TE UVS Tirol 1995/10/11 16/230-1/1995

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Veröffentlicht am 11.10.1995
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Spruch

Gemäß §66 Abs4 AVG iVm §§24, 51, 51c und 51e VStG wird den Berufungen Folge gegeben und werden die angefochtenen Bescheide ersatzlos behoben.

Text

Begründung

Mit den angefochtenen Bescheiden wurde gegenüber den Berufungswerbern, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K, ausgesprochen, sie hätten am 9.4.1992 eine Braunbärdecke samt Kopf aus Rumänien über den Grenzübergang Heiligenkreuz nach Österreich eingeführt, somit ein Erzeugnis der im Anhang II des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten von freilebenden Tieren und Pflanzen, BGBl. Nr.188/1982 i. d.g.F., angeführten Art Braunbär aus einem Land, das nicht Vertragsstaat des gegenständlichen Übereinkommens sei, ohne anläßlich der zollamtlichen Abfertigung gemäß §6 Abs1 des Bundesgesetzes zur Durchführung des Übereinkommens vom 3.3.1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen, BGBl. Nr.189/1982 i.d.F. der BGBl. Nr.97/1988, 743/1988 und 366/1989, eine Einfuhrbewilligung, ein einer Ausfuhrbewilligung oder Wiederausfuhrbewilligung vergleichbares Dokument, das von den zuständigen Behörden des Ausfuhrstaates ausgestellt sei und eine Bescheinigung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten, daß die in Artikel X des Übereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt seien, vorzulegen.

Mit rechtskräftigem Straferkenntnis vom 16.6.1994 sei gegen beide wegen Vergehens nach §12 Abs1 Z1 iVm §6 Abs1 lita, b und c Durchführungsgesetz eine Geldstrafe in der Höhe von S 6.000,-- verhängt worden. Über den Verbleib der nach §89 Finanzstrafgesetz beschlagnahmten Braunbärdecke sei aufgrund des laufenden Verfahrens nach Finanzstrafgesetz nicht abgesprochen worden.

 

Gemäß §6 Abs1 des Bundesgesetzes zur Durchführung des Übereinkommens vom 3.3.1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen, BGBl. Nr.189/1982 i.d.F. der BGBl. Nr.97/1988, 743/1988 und 366/1989 (Durchführungsgesetz), entscheidet die Erstbehörde im gegenständlichen Verfahren wie folgt:

 

I. Gemäß §39 Abs1 VStG werde nunmehr die Beschlagnahme der gegenständlichen Braunbärdecke samt Kopf verfügt.

II. Gleichzeitig werde beiden Betroffenen mitgeteilt, daß die derzeit im Museum Ferdinandeum in Innsbruck verwahrte Braunbärdecke samt Kopf gemäß §17 VStG iVm §12 Abs2 des Bundesgesetzes zur Durchführung des Übereinkommens vom 3.3.1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen für verfallen erkärt werde.

III. Einem allfällig eingebrachten Rechtsmittel werde gemäß §39 Abs6 VStG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

In der Begründung verwies die Erstbehörde im wesentlichen auf das rechtskräftige Straferkenntnis und die angewandte Bestimmung.

 

In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung wurde bestritten, daß die Voraussetzungen für die Beschlagnahme und den Verfall vorliegen würden. Mit dem rechtskräftigen Straferkenntnis sei die Angelegenheit abgeschlossen und erledigt. Diesen Standpunkt habe die Erstbehörde auch in mehreren Stellungnahmen gegenüber dem Bundesministerium im gegenständlichen Akt vertreten und lediglich aufgrund einer Weisung des Bundesministeriums nunmehr die Beschlagnahme ausgesprochen und den Verfall erkärt. Nach einem rechtskräftigen Abschluß eines Verwaltungsstrafverfahrens sei aufgrund einer einheitlichen Rechtsprechung in der Folge keine weitere Beschlagnahme oder ein neuerlicher Ausspruch des Verfalles zulässig. So habe unter anderem der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 29.4.1992 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dann, wenn eine Tat mit einer Strafe geahndet wurde, dabei aber von der Nebenstrafe des Verfalles aus was immer für einen Grund Abstand genommen wurde, die Behörde in der Folge keinen Verfall mehr verfügen dürfe. Auch eine selbständige Verfallserklärung, wie sie nunmehr durchgeführt wurde, oder eine selbständige Beschlagnahme nach Abschluß des Strafverfahrens sei unzulässig und rechtswidrig. Die Entscheidungen seien nicht nur zu §17 VStG ergangen, sondern gebe es auch hiefür zahlreiche Entscheidungen zu den Verfallsbestimmungen im Zollgesetz, die genauso lauten würden. Diese Rechtsmeinung habe die Erstbehörde auch vertreten. Sie glaube nunmehr, sich der rechtswidrigen Weisung aus Wien beugen zu müssen und hier einen Bescheid zu erlassen, von dem sie selbst überzeugt sei, daß es sich um einen rechtswidrigen Bescheid handle. Der Ausspruch eines nachträglichen Verfalles sei eindeutig unzulässig. Dasselbe gelte auch für die vorgenommene Beschlagnahme. Hier sei schon aufgrund des Gesetzestextes völlig klar, daß eine Beschlagnahme nur bis zu einem rechtskräftigen Abschluß eines Verfahrens möglich sei, da diese logischerweise nur so lange erfolgen könne, als der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vorgelegen habe. Nachdem aber das Verwaltungsverfahren bereits seit mehr als einem Jahr rechtskräftig abgeschlossen sei und kein weiterer Verdacht einer Verwaltungsübertretung vorliege, sei schon aus diesem Grund die Beschlagnahme unzulässig und rechtswidrig. In diesem Zusammenhang werde auch noch darauf hingewiesen, daß das seinerzeitige Straferkenntnis in mehreren Punkten falsch wäre. Hingewiesen wurde dabei auf die Aussagen mehrerer Zeugen im Strafverfahren vor der Zollbehörde, die dieses rechtskräftig einstellte. Beantragt wurde die Aufhebung beider Bescheide.

 

Wegen ihres sachlichen Zusammenhanges wurden beide Akten einem Mitglied zugeteilt und entscheidet dieses in einem Berufungserkenntnis über beide Berufungen.

 

Der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol sieht sich nicht veranlaßt, auf das rechtskräftig abgeschlossene Verwaltungsstrafverfahren weiter einzugehen, da dieses Bindungswirkung besitzt. Die Frage, ob ein nachträglicher Verfall nach einem bereits rechtskräftig ergangenen Straferkenntnis und außerhalb der Vollstreckungsverjährung ausgesprochen werden kann, ist aufgrund der angewandten Gesetzesbestimmungen in Verbindung mit §17 VStG und §39 VStG zu beurteilen. Weiters ist zu prüfen, ob die Vollstreckungsverjährungsfrist im Verfahren nach dem Bundesgesetz BGBl. Nr.289/1982 i.d.g.F. länger ist als die des §31 Abs3 VStG. Dies ist nicht der Fall, da lediglich die Verjährungsfrist nach §31 Abs2 VStG 1950 für die in §12 Abs1 erwähnten Verwaltungsübertretungen von 6 Monaten auf drei Jahre erstreckt wurde. Die Vollstreckungs- und Strafbarkeitsverjährungsfrist nach §31 Abs3 VStG 1991 beträgt drei Jahre ab dem Abschluß der strafbaren Handlung. Sind seit dem im Absatz 2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen, darf ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden. Damit ist geklärt, daß an sich die Strafbarkeitsverjährung eingetreten ist. Diese gilt auch prinzipiell für die Nebenstrafe des Verfalles. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.9.1983, Zl. 83/10/0201, ist für die Frage, ob der Verfall nach Eintritt der Strafbarkeitsverjährung ausgesprochen werden kann, die Prüfung anzustellen, ob der Verfall auch Sicherungsmittel sein kann. Dies ist im Einzelfall aufgrund des Gesetzes zu prüfen. Sei die Absicht, es solle sich nur um ein Sicherungsmittel handeln, dem Gesetz nicht zu entnehmen, müsse in Hinblick auf §10 VStG angenommen werden, daß der Verfall nur als Nebenstrafe gedacht ist. Den Charakter einer Sicherungsmaßnahme hat der Verwaltungsgerichtshof bei Verfallserklärungen nach §39 Abs1 Waffengesetz bzw. bei Verfallserklärungen nach dem Fernmeldegesetz angenommen. Die Bestimmung des §12 Abs2 BGBl. Nr.289/1982 i.d.F. 1993 läßt nicht erkennen, daß der Verfall hier ein Sicherungsmittel ist. Es ist daher die Strafbarkeitsverjährungsfrist nach §31 Abs3 VStG 1991 zu beachten. Der Ausspruch des Verfalles ist nicht mehr zulässig. Aus diesem Grund ist auch die Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalles unzulässig. Beide Bescheide sind daher zur Gänze aufzuheben.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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