TE UVS Steiermark 1996/05/15 30.7-108/95

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Veröffentlicht am 15.05.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Herbert Thaller über die Berufung des Herrn Dr. R. T., p.A. Sch.-gasse 31, G., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 21.09.1995, GZ.: III/St-1015/95, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von S 800,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzarreststrafe von 1 Tag, verhängt, weil er entgegen § 22 Abs 1 Z 2 Meldegesetz am 05.12.1994 beim Gemeindeamt M. W. eine Anmeldung in M. W. Nr. 16 vorgenommen habe, obwohl keine Unterkunftsnahme erfolgt sei.

Im wesentlichen begründet die belangte Behörde die Bestrafung des Berufungswerbers damit, daß infolge der vom Berufungswerber nicht erfolgten Unterkunftnahme eine Anmeldung vorgenommen wurde. Es liege nach Meinung der belangten Behörde eine Unterkunftnahme vor, wenn von einer Wohnung oder Unterkunft widmungsgemäßer Gebrauch gemacht werde. Dies sei grundsätzlich erst dann der Fall, wenn eine Person die Wohnung tatsächlich zum Wohnen oder Schlafen benützt. Die fehlende Benützungsbewilligung und der fehlende Stromanschluß hätten zum Zeitpunkt der Anmeldung eine Unterkunftnahme der Wohnung durch den Berufungswerber unmöglich gemacht.

Dagegen wurde vom Berufungswerber rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung erhoben und ausgeführt, daß der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt im wesentlichen unbestritten bleibe. Der Berufungswerber stützt seine Rechtsansicht darauf, daß infolge der Besitzübernahme der Wohnung und der Übernahme des in der Wohnung zum Zeitpunkt des Kaufes befindlichen Inventars, welches er in dieser Wohnung verwahre, und seiner Absicht, die Wohnung ausschließlich als Sommerferienwohnung zu benützen, ein Nebenwohnsitz begründet worden sei. Er ersuche daher den angefochtenen Bescheid zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu den Bescheid zu beheben und der Behörde erster Instanz zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zu übermitteln.

Die gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständige Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen: Gemäß § 51 e Abs 2 VStG ist eine öffentliche, mündliche Verhandlung dann nicht anzuberaumen, wenn in einer Berufung nur eine unrichtige, rechtliche Beurteilung geltend gemacht wird. Es handelt sich bei unbestrittenem Sachverhalt nur um eine Rechtsfrage, weshalb eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich war. Darüber hinaus haben sowohl die belangte Behörde (anläßlich der Übermittlung der Verwaltungsstrafakten erster Instanz) als auch der Berufungswerber auf Anfrage bekanntgegeben, auf die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung zu verzichten. Im wesentlichen geht es um die Beurteilung der Frage, ob durch die vom Berufungswerber gesetzten Handlungen ein Nebenwohnsitz im Sinne des § 1 Abs 6 des Meldegesetzes 1991 in der Fassung BGBl. Nr. 505/1994 begründet wurde.

§ 1 Abs 6 leg cit lautet:

Ein Wohnsitz eines Menschen ist an einer Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben.

§ 1 Abs 7 leg cit lautet:

Der Hauptwohnsitz eines Menschen ist an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat.

