TE UVS Wien 1996/01/18 04/G/35/214/95

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Veröffentlicht am 18.01.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Schwächter über die Berufung des Herrn Franz L, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft, gegen das Straferkenntnis des Magistrates

der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 11. Bezirk, vom 12.9.1994, Zl MBA 11 - S 106/94, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 368 Z 17 iVm § 73a GewO 1973, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens nicht auferlegt.

Text

Begründung:

Das angefochtene Straferkenntnis vom 12.9.1994 enthält folgende Tatanlastung:

"Sie haben es als Filialgeschäftsführer der M-Aktiengesellschaft mit dem Sitz in N und dem Hauptstandort des Gewerbebetriebes in Wien, S-gasse, zu verantworten, daß diese Gesellschaft in der Zeit von 28.10.1993 bis 17.11.1993 in der weiteren Betriebsstätte in Wien, E-Straße, verschiedene Obstwaren (Bananen und Trauben) die zur Entnahme durch den Käufer unter Masseangabe zum Verkauf bereitgehalten hat bzw in offenen Behältern abgepackt zum Verkauf angeboten hat, deren Preis nach der Masse berechnet wird, ohne die hiefür gem § 73a GewO 1973 erforderliche geeignete Waage zur Gewichtsnachprüfung durch Kunden bereitgehalten zu haben."

Dadurch habe der Berufungswerber § 73a GewO 1973, BGBl Nr 50/1974 idgF, verletzt, weswegen über ihn gemäß § 368 Z 17 leg cit eine Geldstrafe von S 3.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, verhängt und ihm ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von S 300,-- auferlegt wurde. Dagegen richtet sich die vorliegende Berufung, in der der Berufungswerber die Auffassung vertritt, daß die Erstbehörde von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgehe und § 73a GewO 1973 unrichtig angewendet habe. Aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt gehe hervor, daß die Gewerbeinhaberin in der Betriebsanlage sehr wohl über eine geeignete Waage verfügt habe, die es den Käufern ermöglicht habe, die Masse der von ihnen gekauften Waren in der Verkaufsstelle nachprüfen zu lassen. § 73a GewO 1973 schreibe nicht vor, wo sich die darin erwähnte Waage innerhalb der Betriebsanlage befinden müsse. Außerdem ergebe sich aus der zitierten

Gesetzesstelle, daß es ausreiche, eine Waage zu haben, die es dem Käufer ermögliche, die Masse der von ihm gekauften Waren "nachprüfen zu lassen". Daraus gehe hervor, daß der Abwiegevorgang nicht vom Kunden selbst durchgeführt werden müsse, sondern zu diesem Zwecke auch das Filialpersonal herangezogen werden könne. Diese Bestimmung unterscheide auch nicht zwischen Geschäften mit Selbstbedienung und Bedienungsverkehr. In der gegenständlichen Filiale habe sich, wie auch von der Erstbehörde festgestellt, eine geeichte und somit geeignete Waage im Bereich des Filialleiterbüros befunden. Diese könne von jedem Kunden auf Verlangen verwendet werden und sei das Filialpersonal angehalten, Kunden jederzeit den Zutritt zu gestatten und die Masse, der von diesen gekauften Waren, nachprüfen zu lassen. Der Umstand, daß diese Waage zum Zeitpunkt der Überprüfung nicht an das elektrische Stromnetz angeschlossen gewesen sei, habe für den Umstand, ob eine derartige Waage bereitgehalten wurde, keinen Einfluß, da das Anstecken dieser Waage an das Stromnetz einfach und rasch geschehen könne und diese nach dem Anstecken sofort einsatzbereit sei.

Die vorliegende Berufung ist aus folgenden Gründen berechtigt:

§ 73a GewO 1994 (in der hier zur Anwendung kommenden Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992) hat folgenden Wortlaut:

"Gewerbetreibende, die Waren zum Verkauf feilhalten, deren Preis nach

der Masse berechnet wird, oder die Waren zur Entnahme durch den Käufer feilhalten und hiefür eine bestimmte Masse angeben, müssen über eine geeignete Waage verfügen, die es dem Käufer ermöglicht, die

Masse der von ihm gekauften Waren in der Verkaufsstelle nachprüfen zu

lassen. Dies gilt nicht für Waren mit Masseangabe, die dem Gewerbetreibenden vorverpackt und originalverschlossen angeliefert werden."

Aus der Anzeige der Magistratsabteilung 59 - Marktamtsabteilung für den 22. Bezirk vom 13.12.1993 ergibt sich, daß die vor Umbau der Gemüseabteilung (28.10.1993) vorhandene geeichte Waage der Marke B mangels eines geeigneten Stromanschlusses aus der Abteilung entfernt und im Büroraum abgestellt worden sei. Diese Waage sei nicht in Funktion gewesen, da sie nicht ans Stromnetz (kein geeigneter Stecker

in der Nähe) angeschlossen gewesen sei. Bei einer neuerlichen diesbezüglichen Überprüfung am 17.11.1993 sei festgestellt worden, daß noch immer keine geeignete Abwaagemöglichkeit vorhanden gewesen sei.

Die erstinstanzliche Behörde hat dem angefochtenen Straferkenntnis die Auffassung zugrunde gelegt, daß unter Bereithaltung einer Waage zur Gewichtsnachprüfung durch Kunden nicht zu verstehen sei, daß die Kunden erst in den Büroraum gehen müßten, um nach Anschluß der Waage an das Stromnetz die Gewichtsnachprüfung der verschiedenen Obstwaren vornehmen zu können, sondern daß eine geeignete Waage im Verkaufsraum, der für jeden Kunden zugänglich sei, vorhanden sein müsse.

Wenn nun dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegt wird, daß die genannte Gesellschaft in der "weiteren Betriebsstätte" die gemäß § 73a GewO 1973 erforderliche geeignete Waage zur Gewichtsnachprüfung durch Kunden nicht bereitgehalten habe,

so ist dies im Hinblick auf die Angaben in der Anzeige der MAA 22 vom 13.12.1993, wonach in dieser Betriebsstätte eine geeichte Waage der Firma B vorhanden gewesen sei, unzutreffend. Ausgehend von ihrer in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses dargelegten Rechtsauffassung hätte die erstinstanzliche Behörde daher in der Tatanlastung anführen müssen, daß die im Spruch genannte Gesellschaft

"im Verkaufsraum" bzw "in den dem Verkauf gewidmeten Räumen" der gegenständlichen Betriebsstätte die gemäß § 73a GewO 1973 erforderliche geeignete Waage zur Gewichtsnachprüfung durch Kunden nicht bereitgehalten habe. Da der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Tat somit nicht begangen hat, war das Straferkenntnis bereits

aus diesem Grund zu beheben und das Verfahren spruchgemäß einzustellen.

Darüberhinaus vermag sich die Berufungsbehörde der von der Erstinstanz dem angefochtenen Straferkenntnis zugrundegelegten Rechtsauffassung nicht anzuschließen, da nach dem Wortlaut der oben zitierten Bestimmung - wie bereits der Berufungswerber in seiner Berufung aufgezeigt hat - Gewerbetreibende lediglich über eine geeignete Waage verfügen müssen, die es dem Käufer ermöglicht, die Masse der von ihm gekauften Waren in der Verkaufsstelle nachprüfen zu

lassen. Auch wenn die Bereithaltung einer von Kunden selbst zu bedienenden Waage an einer für Kunden frei zugänglichen Stelle in den

dem Verkauf gewidmeten Räumlichkeiten kundenfreundlicher und insbesondere auch im Hinblick auf eine Entlastung des Verkaufspersonals zweckmäßiger wäre, so läßt sich dem Wortlaut der oben zitierten Bestimmung, die auf die bloße Möglichkeit, die Masse mittels einer geeigneten Waage in der Verkaufsstelle nachprüfen zu lassen, abstellt, weder die Verpflichtung entnehmen, die Waage für die Käufer jederzeit sichtbar aufzustellen, noch dem Käufer die Möglichkeit zu geben, die Waage selbst zu bedienen (vgl VwGH 10.12.1991, 91/04/0221).

Daß es sich bei dem im § 73a leg cit verwendeten Begriff der "Verkaufsstelle" aber nicht nur um den für Kunden jederzeit zugänglichen eigentlichen Verkaufsraum handelt, ergibt sich auch aus dem Vergleich des § 73a leg cit mit den Bestimmungen der §§ 97, 100, 103 und 159 leg cit, in denen auf die "dem Verkauf gewidmeten Räume" abgestellt wird. Wenn der Gesetzgeber (der GewO-Novelle 1992) in den angeführten Bestimmungen einerseits den Begriff der "Verkaufsstelle" und andererseits die Wortfolge "in den dem Verkauf gewidmeten Räumen"

verwendet, so ist vielmehr davon auszugehen, daß er diesen Begriffen eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen hat und dies auch zum Ausdruck bringen wollte. Der Begriff "Verkaufsstelle" im 73a leg cit bezieht sich daher nicht nur auf die dem Verkauf gewidmeten Räume, sondern umfaßt unter anderem auch - wie im vorliegenden Fall - den zur Betriebsstätte gehörenden Büroraum des Filialleiters. Auch der Auffassung, daß eine nicht an das Stromnetz angeschlossene, jederzeit

aber anschließbare und nach dem Anstecken sofort einsatzbereite geeichte Waage der Marke B keine geeignete Waage im Sinne des § 73a leg cit sei, vermag sich die Berufungsbehörde nicht anzuschließen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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