TE UVS Niederösterreich 1996/01/15 Senat-MD-95-542

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Veröffentlicht am 15.01.1996
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Ebenso Senat-MD-95-648 Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl Nr 51/1991 Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und gemäß §45 Abs1 Z2 VStG, BGBl Nr 620/1995 die Einstellung des Verfahrens verfügt.

Text

Mit dem bekämpften Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft xx vom 27.03.1995, Zl 3-*****-93, wurde über Herrn G*** A******* in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der B**** W********** AG mit dem Sitz in W** N****** wegen Übertretungen der Bestimmung des §3 Abs1 FrNArbG Geldstrafen in der Höhe von insgesamt S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfalle von zusammen: 15 Tagen), gemäß §9 Abs1 leg cit verhängt.

 

Angelastet wurde ihm, dafür verantwortlich zu sein, daß in der B****-Filiale in **** K**********, B*****weg **, die spruchgenannten Arbeitnehmerinnen am 12.05.1993 bis 20.30 Uhr beschäftigt waren, obwohl die Verkaufsstelle um 20.00 Uhr geschlossen wurde.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschuldigte durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht Berufung und begründete vorliegendes Rechtsmittel mit Verletzung von Verfahrensvorschriften und mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit des Bescheides.

 

Im einzelnen wurde dazu ausgeführt, daß für die verfahrensgegenständliche Filiale gemäß §9 VStG ein verantwortlicher Beauftragter bestellt worden sei und dieser Bestellungsakt gemäß §23 ArbIG dem Arbeitsinspektorat für den *. Aufsichtsbezirk zur Kenntnis gebracht worden wäre und wurde dazu sinngemäß vorgebracht, daß ihn an einer allenfalls nicht fristgerechten Übermittlung der Bestellungsurkunde an das zuständige Arbeitsinspekorat kein Verschulden treffen könne, darüberhinaus der angelastete Sachverhalt nicht vorliege und er ein umfassendes und wirksames Kontrollsystem im Unternehmen aufgebaut habe.

Es werde daher die Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

 

Das am Verfahren mitbeteiligte Arbeitsinspektorat hat nach Kenntnis des Berufungsvorbringens den gestellten Strafantrag vollinhaltlich aufrecht gehalten.

 

In der am 12.10.1995 am Sitz der Bezirkshauptmannschaft xx durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung bekämpfte der Rechtsvertreter des Beschuldigten insbesondere die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit seines Mandanten, verwies er auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und bestritt auch das Vorliegen eines allfälligen subjektiven Verschuldens in der Person des Einschreiters, da diesem Gutglaubensschutz bei der Übermittlung der Bestellungsurkunde bezüglich der Namhaftmachung der leitenden Angestellten zukomme.

 

Der namhaft gemachte Rayonsleiter hätte über den räumlich und sachlich genau abgegrenzten Verantwortungsbereich zur Einhaltung der nunmehr inkriminierten Verwaltungsvorschriften verfügt und hätte er für die Einhaltung der Öffnungs- bzw Schließungszeiten dieser Filiale zu sorgen gehabt und dahingehend seine Kontrolle ausgeübt.

 

In Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Vertreterin des Arbeitsinspektorates gestehe er zu, daß dieser auf der dritten Ebene des Unternehmens stehende Rayonsleiter über keine Anordnungsbefugnis hinsichtlich der generellen Öffnungszeiten verfüge, er aber im Fall des unzulässigen Offenhaltens dieser Filiale seiner Dienstverpflichtung nicht im ausreichenden und angeordneten Maße nachgekommen ist.

 

Hinsichtlich der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der rechtswirksamen Bestellung von Dienstnehmern zu leitenden Angestellten gaben sowohl die Vertreterin des Arbeitsinspektorates als auch das Organ der Bezirkshauptmannschaft xx keine weiteren rechtlichen Erklärungen ab.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat daher erwogen wie folgt:

 

Ohne auf das materiellrechtliche Vorbringen weiter einzugehen,  ist dem Berufungsvorbringen des Beschuldigten zu folgen und erweist sich vorliegendes Rechtsmittel als berechtigt.

 

I

Zur Frage der rechtswirksamen Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß §9 Abs2 und 3 VStG iVm §23 ArbIG:

 

Ausgehend von den im Zuge des Ermittlungsverfahrens und der Amtskenntnis des Senates als erwiesen anzusehenden Verantwortungsbereichen und Kompetenzen eines auf der dritten Ebene der betrieblichen Hierarchie stehenden Rayonsleiters der spruchgenannten Gesellschaft, der unwidersprochenen, schlüssigen und gleichfalls amtsbekannten beruflichen Anforderungen und Kriterien an einen Filialinspektor, ist dieser als leitender Angestellter im Sinne des §23 Abs2 ArbIG für verfahrensgegenständliche zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen anzusehen.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner aktuellen und nunmehr als gesichert anzusehenden Rechtsprechung zum Ausdruck bringt, liegt es im Wesen der Funktion eines Filialinspektors, respektive Rayonsleiters, am Ort des Geschehens für die Einhaltung bestimmter rechtlicher Gebote und Verbote durch entsprechende Anweisungen im Zuge seiner wöchentlichen Kontrollen von Filialen und das Treffen von Anordnungen gegenüber von Filialleitern zu sorgen.

 

Der namhaft gemachte Rayonsleiter wäre entsprechend seiner Funktion im gegenständlichen Verfahren in der Lage gewesen, für die Einhaltung jener Vorschrift des FrNArbG zu sorgen, deren Verletzung dem Rechtsmittelwerber mittels angefochtenem Bescheid zur Last gelegt wurde. Dafür zu sorgen, daß entsprechend den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen die Arbeitszeitgrenzen den gesetzlich normierten Rahmen nicht übersteigen, ist eine geradezu typische Angelegenheit, die sinnvollerweise in den Verantwortungsbereich eines leitenden Dienstnehmers, der auf der dritten Stufe der firmeninternen betrieblichen Hierarchie steht, übertragen werden kann (vgl analog VwGH vom 7.4.1995, Zl 94/02/0470 und VwGH vom 9.6.1995, Zl 95/02/0046).

 

Im gegenständlichen Verfahren sind somit die in §23 Abs2 ArbIG erforderlichen Kriterien der rechtswirksamen Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß §9 Abs2 und 3 VStG erfüllt.

 

II

Sogar unter der Annahme der nicht rechtswirksamen Bestellung des namhaft gemachten Filialinspektors kann dem Berufungswerber subjektives Verschulden im Sinne des §5 VStG nicht angelastet werden.

 

Aufgrund der zu dem weitgehend rechtlich identen gleichgelagerten Verfahren MD-94-560 durchgeführten Ermittlungen, der in diesem Verfahren eingeholten Zeugenaussagen, des unbestritten gebliebenen Vorbringens des Rechtsmittelwerbers und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß durch das Arbeitsinspektorat die Richtigkeit der Urkunde und der Aussage der damals vernommenen Zeugen bestätigt wurde und der noch im obig angeführten Akt aufliegenden Urkunden E und F, welche auch die Entscheidungsgrundlage in diese Richtung noch verbreiterten und aufgrund ihres Inhaltes die Richtigkeit des Vorbringens des Einschreiters hinsichtlich der erforderlichen Übermittlung von Bestellungsurkunden an das Arbeitsinspektorat für den *. Aufsichtsbezirk dokumentieren, ist dem Beschuldigten ein tauglicher Entlastungsbeweis gelungen.

 

Da die allenfalls verspätete Übermittlung der Bestellungsurkunde an das zuständige Arbeitsinspektorat somit nicht dem Einschreiter angelastet werden kann, er dies erwiesenermaßen nicht verschuldet hat und er auch ein allenfalls subjektives Fehlverhalten nicht einsehen konnte, er der objektiven Sorgfaltspflicht in einem Ausmaß entsprochen hat, wie es ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle eingehalten hätte, (vgl VwGH 12.6.1989, 88/10/0169 ua) und der Aufforderung des Arbeitsinspektorates hinsichtlich der Übermittlung von Bestellungsurkunden nachgekommen worden ist, bildet sein Handeln einen Schuldausschließungsgrund.

 

In Hinblick auf die obigen Ausführungen war das bekämpfte Straferkenntnis aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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