Die soeben zitierten Bestimmungen des Meldegesetzes 1991 wurden mit dem Bundesgesetz, mit dem der Hauptwohnsitz im Bundesrecht verankert wird (Hauptwohnsitzgesetz), BGBl. Nr. 505/1994, neu eingeführt. Dies eröffnete die Möglichkeit, einen Haupt- und einen oder mehrere Nebenwohnsitze zu haben. Dennoch wurde durch die genannte Novelle das Meldegesetz 1991 hinsichtlich der bestehenden Meldeverpflichtung im wesentlichen nicht geändert. Wie schon das Meldegesetz 1972, welches vor dem Inkrafttreten des Meldegesetzes 1991 auch die Möglichkeit vorsah, einen Haupt- und einen oder mehrere Nebenwohnsitze oder sogar zwei Hauptwohnsitze zu haben, sah als Bedingung für die Meldeverpflichtung eine Unterkunftsnahme vor, die die Meldepflicht auslöste. Es ist daher auch die zum Meldegesetz 1972 diesbezüglich ergangene Judikatur für den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Demnach wird von einer Unterkunftsnahme dann die Rede sein, wenn von einer Unterkunft widmungsgemäßer Gebrauch gemacht wird. Das wird zwar bei einer Unterkunft in der Form von einer Wohnung  zumeist mit dem tatsächlichen Wohnen und Schlafen, d.h. also mit dem tatsächlichen Benützen der Wohnung der Fall sein, es kann aber auch überall dort eine Unterkunftsnahme erfolgen, wo Räume von Personen zur Befriedigung eines, wenn auch nur vorübergehenden, Wohnbedürfnisses tatsächlich benützt werden. Zu den Wohnbedürfnissen zählt aber nicht nur das Nächtigen, sondern auch das Sich-darin-Aufhalten, das Verwahren seiner Sachen usw. Daß bei einem Nebenwohnsitz eine ständige Befriedigung eines Wohnbedürfnisses nicht der Fall ist, versteht sich von selbst. Dem Berufungswerber wird vorgeworfen, entgegen dem § 22 Abs 1 Z 2 Meldegesetz 1991 eine Anmeldung vorgenommen zu haben, obwohl keine Unterkunftnahme erfolgt sei. Dieser Vorwurf besteht nicht zu Recht. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist mit dem Berufungswerber der Meinung, daß es entsprechend der Bestimmung des § 1 Abs 6 Meldegesetz 1991 auf die Absicht eines Menschen ankommt, an einer Unterkunft bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu schaffen. Während es bei der Begründung eines Hauptwohnsitzes auf mehrere Lebensbeziehungen (Argument "berufliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Lebensbeziehungen eines Menschen") ankommt, ist für die Begründung eines Nebenwohnsitzes gemäß § 1 Abs 6 leg cit lediglich ein Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen notwendig (Argument "..... einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen ..."). Der Berufungswerber hat in seinen sämtlichen Darstellungen vor der belangten Behörde und in seiner Berufung immer seinen bisherigen Wohnsitz in G. als Hauptwohnsitz, somit als Mittelpunkt seiner beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebenbeziehungen einbekannt. Er hat aber andererseits für die Wohnung in M. W., für welche er die strafgegenständliche Anmeldung vorgenommen hat, immer ausgeführt, daß es sich bei dieser Wohnung um einen Nebenwohnsitz im Sinne einer Ferienwohnung handelt. Es ist somit der eine von § 1 Abs 6 Meldegesetz 1991 geforderte Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat räumt der belangten Behörde ein, daß die Absicht des Berufungswerbers in M. W. lediglich einen Nebenwohnsitz zu begründen, durchaus ein interner Vorgang ist, der schwer beweisbar ist. Das Gesetz spricht dazu von der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Niederlassungsabsicht. Diese hat der Berufungswerber hinsichtlich des Nebenwohnsitzes in M. W. hinreichend bewiesen und gehen diese auch aus den Umständen (Wohnungskauf, Übernahme des Inventars, Verwahrung des Inventars, Vergabe eines Bauauftrages, Besorgen eines eigenen Stromanschlusses usw.) eindeutig hervor. Darüber hinaus hat der Berufungswerber angegeben, am letzten Wochenende des November 1994 in der gegenständlichen Wohnung genächtigt zu haben, womit der Berufungswerber nach Meinung des Unabhängigen Verwaltungssenates die Begründung der Unterkunft als Nebenwohnsitz schon vorgenommen hat.

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG ist das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, wenn die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat von ihm nicht begangen wurde.

Der Unabhängige Verwaltungssenat steht auf dem Standpunkt, daß der Berufungswerber die ihm vorgeworfene Tat (Vornahme einer Anmeldung, obwohl keine Unterkunftnahme erfolgt ist) nicht begangen hat. Es mußte sohin das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten eingestellt und der angefochtene Bescheid behoben werden.

Schlagworte
Unterkunftnahme Nebenwohnsitz Niederlassungsabsicht
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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