TE UVS Wien 1996/07/23 05/K/14/477/96

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.07.1996
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Findeis über die Berufung des Herrn Karl M vom 9.4.1996 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4, Referat 5, vom 22.3.1996, Zahl MA 4/5-PA-187396/5/1, wegen Übertretung des § 1a Parkometergesetz, LGBl für Wien Nr 47/1974, idgF iVm § 9 Abs 1 VStG, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Der Berufungswerber hat gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4 - Referat 5, erkannte den Berufungswerber mit Straferkenntnis vom 22.3.1996 schuldig, als zur Vertretung nach außen berufene Person der Zulassungsbesitzerin, der H-GmbH, dem am 16.10.1995 ordnungsgemäß zugestellten Verlangen des Magistrates vom 6.10.1995, innerhalb von zwei Wochen Auskunft darüber zu geben, wem das Fahrzeug Marke BMW mit dem behördlichen Kennzeichen VS-60 überlassen gewesen sei, welches am 7.8.1995, um 15.12 Uhr, in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone Wien, R-platz abgestellt gewesen sei, nicht entsprochen zu haben. Dadurch habe er § 1a Parkometergesetz iVm § 9 Abs 1 VStG verletzt, weswegen gemäß § 4 Abs 2 Parkometergesetz eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt und S 50,-- als Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben wurde.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat aufgrund der form- und fristgerechten Berufung unter Zugrundelegung des erstinstanzlichen Akteninhaltes erwogen:

Das Kraftfahrzeug Marke BMW 730 mit dem deutschen Kennzeichen VS-60 wurde vom Kontrollorgan DNr 351 am 7.8.1995, um 15.12 Uhr, in Wien, R-platz in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne ordnungsgemäß entwerteten Parkschein abgestellt vorgefunden. Laut Kraftfahrt-Bundesamt Flensburg ist die H-GmbH in B, K-straße, Halter dieses gegenständlichen Kraftfahrzeuges.

Daraufhin richtete die Erstbehörde an diese Gesellschaft folgendes als "Lenkererhebung" bezeichnetes Auskunftsverlangen:

"Unter Hinweis auf § 1a des Parkometergesetzes, LGBl für Wien Nr 47/74, in der geltenden Fassung, werden Sie als Zulassungsbesitzer ersucht, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens Auskunft darüber zu geben, wem Sie das Fahrzeug Marke BMW mit dem behördlichen Kennzeichen VS-60, welches am 7. August 1995 um 15.12 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone Wien, R-platz abgestellt war, zu diesem Zeitpunkt überlassen gehabt haben. Senden Sie hiezu dieses Schreiben ausgefüllt an die Magistratsabteilung 4 - Referat 5, Wiener Praterstadion, Meiereistraße 7, 1020 Wien oder rufen Sie die genannte Dienststelle, Telefon 0043/1/4000, Klappe 86803 an. Sollten Sie diesen Termin nicht einhalten, müßte ein Strafverfahren wegen Übertretung des § 1a Parkometergesetz (Verletzung der Auskunftpflicht) eingeleitet werden."

Diese Verwaltungsanordnung enthält weiters den Wortlaut der Bestimmung des § 1a Parkometergesetz sowie einen Vordruck zur Erleichterung der Abgabe einer vollständigen Lenkerauskunft. Laut internationalem Rückschein wurde dieses Auskunftsverlangen des Magistrates der Stadt Wien am 16.10.1995 von einem Angestellten der H-GmbH namens W übernommen.

Da keine fristgerechte Lenkerbekanntgabe erfolgte, erhob der Magistrat der Stadt Wien im Wege der Amts- und Rechtshilfe, daß der Berufungswerber Geschäftsführer und Firmeninhaber der H-Gesellschaft mbH ist.

Daraufhin erließ die Erstbehörde die Strafverfügung vom 12.2.1996, wonach dem Berufungswerber die nunmehr im Straferkenntnis angelastete Verwaltungsübertretung des § 1a Parkometergesetz vorgeworfen wurde. Dagegen erhob der Berufungswerber rechtzeitig Einspruch, in dem er ausführte, er sei davon ausgegangen, daß der große Parkplatz vor dem Hotel in Wien, R-platz den Gästen des Hotels "P" gebührenfrei zur Verfügung stehe. In der Folge erging das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.

