TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/4 98/08/0307

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.10.2001
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §58 Abs3;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Mag. Martin Nemec, Rechtsanwalt in 1210 Wien, Brünnerstraße 37/5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Juni 1998, Zl. MA 15-II-Z 7/98, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. Jänner 1998 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Dienstgeber von vier namentlich genannten Dienstnehmern für die Zeit vom 1. Februar bis 14. November 1996 zur Zahlung von S 31.548,19.-- an Beiträgen, Sonderbeiträgen und Umlagen. Begründend führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, es sei im Zuge einer Beitragsprüfung festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer die vier Dienstnehmer nicht mit den ihnen gebührenden Entgelten und den ihnen zustehenden Sonderzahlungen zur Sozialversicherung gemeldet habe. Es seien lediglich Nettoentgelte bekannt gegeben und die den Dienstnehmern gewährte volle freie Station in die Beitragsgrundlage nicht einbezogen worden. Sonderzahlungsdifferenzen und Urlaubsabfindungen hätten nachverrechnet werden müssen. Nach einer umfassenden Darstellung von nach Meinung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse anzuwendenden kollektivvertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen kommt sie zum Ergebnis, der Beschwerdeführer habe die eingangs genannten Beiträge nachzuzahlen. In einer Anlage zu diesem Bescheid werden den namentlich genannten Dienstnehmern des Beschwerdeführers Zeiträume und diesen wiederum in einer mit "Art der Meldung" überschriebenen Spalte die Begriffe "Lohnänderung", "Sonderzahlung" bzw. "Nachverrechnung UA" zugeordnet.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch, dem sich im Wesentlichen entnehmen lässt, er habe bereits sämtliche Beiträge bezahlt. Der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse errechnete Betrag sei unrichtig.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge und verwies in der Begründung nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens insbesondere auf die Angaben des Beitragsprüfers der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, an Hand derer die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gemeldeten Daten der vier Dienstnehmer feststellte. Weiter stellte sie fest, die gemeldeten Löhne lägen in Verbindung mit den angegebenen Wochenarbeitszeiten über bzw. unter der kollektivvertraglichen Entlohnung, Sonderzahlungen seien nicht gewährt bzw. unrichtig berechnet und Sachbezugswerte dem Entgelt nicht hinzugerecht worden. Aus diesem Grund habe eine Nachverrechnung durchgeführt werden müssen, in die auch die Urlaubsabfindung für nicht konsumierten Urlaub einbezogen worden sei. Diese Nachverrechnung ergebe den von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ermittelten Betrag.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit rügt der Beschwerdeführer das Unterbleiben von Feststellungen zu den tatsächlichen Gegebenheiten der Beitragsberechnung, die nicht nachvollzogen werden könne. Weder der Grund noch die Höhe des vorgeschriebenen Nachzahlungsbetrages könne überprüft werden.

Schon mit diesem Argument ist der Beschwerdeführer im Recht:

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Nach § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Demnach muss die Behörde in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dartun, welcher (für die Erledigung der Verwaltungssache) maßgebende Sachverhalt mit den hiebei als feststehend angenommenen Tatsachen der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtete. Mit dem Ausmaß dieser Begründungspflicht der Gebietskrankenkasse und der Einspruchsbehörde im Fall der Beitragsnachverrechnung hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, 93/08/0027, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, in Auseinandersetzung mit der Vorjudikatur ausführlich befasst. Unter Bedachtnahme auf die darin entwickelten Grundsätze entspricht die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht den geschilderten gesetzlichen Anforderungen. Selbst in Verbindung mit der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides ergibt sich daraus nicht, welche konkreten tatsächlichen Gegebenheiten der Beitragsberechnung im Einzelnen zu Grunde gelegt wurden.

Spätestens nach der Einspruchserhebung musste die belangte Behörde davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer die Schlüssigkeit und Vollständigkeit des Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in Frage stellt, zumal er die offensichtlich anlässlich seiner Vorsprache am 15. April 1997 ausgefüllten Formulare zur Abmeldung von Dienstnehmern mit dem Vermerk "ungültig" der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse retournierte. Trotzdem sind dem angefochtenen Bescheid weder die Höhe der zu Vergleichszwecken und als Bemessungsgrundlage für die Beitragsberechnung herangezogenen kollektivvertraglichen Löhne noch das Ausmaß der jeweiligen Urlaubsabfindung zu entnehmen, sodass schon deswegen eine Zuordnung von nachverrechneten Beiträgen an die einzelnen Dienstnehmer nicht möglich ist. Nicht überprüfbar ist auch die Berechnung der Sonderzahlungen vom "richtigen Bruttoentgelt", dessen Höhe die belangte Behörde ebenfalls nicht festgestellt hat.

Eine Verletzung seiner Mitwirkungspflicht kann dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen werden; eine solche, die Begründungspflicht der belangten Behörde allenfalls einschränkende Unterlassung der entsprechenden Mitwirkung des Beschwerdeführers setzt nämlich einen ausreichend begründeten erstinstanzlichen Bescheid voraus, aus dem sich ohne weitere Nachforschungen die Grundlagen für die Nachverrechnung ergeben (vgl. das Erkenntnis vom 12. April 1994, 92/08/0140).

Schon die aufgezeigten Begründungsmängel hindern den Verwaltungsgerichtshof, seiner Rechtskontrollaufgabe gemäß § 41 Abs. 1 VwGG zu entsprechen. Der angefochtene Bescheid lässt keine inhaltliche Überprüfung zu, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebühren hat der Beschwerdeführer, dem die Verfahrenshilfe auch dafür gewährt wurde, nicht entrichtet, sodass das darauf gerichtete Begehren abzuweisen war.

Wien, am 4. Oktober 2001

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998080307.X00

Im RIS seit

21.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten