TE UVS Wien 1996/05/08 02/11/67/96

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Veröffentlicht am 08.05.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Leitner über den Antrag des Herrn Hamidreza A, vertreten durch Rechtsanwalt, auf Entscheidung gem § 89 Abs 4 SPG, BGBl Nr 566/1991, wegen behaupteter Verletzung der Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der die Richtlinien für das Einschreiten des Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden, BGBl Nr 266/1993 (Richtlinienverordnung) im Zusammenhang mit dem straßenpolizeilichen Einschreiten der Organe der Bundespolizeidirektion Wien vom 15.1.1996, um 18.00 Uhr, in Wien, G-gasse, entschieden:

1. Die Beschwerde wird gemäß § 2 Abs 2 iVm § 31 Abs 1 und Abs 3 und § 89 Abs 4 SPG, BGBl Nr 566/1991, im Zusammenhang mit § 1 Abs 1 der Richtlinienverordnung, BGBl Nr 266/1993 und gemäß § 67c Abs 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

2. Gemäß § 89 Abs 4 und 5 iZm § 88 Abs 2 SPG und § 79a AVG sowie im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl Nr 855/1995, wird dem Beschwerdeführer ein Kostenersatz z Hdn der belangten Behörde in der Höhe von S 565,-- für den Vorlageaufwand - zahlbar binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution - auferlegt.

Text

Begründung:

1.) Dem gegenständlichen Antrag auf Entscheidung gemäß § 89 Abs 4 SPG (Anrufung gemäß § 89/4 SPG) liegt folgender Beschwerdeinhalt aufgrund des übereinstimmenden Vorbringens beider Verfahrensparteien zugrunde: Der Beschwerdeführer beging vor dem Hause Nr 22 der G-gasse in Wien eine straßenpolizeiliche Verwaltungsübertretung; der Beschwerdeführer beruft sich in diesem Zusammenhang auf die Vornahme und Durchführung einer Ladetätigkeit. Ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Bundespolizeidirektion Wien in seiner Funktion als Organ der Straßenaufsicht gemäß § 97 StVO 1960, erteilte dem Beschwerdeführer eine Weisung unter Berufung auf § 97 Abs 4 StVO auf Weiterfahrt mit dem vorschriftswidrig abgestellten Fahrzeug. Diese Weisung wurde nicht befolgt und wurde der Beschwerdeführer unter Anwendung von Körperkraft gemäß § 4 und § 2 Abs 2 Waffengebrauchsgesetz 1969 auf den Gehsteig gedrängt. Nach Vorbringen des Beschwerdeführers war er gegen eine Auslagenscheibe dabei gestoßen worden u sollen bei dieser Amtshandlung beleidigende Ausdrücke seitens der einschreitenden Sicherheitswachebeamten verwendet und gegen ihn ausgesprochen worden sein, weshalb eine Verletzung der Richtlinienverordnung im Hinblick auf "rassistische Bemerkungen" geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer wendete sich mit diesem Vorbringen an das Generalinspektorat der Bundespolizeidirektion Wien - Sicherheitswacheabteilung Margareten, an das Bundesministerium für Inneres, z Hdn des Innenministers und an den Bürgermeister der Stadt Wien.

1.1. Seitens der belangten Behörde liegt eine verwaltungsstrafrechtliche Anzeige wegen Verwaltungsübertretungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 vom 15.1.1996 (Daten der Ausfertigung 22.1.1996) zugrunde, wonach der Beschwerdeführer sich als Fußgänger vorschriftswidrig verhalten habe (§ 76 Abs 1 StVO) und eine Weisung nicht befolgt habe (§ 97 Abs 4 StVO). Der Beschwerdeakt des Generalinspektorates der Bundespolizeidirektion Wien endet nach niederschriftlicher eingehender Befragung der involvierten Beamten mit einer Sachverhaltsmitteilung gemäß § 89 Abs 3 und § 89 Abs 4 SPG, worin dem Beschwerdeführer am 24.3.1996 Mitteilung gemacht worden war, daß eine Verletzung der Richtlinienverordnung (§ 5 Abs 1 und 2) nicht vorliege und somit die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

2.) Dagegen richtet sich die vorliegende "Anrufung gemäß § 89 Abs 4 SPG", welche vom ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers eingebracht wurde und nur eine Deutung als Antrag auf Entscheidung gemäß § 89 Abs 4 SPG angesehen werden kann.

3.) Der Antrag auf Entscheidung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Wien gemäß § 89 Abs 4 SPG ist unzulässig und war deshalb zurückzuweisen.

§ 2 des II. Hauptstückes des 1. Teiles des Bundesgesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung des Sicherheitspolizeigesetz, BGBl 566/1991 vom 31.10.1991, definiert als Sicherheitsverwaltung jenen Bereich, der den Sicherheitsbehörden obliegt; welcher aus Sicherheitspolizei, den Paß- und den Meldewesen der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen, sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten ausschließlich besteht. Die Sicherheitspolizei ist im § 3 leg cit unter Verweis auf Art 10 Abs 1 Z 7 B-VG definiert.

§ 31 SPG lautet:

Abs 1) Der Bundesminister für Inneres hat zur Sicherstellung wirkungsvollen einheitlichen Vorgehens und zur Minderung der Gefahr eines Konfliktes mit Betroffenen durch Verordnung Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erlassen.

Abs 3) Soweit diese Richtlinien auch für Befugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zuständigkeitsbereich anderer Bundesminister gelten soll, erläßt der Bundesminister für Inneres die Verordnung im Einvernehmen mit den in ihrem Wirkungsbereich berührten Bundesministern.

Am 27.4.1993 wurde vom Bundesminister für Inneres die Verordnung erlassen, mit der die Richtlinien für das einschreitende Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden (Richtlinienverordnung - RLV), BGBl Nr 266/1993.

§ 1 Abs 1 leg cit lautet:

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben innerhalb der Sicherheitsverwaltung (§ 2 Abs 2 SPG) jene Aufgaben zu erfüllen, die im Rahmen des Exekutivdienstes, insbesondere durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu sorgen sind. In anderen Bereichen der Verwaltung, haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes solche Aufgaben aufgrund besonderer gesetzlicher Anordnung zu erfüllen.

Die Straßenpolizei ist gemäß Art 11 Abs 1 Z 4 B-VG 1920 in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes vom 6.7.1960, BGBl 148/1960 in Gesetzgebung Bundessache und in Vollziehung Landessache (siehe hiezu Anhang I der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR und die dort enthaltenen Ausführungen über den Begriff der Straßenpolizei).

Aus historischer Sicht und der Entwicklung des (Landes-)Straßenpolizeirechts, ist nachzuvollziehen, daß die früheren einzelnen landesgesetzlichen Regelungen dem Art 15 B-VG (Staatsgesetzblatt Nr 140/1920) unterstanden. Mit der Kompetenzänderung 1925, BGBl 268/1925 der Ausführungsgesetz- und Vollzugsbereich in die Kompetenz der Länder übertragen, durch die Verfassungsänderung, BGBl Nr 148/1960 die Angelegenheiten der Straßenpolizei letztgültig dem Artikel 11 B-VG subsumiert und die StVO 1960 in Geltung gesetzt.

Demgegenüber zielen die Ausführungen hinsichtl des Geltungsbereiches zum Sicherheitspolizeigesetz, 140 BlgNR XVIII GP, unter I im allgemeinen Teil ausschließlich auf den Bereich der allgemeinen Sicherheitspolizei unter ausdrücklicher Ausklammerung anderer Bereiche (örtliche Sicherheitspolizei, Verwaltungspolizei) ab. Zu § 2 wird im besonderen Teil II ausgeführt, daß "als Sicherheitsverwaltung hier jene Materien definiert werden, die seit jeher als Kern der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden angesehen werden und die derzeit im § 3 der Verordnung des Bundesministeriums für Inneres über die Einrichtung und den Wirkungsbereich der Sicherheitsbehörden, BGBl Nr 74/1946, aufgezählt waren. Sie werden um den damals offenbar der Sicherheitspolizei, dem Paßwesen und der Fremdenpolizei zugeschriebenen Tatbestand der Überwachung des Eintrittes und des Austrittes aus dem Bundesgebiet erweitert".

