TE UVS Wien 1996/09/12 03/P/14/3577/96

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Veröffentlicht am 12.09.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Findeis über die Berufung des Herrn Franz H vom 31.7.1996 gegen den Feststellungsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Josefstadt, vom 15.7.1996, Zahl S 44226-95, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und der Bescheid als unzulässig wegen Unzuständigkeit der Behörde zu seiner Erlassung aufgehoben.

Text

Begründung:

Die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Josefstadt, stellte mit dem angefochtenen Bescheid ihre Zuständigkeit in der Verwaltungsstrafsache Franz H wegen Verdacht der Übertretung der §§ 9 Abs 2 und 22 Abs 2 StVO 1960 fest. Begründet wird dies damit, daß der Vertreter des Berufungswerbers die Zuständigkeit der Erstbehörde bestritten und ausgeführt habe, daß die Bundespolizeibehörde nicht dem in Art 6 EMRK definierten Gerichtbegriff entspreche und somit nicht zur Entscheidung berufen sei. Dazu vertrete die Bundespolizeidirektion Wien die Rechtsauffassung, daß die Bundesverfassung grundsätzlich davon ausgehe, daß jedes Gesetz so lange als gültig anzusehen sei, bis es von der hiefür zuständigen Instanz aufgehoben werde. Bis zur Aufhebung sei somit eine gehörig kundgemachte Rechtsvorschrift von der Behörde anzuwenden. Da die Verwaltungsverfahrensgesetze nach wie vor in Kraft seien, sei von der Behörde ihre Zuständigkeit zur Entscheidung der Verwaltungsstrafsache in erster Instanz wahrzunehmen und das Verwaltungsstrafverfahren nach Rechtskraft dieses Bescheides fortzusetzen und zwar auch dann, wenn das Beschuldigtenvorbringen als zutreffend angesehen werde. Dem stehe jedoch die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegen.

Gegen diesen Feststellungsbescheid erhob der Beschuldigte rechtzeitig Berufung und führte dazu aus, daß alle Bestimmungen der EMRK Bestandteil des Gemeinschaftsrechts (Art 64 EWGV) seien, sodaß ein Verwaltungsstrafverfahren nach den Grundsätzen der EMRK geführt werden müsse, da nach diesen Grundsätzen "jedermann Anspruch darauf hat, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich

... und zwar vor einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz

beruhenden Gericht, das ... über ihn erhobene strafrechtliche

Anklagen zu entscheiden hat ..." und die Bundespolizeidirektion Wien kein im Art 6 der EMRK definiertes Gericht sei, könne diese auch zur Entscheidung nicht berufen sein. Die Frage, ob alle oder zumindest die materiell rechtlichen Bestimmungen der Konvention Bestandteil des Gemeinschaftsrechtes seien, wurde mit OGH-Vorlagebeschluß vom 29.8.1995, 1 Ob 39/95 an den EuGH gestellt und es sei mit einer Entscheidung des EuGH in Kürze zu rechnen. Es werde daher angeregt, die Entscheidung des EuGH abzuwarten. Der Beschuldigte stelle jedenfalls den Antrag den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, daß die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Josefstadt, zur Entscheidung des gegenständlichen Strafverfahrens unzuständig sei.

Nach der Aktenlage wird dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 16.3.1995 in Wien zwei Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 begangen. Im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens machte der Berufungswerber die Unzuständigkeit der Erstbehörde geltend. Seine diesbezüglichen Ausführungen entsprechen jenen der vorliegenden Berufung.

Die Berufung ist begründet:

Die Verwaltungsbehörde ist befugt, im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit auch Feststellungsbescheide zu erlassen, sofern hiefür entweder eine diesbezügliche ausdrückliche gesetzliche Anordnung vorliegt oder ein öffentliches Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei begründeter Anlaß dazu gegeben ist - sofern die strittige Rechtsfrage nicht im Rahmen eines (anderen) gesetzlichen vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens, wie zum Beispiel auch in einem Verwaltungsstrafverfahren entschieden werden kann - und die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen (siehe Erkenntnis VwGH 11.5.1977, 2076/76, VwGH 2.7.1982, 81/04/0230). Eine Vorfrage, die im Zuge eines Verwaltungsverfahrens zu lösen ist, kann nicht aus diesem Verfahren herausgegriffen und zum Gegenstand eines selbständigen Feststellungsbescheides gemacht werden (VwGH 7.3.1969, 1939/68). Die Erlassung eines diesbezüglichen Feststellungsbescheides ist unzulässig und wegen Unzuständigkeit der Behörde zu seiner Erlassung aufzuheben (siehe VwGH 16.12.1992, Zahl 91/12/0299).

Die erstinstanzliche Behörde war daher im vorliegenden Fall nicht berechtigt die Frage ihrer Zuständigkeit, die sie bejahte, aus dem Verwaltungsstrafverfahren herauszugreifen und zum Gegenstand eines selbständigen Feststellungbescheides zu machen, sondern sie hätte auf diese Frage in ihrer das erstinstanzliche Verwaltungsstrafverfahren beendenden Entscheidung eingehen müssen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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