TE UVS Steiermark 1996/03/12 30.10-139/95

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.03.1996
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Einzelmitglied Dr. Karin Clement über die Berufung der Frau J. K., vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. H. W. J. und Dr. M. E., P. 3/I, 8700 Leoben, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom 26.06.1995, GZ.: 15.1 1994/1833, ohne Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung abgewiesen. Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 60,-- binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen. Der Spruch des Straferkenntnisses erster Instanz wird dahingehend abgeändert, daß statt den Worten -Ihren schwarzen Schäferhund-,-einen schwarzen Schäferhund- eingefügt wird.

Text

Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, sie habe am 04.04.1994, um 19.00 Uhr, in Leoben, im Hof des Hauses J. Nr. 24, ihren schwarzen Schäferhund nicht mit einer Leine oder einen um den Fang geschlossenen Maulkorb versehen, obwohl Hunde an öffentlichen Orten, wie auf öffentlichen Straßen oder Plätzen, Gaststätten, Geschäftslokalen und dergleichen, so zu führen wären, daß eine jederzeitige Beherrschung des Tieres gewährleistet sei. Sie habe hiedurch die Rechtsvorschriften des § 6 a Abs 1 Stmk. TierschG, LGBl. Nr. 74/84, i.d.F. LGBl. Nr. 45/93 verletzt und wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe mit einer Höhe von S 300,--, im Uneinbringlichkeitsfall 10 Stunden Ersatzarrest, gemäß § 14 Abs 1 Stmk. TierschG verhängt.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, mit welcher ausführlich dargelegt wird, daß es sich nicht um den schwarzen Schäferhund der Berufungswerberin, sondern um den ihres Sohnes gehandelt habe. Überdies wird ausgeführt, daß der Ort, an dem der Hund nicht mit einer Leine oder mit einem Maulkorb versehen sei, kein öffentlicher Platz gewesen sei, da es sich um einen im Privateigentum der St. stehenden Hof handle bzw. um eine Wiese hinter dem Hof.

Da in der Berufung die Tat an sich, nämlich, daß die Berufungswerberin den schwarzen Schäferhund, den sie während der Abwesenheit ihres Sohnes beaufsichtigt hat, ohne Maulkorb und ohne Leine herumlaufen habe lassen, nicht bekämpft wird, konnte eine öffentliche, mündliche Verhandlung gemäß § 51 e Abs 2 VStG entfallen, da nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und im bekämpften Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, wobei die Durchführung einer Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt worden war.

Gemäß § 6 a Abs 1 Stmk. TierschG, LGBl. Nr. 74/84 idgF sind Hunde an öffentlichen Orten, wie auf öffentlichen Straßen oder Plätzen, Gaststätten, Geschäftslokalen und dergleichen entweder mit einem um den Fang geschlossenen Maulkorb zu versehen oder so an der Leine zu führen, daß eine jederzeitige Beherrschung des Tieres gewährleistet wird. Die Berufungswerberin behauptet nicht, daß sie den Hund mit einem um den Fang geschlossenen Maulkorb  versehen habe oder ihn an der Leine geführt habe. Bestritten wurde lediglich, daß der Tatort ein öffentlicher Ort sei. Alle im erstinstanzlichen Verfahren einvernommenen Zeugen geben übereinstimmend an, daß der Hund im Hof bzw. auf der Wiese hinter dem Haus J. Nr. 24 frei herumgelaufen sei. Dieses Grundstück befindet sich im Eigentum der St., sei jedoch für jedermann betretbar. Der Sohn der Berufungswerberin führte sogar aus, daß das Grundstück durch keine Umzäunung von anderen Grundstücken abgegrenzt sei. Auch ein Erhebungsbericht der Bundespolizeidirektion Leoben stellte fest, daß es sich zwar um ein Privatgrundstück, jedoch um einen öffentlichen Ort handle, da dieser uneingeschränkt betreten bzw. befahren werden dürfe, da weder eine Abschrankung durch Zäune, Zusatztore und Schranken oder dergleichen bestehe. Lediglich der Fahrzeugverkehr sei auf die Anrainer im Sinne des § 52 Z 1 StVO eingeschränkt.

