO im Spruch des angefochtenen Straferkenntnis nicht zumindest angeführt ist, bleibt es im Lichte des §44a litb VStG dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ verwehrt, eine so weitreichende Korrektur des Spruches bzw der Subsumtion vorzunehmen (ua VwGH 30.1.1990, 89/10/0008).

 

Sohin ist das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß §51e Abs1 VStG unterbleiben.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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