Zu § 31 wird unter Hinweis auf den vom Bundesminister für Inneres zu erlassenden "Berufspflichtcodex" ausgeführt, "daß es denkbar erscheint, daß dieser Berufspflichtcodex auch im Bereich außerhalb der Sicherheitsverwaltung Geltung haben soll, etwa bei der Handhabung verwaltungsstrafrechtlicher Befugnisse, und wurde deshalb die Möglichkeit einer Mitwirkung der sachlich beteiligten Bundesminister bei Erlassung der Verordnung vorgesehen, die diese Richtlinien auch für Verwaltungsbereiche aus deren Zuständigkeit anwendbar machen würde".

Die RLV wurde im Einvernehmen mit dem BMJ und BMföWuV erlassen. Diese Kompetenz wurde jedoch hinsichtlich des in den Bereich der Länder fallenden Vollzuges nicht in Anspruch genommen. Bei gesetzeskonformer Interpretation ergeben sich sohin als sachliche Anwendungsgebiete außerhalb der Sicherheitsverwaltung nur jene Vollzugsgebiete deren Vollziehung dem BMJ u BMföWuV zugewiesen sind. Sonstige Angelegenheiten der Bundes- o Landesvollziehung (etwa StVO) fallen nicht in den Anwendungsbereich der RLV (Hiezu Hauer/Keplinger, Handbuch zum SicherheitspolizeiG, Prugg Verlag Eisenstadt, 1993, Seite 169 f)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat am 20.4.1994 zur Zl VwSen-2800008/2/KL/RD entschieden, daß "außerhalb des Bereiches der Sicherheitsverwaltung die Richtlinienverordnung nur für jene Materien gilt, die in die Bundesvollziehung fallen und, sofern mit dem jeweils zuständigen Bundesminister das Einvernehmen bei der Verordnungserlassung hergestellt wurde. Sind hingegen die Länder zur Vollziehung des Gesetzes berufen - wie hinsichtlich der auf Art 11 B-VG beruhenden StVO - findet die RLV keine Anwendung (Zurückweisung)". (Hiezu Hauer/Keplinger, ebda, Anm 2 zu § 31 SPG).

Der der gegenständlichen Beschwerde zugrunde liegende Sachverhalt ist somit offenkundig vom Geltungsbereich der Richtlinienverordnung, BGBl Nr 266/1993, nicht erfaßt, weshalb der Antrag auf Entscheidung gemäß § 89 Abs 4 SPG ohne weiteres Eingehen auf den Beschwerdeinhalt als unzulässig zurückzuweisen war.

4.) Hinsichtlich der im ursprünglichen Beschwerdevorbringen an das Generalinspektorat der Sicherheitswache der Bundespolizeidirektion Wien, enthaltenen Vorwurfes der Körperverletzung, ist die Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate nicht gegeben.

5.) Gemäß § 89 Abs 5 SPG gilt im Verfahren gemäß § 89 Abs 2 vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten die §§ 67c bis 67g AVG sinngemäß.

Mit der AVG-Novelle 1990, BGBl Nr 357/1990, wurde § 79a (Kosten bei Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) eingeführt. Demzufolge stehen der Partei, die gemäß § 67c Abs 3 obsiegt, der Ersatz der Kosten zu.

Aufgrund des § 79a Abs 4 Z 3 sowie Abs 5 und Abs 7 und § 79b Abs 3 des AVG in der Fassung BGBl Nr 471/1995, wurde vom Bundeskanzler im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates die Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze für den Schriftsatz und Verhandlungsaufwand im Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt verordnet. Im § 1 Z 3 wird für die Berechnung des Aufwandersatzes im Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 67c AVG als Ersatz für den Vorlageaufwand der belangten Behörde als obsiegender Partei der Pauschalbetrag von S 565,-- festgelegt.

Gemäß § 2 leg cit dieses Zitates tritt diese Verordnung mit 1.1.1996 in Kraft.

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden. (vgl hiezu auch die Entscheidungen des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, Zl UVS-02/31/36/94 und UVS-02/V 31/23/95).

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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