Der § 6 a Stmk. TierschG spricht von einem öffentlichen Ort und zählt Beispiele wie Straßenplätze, Gaststätten und Geschäftslokale auf. Unter einem öffentlichen Ort ist ein Ort zu verstehen, welcher von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden kann, wenn er einerseits faktisch in der Lage ist, diesen Ort zu benutzen und andererseits keine sichtbaren Hinweise dafür vorhanden sind, daß es sich einen der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Ort handle. Dem äußeren Anschein nach war daher der Tatort zur allgemeinen Benützung frei, wie dies alle einvernommenen Zeugen und der Erhebungsbericht der Bundespolizeidirektion Leoben darstellt. Auch ein im Privateigentum stehendes Grundstück ist der Allgemeinheit zugänglich, wenn es nicht abgeschrankt oder eingezäunt ist und ein entsprechender Hinweis auf ein Verbot des Betretens angebracht ist, zumal die Besitzverhältnisse nichts über einen öffentlichen Ort aussagen, wie z.B. dies auch bei einer Gaststätte und Geschäftslokalen der Fall ist, welche im Gesetz demonstrativ als öffentliche Orte aufgezählt sind. Auch unter Berücksichtigung des Normzweckes der Übertretung der Verwaltungsvorschrift darf der Begriff öffentlicher Ort nicht eng ausgelegt werden, da überall dort, wo nicht in privater Sphäre Menschen auf Tiere treffen, beide durch gewisse Sicherheitsmaßnahmen vor einander geschützt werden sollen. Dabei darf nicht übersehen werden, daß Tiere durch ihre Triebe und Instinkte eine Gefahrenquelle darstellen (vgl. OGH, 1 Ob 609/94 zu § 1320 ABGB).

Da die Eigentumsverhältnisse an dem Hund nicht Tatbestandsmerkmal einer Übertretung nach § 6 a Stmk. TierschG sind, konnte zum besseren Verständnis das besitzanzeigende Fürwort -ihren- durch den unbestimmten Artikel -einem- ausgetauscht werden. Da die Begründung eines Bescheides zur Auslegung des Bescheidspruches herangezogen werden kann (vgl. Erkenntnis VwGH vom 12.04.1988, Zl. 87/07/0176) ergibt sich aus der Begründung des Straferkenntnisses, daß der von der Berufungswerberin an dem öffentlichen Ort geführte Hund, welcher keinen Maulkorb trug und nicht an der Leine war, ihrem Sohn gehörte, jedoch zum Tatzeitpunkt in ihrem Gewahrsame stand, sodaß der Spruch des Straferkenntnisses mit der Begründung auch nicht im Widerspruch steht. Es bleibt daher noch zu prüfen, ob die über die Berufungswerberin verhängte Strafe schuld- und tatangemessen ist.

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Schutzzweck der übertretenen Norm ist es, Mensch oder Tier, vor wodurch auch immer ausgelösten Attacken eines Hundes zu schützen, indem dieser einerseits durch den Maulkorb gehindert wird zuzubeißen, oder andererseits durch die Leinenführung eine jederzeitige Beherrschung des Tieres durch den Hundeführer gewährleistet wird. Indem der schwarze Schäferhund des Sohnes der Berufungswerberin frei herumlief, hat diese durch Unterlassung dieser Schutzmaßnahmen eindeutig gegen den Schutzzweck verstoßen. Da die Folgen der Übertretung - der Hund konnte auf ein Auto springen und hat vielleicht Kratzspuren hinterlassen - nicht unbedeutend sind, konnte § 21 VStG nicht zur Anwendung kommen. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß  anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Als mildernd konnte die Unbescholtenheit der Berufungswerberin gewertet werden, Erschwerungsgründe liegen keine vor. Als Verschuldensform liegt zumindest Fahrlässigkeit vor. Auch unter Berücksichtigung der von der Berufungswerberin bekanntgegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (Mindestpension von monatlich S 7.000,--), erscheint die von der Erstbehörde verhängte Strafe, welche ohnedies im  untersten Strafbereich des gesetzlichen Strafrahmens gemäß § 14 Abs 1 Stmk. TierschG von bis zu S 100.000,-- liegt, durchaus schuld- und tatangemessen. Gemäß § 64 Abs 2 VStG sind die Kosten für das Strafverfahren erster Instanz mit 10 Prozent der verhängten Strafe, für das Berufungsverfahren mit weiteren 20 Prozent der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit S 20,-- zu bemessen.

Schlagworte
Hund öffentlicher Ort Maulkorb Tatbestandsmerkmal Auswechslung der Tat
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten