TE UVS Wien 1995/03/10 06/15/26/94

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Veröffentlicht am 10.03.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch Mag Fridl als Vorsitzenden, Dr Hrdliczka als Berichterin und Dr Findeis als Beisitzerin über die Berufung des Herrn Hans Z vom 21.12.1993 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt fd 23. Bezirk, vom 16.11.1993, Zahl MBA 23 - S 7890/93, wegen Übertretung des §17 Abs3 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG), BGBl Nr 325/1990 idgF, iVm §39 Abs1 litb Z11 leg cit iVm §9 Abs1 VStG, entschieden:

Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben sowie das Verfahren gemäß §45 Abs1 Z2 VStG eingestellt.

Der Berufungswerber hat gemäß §65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des §9 Abs1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VSTG der W Gesellschaft mbH mit Sitz in Wien, O-Straße zu verantworten, daß diese Gesellschaft im Zeitraum 9. April 1993 bis 23. April 1993 in Wien, O-Straße die Bestimmungen des §17 Abs3 Abfallwirtschaftsgesetz - AWG BGBl 325/1990 idgF, wonach der Besitzer der gefährlichen Abfälle, der zu einer entsprechenden Behandlung nicht befugt oder imstande ist, die Behandlung einem zu einer entsprechenden Sammlung oder Behandlung Befugten zu übergeben hat, insoferne nicht eingehalten hat, als sie die Behandlung des Blau-Asbestes auf der Liegenschaft Wien, O-Str der Firma S Gesellschaft mbH, mit Sitz in Wien, G-gasse übertrug, welche den Blauasbest (= gefährlicher Abfall) nicht einer entsprechenden Behandlung im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes unterzog."

Über den Berufungswerber wurde eine Geldstrafe von S 90.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Wochen) verhängt und ihm die Bezahlung von S 9.000,-- als Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben. In seinem dagegen fristgerecht eingebrachten Rechtsmittel brachte der Berufungswerber unter anderem vor:

"Es wird nicht bestritten, daß die W Gesellschaft mbH Eigentümerin und somit auch Besitzerin der gegenständlichen Halle und somit auch der darin befindlichen Asbestteile gewesen ist. Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich bei den verbauten Asbestteilen jedoch noch nicht um Abfall. Diese Teile wurden erst zu Abfall, als die Halle abgerissen wurde. Diese Abbrucharbeiten wurden durch die Firma H Gesellschaft mbH durchgeführt. Im Zivilrecht (und nur in diesem ist die Frage des Besitzes geregelt) ist festgelegt, daß Kriterien dafür, ob jemand ein Besitzer ist oder nicht, sind, daß dieser einerseits Herrschaft über die fragliche Sache habe, und andererseits auch einen gewissen Besitzwillen habe. Voraussetzung eines Besitzwillens ist, daß derjenige überhaupt weiß, daß jene Sachen existieren. Im konkreten Fall wußte die W - und damit auch nicht der Geschäftsführer derselben - nicht wie weit die Abbrucharbeiten gediehen waren, und wieviel bzw welcher Abfall angefallen ist. Es ist daher nicht möglich, dem Beschuldigten und Berufungswerber einen Besitzwillen an diesen Sachen zu unterstellen.

Überdies sei darauf verwiesen, daß zum Zeitpunkt der Auftragserteilung die Asbestteile der Halle und der Liegenschaft verbunden waren, und daher noch keine selbständige Sache darstellten. Es war daher gar nicht möglich, vor Abbruch der Halle, im speziellen Besitzer der Asbestteile zu sein. Überdies waren diese zu diesem Zeitpunkt noch gar kein Abfall, da sie ja noch einem sinnvollen Zweck dienten.

Da die W Gesellschaft mbH daher nicht Besitzerin des asbesthaltigen Abfalles war, war die W Gesellschaft mbH auch gar nicht verpflichtet, diesen Abfall dem befugten Unternehmen zu übergeben. Da sie sohin keine Verpflichtung verletzt hat, erscheint auch ihre Bestrafung unzulässig."

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß §2 Abs1 AWG sind im Sinne dieses Bundesgesetzes Abfälle

bewegliche Sachen,

1. deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder

2. deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (§1 Abs3) geboten ist.

Die Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann geboten sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

Nach §2 Abs2 AWG ist eine geordnete Erfassung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes jedenfalls so lange nicht geboten,

1.

als eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder

2.

solange sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht oder

 3. solange die Sache nach dem Ende ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung im unmittelbaren Bereich des Haushaltes bzw der Betriebsstätte auf eine zulässige Weise verwendet oder verwertet wird.

Gefährliche Abfälle und Altöle sind gemäß §17 Abs1 AWG unbeschadet weitergehender Verpflichtungen jedenfalls so zu lagern und zu behandeln (verwerten, ablagern oder sonst zu behandeln), daß Beeinträchtigungen im Sinne des §1 Abs3 vermieden werden. Das Ablagern von gefährlichen Abfällen oder Altölen außerhalb genehmigter Abfallbehandlungsanlagen ist unzulässig. Gemäß §17 Abs2 AWG sind beim Abbruch von Baulichkeiten,

 1. verwertbare Materialien - soweit dies nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden oder technisch nicht möglich ist - einer Verwertung zuzuführen.

 2. nicht verwertbare Abfälle einer Behandlung im Sinne des §1 Abs2 Z3 zuzuführen.

Ist der Besitzer der gefährlichen Abfälle und Altöle zu einer entsprechenden Behandlung nicht befugt oder imstande, hat er gemäß §17 Abs3 AWG dies, soweit nicht anderes angeordnet ist, einem zu einer entsprechenden Sammlung oder Behandlung Befugten zu übergeben.

Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht gemäß §39 Abs1 AWG eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen mit Geldstrafe von 5 000 bis 100 000 Schilling (litb), wer gefährliche Abfälle und Altöle entgegen den §§17 Abs3 und 5 sowie 20 Abs3 nicht rechtzeitig einem entsprechend Befugten übergibt (Z11).

Dem erstbehördlichen Akt in Verbindung mit den vom Berufungswerber im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen ist zu entnehmen, daß an einer im Eigentum der W Gesellschaft mbH stehenden Halle in Wien, O-Straße von der H Gesellschaft mbH, die keine behördliche Genehmigung als Abfallsammler und -behandler gemäß §15 AWG besaß, Abbrucharbeiten durchgeführt wurden, in deren Zuge die Freisetzung von Asbest und die Lagerung der Asbestabfälle auf dem Grundstück erfolgten.

Im vorliegenden Fall ist vorrangig zu prüfen, ob die vom Berufungswerber vertretene Gesellschaft im Sinne des AWG Besitzerin der bei den - von der H Gesellschaft mbH vorgenommenen - Abbrucharbeiten entstandenen gefährlichen Abfälle (Blauasbest) war.

Dies ist zu verneinen, wobei zum Abfallbesitzerbegriff des AWG auf die nachstehenden Ausführungen von Heinz Mayer, Zur Gesetzmäßigkeit der "Baurestmassenverordnung", in ecolex 1994, 128, zu verweisen ist:

"... Vielmehr ist es geboten, das AWG daraufhin zu untersuchen, für welche Personen es Pflichten begründet; ...

Unternimmt man dies, so stößt man in unmittelbarem systematischem Zusammenhang mit §11 auf ausdrückliche Anordnungen, wer bestimmte Pflichten zu tragen hat. §13 Abs1 AWG verpflichtet den, der eine bestimmte Tätigkeit ausübt, bei der bestimmte Abfälle anfallen, der Behörde die Aufnahme seiner Tätigkeit zu melden. §14 Abs1 verpflichtet ebenfalls den, der eine Tätigkeit ausübt, bei der bestimmte Abfälle anfallen, Aufzeichnungen zu führen; zur Führung von Aufzeichnungen ist auch verpflichtet, wer bestimmte Abfälle sammelt oder behandelt (vgl für Sammler und Behandler zB auch §§15f AWG). Abfallsammler und Abfallbehandler sind im §2 AWG definiert; so heißt es im §2 Abs9 AWG, daß Abfallsammler ist, wer Abfälle abholt oder entgegennimmt. §2 Abs10 AWG definiert als Abfallbehandler den, der Abfälle verwertet, ablagert oder sonst behandelt.

Bezieht man diese Überlegungen in die Auslegung des §11 Abs3 AWG ein, so kann man zunächst feststellen, daß diese Bestimmung den Verordnungsgeber ermächtigt, anzuordnen, welche Materialien jedenfalls einer getrennten Sammlung, Lagerung und Behandlung zuzuführen sind. Genauer bedeutet dies im Hinblick auf §2 Abs9 und 10 AWG, daß die Materialien einer getrennten Abholung und einer getrennten Verwertung zuzuführen sind. Wer kommt außer dem Abfallsammler und dem Abfallbehandler als Träger der Pflicht des "zuführens" gem §11 Abs3 AWG in Betracht?

Ein Blick in die Materialien des AWG läßt die Frage klar beantworten; in den Erläuterungen zur RV (Fußnote 3: 1274 BlgNr 17. GP) heißt es auf Seite 32:

"Klarzustellen ist, daß im Abfallwirtschaftsgesetz nach wie vor Pflichten für Erzeuger, Sammler und Behandler von Abfällen vorgesehen sind, ein Definitionsbedarf aber nur für Sammler und Behandler besteht."

Daraus kann zunächst einmal abgeleitet werden (arg: "nach wie vor"), daß die Pflichten des AWG die Personen treffen, die schon im Zeitpunkt der Erlassung des AWG entsprechende Verpflichtungen hatten; die Erläuterungen nennen diese auch: die Erzeuger, Sammler und Behandler. Dabei wurde der Begriff der Erzeuger offenbar als nicht weiter erklärungsbedürftig angesehen. Damit kann man davon ausgehen, daß dieser Begriff so verstanden werden kann, wie er nach den Vorschriften, die durch das AWG ersetzt wurden, definiert war; maßgeblich ist sohin das SonderabfallG (Fußnote 4: §42 Abs1 Z1 AWG). Nach diesem war Sonderabfallerzeuger, wer eine der im §1 Abs1 SonderabfallG genannten Tätigkeiten ausübt, "bei welcher Sonderabfälle anfallen" (Fußnote 5: §3 Abs2 SonderabfallG).

Aus dieser Entstehungsgeschichte folgt zweierlei: Das AWG zielt im wesentlichen auf die Festlegung von Pflichten für Erzeuger, Sammler und Behandler ab; diese Begriffe sind im Sinne der früheren Rechtslage nach dem SonderabfallG zu verstehen. Das SonderabfallG kannte für die drei Gruppen von Verpflichteten einen Überbegriff, nämlich den des "Sonderabfallbesitzers". Der Begriff des Abfallbesitzers findet im §17 Abs3 AWG Anwendung. Man muß - da der Begriff des Abfallbesitzers im AWG nicht eigens definiert wird - auch davon ausgehen, daß das AWG, wenn es vom "Besitzer" spricht, Erzeuger, Sammler und Behandler meint. Von diesem Verständnis geht auch die AbfallnachweisV (Fußnote 6: BGBL 1991/65) aus; in dieser ist nicht nur der Besitzer, sondern auch der Erzeuger im wesentlichen so definiert, wie er im SonderabfallG definiert war.

Ein Blick auf die Systematik des AWG und auf seine Entstehungsgeschichte führt zum Ergebnis, daß die in diesem Gesetz normierten Verpflichtungen - soweit nicht erkennbar etwas anders angeordnet ist (vgl zB §18 Abs2) - die Abfallbesitzer treffen; darunter sind die Erzeuger, Sammler und Behandler zu verstehen.

..."

Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen, denen sich der unabhängige Verwaltungssenat vollinhaltlich anschließt, war nicht die vom Berufungswerber vertretene W Gesellschaft mbH Erzeuger und damit nach dem AWG Besitzer der gefährlichen Abfälle, sondern die H Gesellschaft mbH, welche den Abbruch der Halle vornahm und dadurch gefährliche Abfälle erzeugte.

Da der Berufungswerber somit kein strafbares Verhalten zu verantworten hatte, war spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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