Rechtlich ergibt sich folgendes:

§ 1a Wiener Parkometergesetz lautet:

"(1) Der Zulassungsbesitzer und jeder, der einem Dritten das Lenken eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges oder die Verwendung eines mehrspurigen Fahrzeuges überläßt, für deren Abstellen Parkometerabgabe zu entrichten war, hat, falls das Kraftfahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt war, dem Magistrat darüber Auskunft zu geben, wem er das Kraftfahrzeug oder das Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen gehabt hat.

(2) Die Auskunft, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten muß, ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht erteilt werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen."

Eine Übertretung dieses Gebotes ist entsprechend § 4 Abs 2 Parkometergesetz als Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis zu 1.000 Schilling zu bestrafen.

Nach der bisher ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Wien (siehe ua Zl 89/18/0055 vom 7.7.1989), war die Nichtbeantwortung oder unrichtige Beantwortung einer durch die österreichische Behörde an den "Kraftfahrzeugbesitzer" (Fahrzeughalter) mit dem Wohnsitz im Ausland gerichteten Lenkeranfrage im Sinne des § 103 Abs 2 KFG 1967 (zu § 1a Parkometergesetz vergleichbare Lenkeranfrage des Kraftfahrgesetzes) nicht strafbar. Dies deshalb, weil als Tatort für die Übertretung dieser Bestimmung jener Ort angesehen wurde, an dem der Zulassungsbesitzer die Auskunft verweigert (oder unrichtig erteilt) hat. Danach hätte der im Ausland angefragte Zulassungsbesitzer, der keine (oder eine unrichtige) Auskunft erteilte, nicht im Inland gehandelt.

Gemäß § 2 Abs 1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen, nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar.

Entsprechend § 2 Abs 2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen, oder wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.

Nach der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH 15.9.1995, Zahl 95/17/0211) ist aber als Erfüllungsort dieser Auskunftspflicht nunmehr der Sitz der anfragenden Behörde anzusehen. Demnach ist der Ort, an dem der Täter hätte handeln sollen, jener, an dem seine öffentlich - rechtliche Verpflichtung zu erfüllen gewesen wäre. Im Lichte dieser Judikatur wäre dies im Berufungsfalle der Sitz des Magistrates der Stadt Wien in Wien. Es stellt sich allerdings nunmehr die Frage, ob eine inländische (österreichische) Behörde befugt ist, eine Lenkeranfrage im Sinne des § 1a Parkometergesetz an eine im Ausland wohnhafte natürliche Person oder wie im vorliegenden Fall an eine Gesellschaft mbH mit Sitz im Ausland als Halter eines dort zugelassenen Kraftfahrzeuges zu stellen.

Aufgrund der bisherigen Tatortjudikatur hat der Verwaltungsgerichthof noch keine Rechtsansicht geäußert (vgl VwGH 7.7.1989, Zl 89/18/0055

"...sodaß auf die weitere Rechtsfrage, ob der eingetragene Fahrzeughalter nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland mit dem Zulassungsbesitzer im Sinne des § 37 Abs 2 KFG rechtlich gleichzustellen ist, nicht eingegangen werden mußte."). Entsprechend Art 1 Abs 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31. Mai 1988 leisten die Vertragsstaaten in öffentlichen-rechtlichen Verfahren ihrer Verwaltungsbehörden in österreichischen Verwaltungsstrafverfahren und in deutschen Bußgeldverfahren, soweit sie nicht bei einer Justizbehörde anhängig sind, ferner in Verfahren vor den österreichischen Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit und den deutschen Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit nach Maßgabe dieses Vertrages Amts- und Rechtshilfe. Der Vertrag geht vom Grundsatz des unmittelbaren Verkehrs zwischen den beteiligten Stellen aus und sieht weiters in Art 10 Abs 1 vor, daß Schriftstücke in Verfahren nach Art 1 Abs 1 unmittelbar nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt werden dürfen.

Grenzen dieses unmittelbaren Verkehrs der beteiligten Staaten sind in Art 4 normiert: Amts- und Rechtshilfe wird nicht geleistet, wenn sie nach dem Recht des ersuchten Staates unzulässig ist oder wenn die Erledigung des Ersuchens geeignet wäre, die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen des ersuchten Staates zu beeinträchtigen. Der Verwaltungsgerichtshof in Wien hat wiederholt die Rechtsansicht vertreten (vgl zB Erkenntnisse vom 29.11.1989, Zl 88/03/0154, und vom 4.6.1991, Zl 90/18/0091), daß die Zustellung eines Ersuchens um schriftliche Stellungnahme, an eine im Ausland (im Beschwerdefall: in der BRD) lebende Person keinen Eingriff in die Hoheitsrechte des betreffenden ausländischen Staates bildet, wenn es mit keinerlei Sanktionsdrohungen verbunden war. Nach der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland ist ein Fahrzeughalter nicht verpflichtet, der Polizei den Fahrer zu benennen, der sein Fahrzeug geführt und mit diesem eine Verkehrsordnungswidrigkeit oder eine Straftat begangen hat. Die Behörde ermittelt aufgrund des bekannten polizeilichen Kennzeichens den Fahrzeughalter und sendet diesem einen sogenannten "Anhörungsbogen" zu. Mit diesem wird der Fahrzeughalter aufgefordert, den verantwortlichen Fahrer zu benennen. Der Fahrzeughalter kann jedoch, wenn ihm ein "Anhörungsbogen" zugeht, sich gegenüber der Polizei dahingehend einlassen, daß er keinerlei Angaben macht, und zwar weder zur Person des Fahrers noch zur Sache selbst.

Auch darf aus der Haltereigenschaft alleine grundsätzlich nach der deutschen Rechtsprechung nicht auf die Fahrer- bzw Tätereigenschaft geschlossen werden. Aus dem Schweigen des Halters darf ebenfalls nicht der Schluß gezogen werden, daß er der Fahrer war, sonst würde sein verfassungsrechtlich garantiertes Schweigerecht ausgehöhlt.

Eine Aussageverpflichtung für den Fahrzeughalter besteht grundsätzlich nur dann, wenn ein richterliches Verfahren gegen einen Dritten - etwa gegen unbekannt - eingeleitet und so der Halter als Zeuge vor dem Gericht einvernommen wird (siehe Wolf-Dieter Beck, Kennzeichenanzeigen in der Bundesrepublik Deutschland, ZVR 1988, 365).

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien gelangt daher zur Rechtsansicht, daß eine an den in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Wohnort oder Sitz eines Halters eines dort zugelassenen Kraftfahrzeuges gerichtete "Lenkeranfrage" einer österreichischen Behörde, die für den Fall des nicht fristgerechten oder unrichtigen Beantwortens eine Strafdrohung vorsieht, sowohl dem Völkergewohnheitsrecht als auch dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31. Mai 1988, widerspricht:

Die durch das Amts- und Rechtshilfeabkommen eingeräumte Vereinfachung im Zustellverfahren zwischen den Vertragsstaaten berechtigt den "ersuchenden Vertragsstaat" keinesfalls dazu, im Hoheitsgebiet des "ersuchenden Staates" Ermittlungen mit Sanktionsandrohung gegen dortige natürliche oder juristisch Personen durchzuführen, wenn derartige Erhebungen nach dem Recht des "ersuchten Staates" unzulässig sind. Ein derartiges Vorgehen einer ausländischen Behörde stellte sogar einen unerlaubten Eingriff in die Souveränität des anderen Staates dar. Mangels Berechtigung der Erstbehörde, an eine Gesellschaft mbH mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland als Halter eines dort zugelassenen Kraftfahrzeuges eine Lenkeranfrage unter Androhung von Sanktionen zu richten, stellt eine diesbezügliche "Auskunftsverweigerung" keine Verwaltungsübertretung dar. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten