TE UVS Wien 1996/09/13 07/08/407/95

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Veröffentlicht am 13.09.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Pipal über die Berufung des Herrn Paul B, vertreten durch RA-Partnerschaft, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk, vom 10.4.1995, Zahl MBA 4/5-S 1438/94, wegen drei Verwaltungsübertretungen gemäß § 74 Abs 5 Z 3 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl Nr 86, in der derzeit geltenden Fassung, iVm § 20 leg cit, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung in der Schuldfrage keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Abänderung bestätigt, daß die Tatzeit auf "21.1.1994, 10.20 Uhr bis 11.30 Uhr" präzisiert wird, der Spruchpunkt 3) in einer einheitlichen Verwaltungsübertretung zusammen mit dem Spruchpunkt

1) aufgeht und statt des letzten Absatzes der Tatumschreibung ("obwohl ... ist") folgende Worte stehen: "obwohl es nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar war, 1) einen Gebäckspender zu verwenden, der immer nur ein Gebäck oder ein Gebäcknetz freigibt und der es unterbindet, daß Gebäck angehustet, abgetastet oder in den Gebäckspender zurückgelegt werden kann, dessen Oberflächen hellfärbig, glatt und leicht zu reinigen sind und entsprechend gereinigt werden oder aber das Gebäck nicht im Selbstbedienungsteil an die Kunden abzugeben bzw so zu verpacken, daß das Behusten und Betasten der Ware unmöglich ist, und 2) Gebäck in mangelhaft verpackter Form nicht im Kundenraum herumstehen zu lassen, sondern etwa unverzüglich in einen geeigneten Lagerraum zu bringen."

Der Berufung wird hinsichtlich der Strafhöhe insofern Folge gegeben, als zu Punkt 1) die Geldstrafe auf S 4.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 4 Tage herabgesetzt wird. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verringert sich gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG zu Punkt 1) auf S 400,--, das sind 10 % der nunmehr verhängten Strafe. Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG wird daher zu Punkt 2) ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 600,-- vorgeschrieben, das sind 20 % der verhängten Strafe, während gemäß § 65 VStG zu Punkt 1) kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt wird.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beläuft sich daher auf S 8.300,--.

Text

Begründung:

I. Der Berufung liegt folgendes Verfahren in der ersten Instanz zugrunde:

1. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet:

"Sie haben als verantwortlicher Beauftragter der K-GenmbH mit Hauptstandort in Wien, W-gasse zu verantworten, daß diese Gesellschaft in ihrer Filiale in Wien, M-Gürtel am 21.1.1994 nicht vorgesorgt hat, daß Lebensmittel nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt in Verkehr gebracht werden, da

1) unverpacktes Gebäck bzw in Netzen verpacktes Gebäck in Schüttladen im Selbstbedienungsraum vorgefunden wurden, welche bei Entnahme geöffnet werden können, und dadurch mindestens 2 Gebäckstücke frei zugänglich waren; dh man konnte ein oder mehrere Gebäckstücke herausnehmen, abtasten und wieder in die Schütten zurücklegen;

2) ca 1 m links von diesem Gebäckspender auf einer Leersteige (ca 10 cm hoch), in einer ca 25 cm hohen unabgedeckten, durchbrochenen Kunststoffsteige ca 100 Semmeln (abgepackt in 10-er Netzen) lagerten, welche mitten im Gehweg standen, sodaß die Ware jederzeit durch behusten oder betasten beschmutzt werden konnte und

3) der Gebäckständer und die Laden offensichtlich bereits seit längerer Zeit nicht gereinigt worden waren, da auf dem Ladenboden, (herausziehbar) unter dem Gebäckkorb, unverhältnismäßig viele Brösel und Gewürzteile, Kornteile und Staub vorgefunden wurde. Weiters war die Beschichtung des Bodens des Schütteiles der Gebäckladen, bestehend aus Preßspanplatten, nur mehr teilweise vorhanden bzw lose, obwohl eine Vorsorge gegen die hygienisch nachteilige Beeinflussung der Lebensmittel bei Verwendung eines geeigneten Semmelspenders, der immer nur ein Gebäck oder ein Gebäcknetz freigibt und der es unterbindet, daß Gebäck angehustet oder abgetatstet, bzw in den Gebäckspender zurückgelegt werden kann, nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar war. Dessen Oberflächen hellfärbig, glatt und leicht zu reinigen sind. Sowie die regelmäßige tägliche Innenreinigung der Gebäckspender. Oder: Das Gebäck nicht im Selbstbedienungsteil an die Kunden abgeben. Oder:

Verpacken des Gebäckes, sodaß das Behusten der Ware bzw das Verschmutzen (Betasten) der Ware unmöglich ist.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 74 Abs 5 Z 3 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl Nr 86, in der derzeit geltenden Fassung, in Verbindung mit § 20 leg cit Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

3 Geldstrafen von je Schilling 3.000,--, ds zusammen S 9.000,-- falls diese uneinbringlich sind, Ersatzfreiheitsstrafen von je 3 Tagen, das sind zusammen 9 Tage gemäß § 74 Abs 5 leg cit Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

Schilling 900,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10% der Strafe

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 9.000,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

2. Dieser Vorwurf ergab sich aus einer Anzeige des Marktamtes vom 24.1.1994:

"Festgestellter Sachverhalt

Unverpacktes Gebäck bzw in Netzen verpacktes Gebäck wurde in Schüttladen im Selbstbedienungsraum des obgenannten Marktes vorgefunden. Wollte man Gebäck entnehmen, so mußte man zumindest eine dieser Schüttladen öffnen, und mindestens 2 Gebäcksorten waren frei zugänglich; dh man konnte ein oder mehr Gebäckstücke herausnehmen, abtasten und wieder in die Schütten zurücklegen. Die unterste Schüttlade war sogar während der ganzen Revision ca 25 cm aus dem Ständer herausgezogen, sodaß der Beschickungsteil der Schütten frei zugänglich war und die Ware zusätzlich noch durch Kunden angehustet werden konnte. Personal schlichtete während dieser Zeit kein Gebäck nach. Ca 1 m links von dem Gebäckspender auf einer Leersteige (ca 10 cm hoch), lagerten während dieser Zeit in einer ca 25 cm hohen, unabgedeckten, durchbrochenen Kunststoffsteige ca 100 Semmeln (abgepackt in 10-er Netzen). Diese Steige stand mitten im Gehweg, sodaß die Ware jederzeit durch Behusten oder Betasten beschmutzt werden konnte. Der Gebäckständer und die Laden waren offensichtlich bereits seit längerer Zeit nicht gereinigt worden, da auf dem Ladenboden, (herausziehbar) unter dem Gebäckkorb, unverhältnismäßig viel Brösel und Gewürzteile, Kornteile und Staub vorgefunden wurde. Der Boden des Schütteiles der Gebäckladen besteht aus Preßspanplatten, die Beschichtung dieser (vor allem der Kanten) war nur mehr teilweise vorhanden bzw lose. Die Ladenträger waren ebenfalls stark verschmutzt.

Begründung des Verstoßes

Gebäck konnte von Kunden betastet und behustet bzw beschmutzt werden. Im Speichel enthaltene Viren, bzw Keime (auch pathogene Keime), an den Händen und Kleidungsstücken anhaftende Keime und Schmutz konnte somit das Gebäck hygienisch nachteilig beeinflussen. Teile der Laden konnten nicht mehr entsprechend gereinigt werden, da die Preßspanplatten mangelhaft (siehe oben) beschichtet waren (daher keine glatte Oberfläche mehr gegeben). An diesen Oberflächen anhaftende Keime konnten daher durch Reinigung nicht entfernt werden; in Fugen und Ritzen hält sich auch gerne Ungeziefer auf, bzw legt Eier zur Vermehrung ab. Ungeziefer kann Krankheiten über Kontakt mit Oberflächen auf Menschen übertragen. Möglichkeit der Hintanhaltung, nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar. Verwendung eines Semmelspenders, der immer nur ein Gebäck oder ein Gebäcknetz freigibt und der es unterbindet, daß Gebäck angehustet oder abgetastet, bzw in den Gebäckspender zurückgelegt werden kann. Die Oberflächen dieses Gebäckspenders müssen hellfärbig, glatt und leicht zu reinigen sein. Regelmäßiges Reinigen der Gebäckspender (innen einmal täglich).

Oder: Gebäck nicht im Selbstbedienungsteil an Kunden abgeben.

Oder: Verpacken des Gebäckes, sodaß das Behusten der Ware bzw das Verschmutzen (Betasten) der Ware unmöglich ist.

Werden Gebäckspender beschickt, so sind diese sofort nach dem Beschicken zu verschließen.

Gebäck in unverpackter oder mangelhaft verpackter Form nicht im Kundenraum herumstehen lassen."

Der Beschuldigte brachte in seiner Stellungnahme vom 23.6.1994 vor, auf Filialebene sei der Filialleiter für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften verantwortlich, dieser werde vom jeweiligen Rayonsleiter unterstützt, welcher jede Filiale mindestens zweimal pro Woche überprüfe, darüber hinaus erfolgten auch Schwerpunktkontrollen in den einzelnen Filialen. Über die einzelnen Besuche und das Ergebnis der Kontrollen würden entsprechende Aufzeichnungen geführt. Bei der Beurteilung der Hygiene sei vom durchschnittlichen Konsumentenverhalten auszugehen, kein Konsument habe Anlaß, mehrere Gebäckstücke prüfend in die Hand zu nehmen. Es sei auch auf den Erlaß des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz vom 1.4.1986 betreffend Selbstbedienung beim Brotverkauf hinzuweisen. Weiters sei das offene Anbieten von Gebäckstücken im Bereich von Selbstbedienungsbuffets auch in weiten Kreisen der Gastronomie üblich und würden in Bäckereifachgeschäften die Gebäckstücke vom Verkaufspersonal, welches auch mit Geld hantiere, mit der bloßen Hand in Verpackungen gegeben. Bei den in der Kunststoffsteige gelagerten Semmeln habe es sich um eine frische Lieferung gehandelt, welche noch nicht in die Verkaufsregale geschlichtet gewesen sei. Der Gebäckspender werde einmal täglich gereinigt. Nach einer Stellungnahme des Kontrollorganes wandte der Beschuldigte in einem Schriftsatz vom 21.9.1994 ein, der Staub habe sich auf dem Ladenboden unter dem Gebäckkorb befunden.

3. In der rechtzeitigen Berufung wurde das bisherige Vorbringen wiederholt und weiters angegeben, es fänden auch regelmäßige Besprechungen zwischen dem Berufungswerber und den einzelnen Rayonsleitern statt, wobei diese über festgestellte Mängel zu berichten hätten. Der Berufungswerber führe außerdem selbst regelmäßige Filialbesuche durch, bei denen er unangemeldet erscheine und ua auch die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften kontrolliere. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 11.10.1982, Zl 82/10/0110, bei unverpackten Lebensmitteln die Möglichkeit einer Warenprüfung seitens des Letztverbrauchers auch durch den Geruchssinn für wesentlich erachtet, dies sei aber nicht mehr oder weniger hygienisch als ein etwaiges Berühren eines Gebäckstückes. Einerseits sei die Herstellung eines praxistauglichen Gebäckspenders, der den Zugriff auf lediglich ein einziges Gebäckstück zulasse, nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht möglich, andererseits sei es aber nach der Verkehrsauffassung unzumutbar, Gebäck verpackt zu verkaufen, weil dadurch die Qualität leiden würde. Das Filialpersonal mache Kunden bei der Benützung des Gebäckspenders darauf aufmerksam, daß einmal in die Hand genommene Gebäckstücke nicht mehr zurückgelegt werden dürften.

II. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

1. Zuerst war die Schuldfrage zu überprüfen:

1.1. Der objektive Tatbestand war folgendermaßen zu beurteilen:

1.1.1. Die verletzte Verwaltungsvorschrift lautet:

Gemäß § 20 LMG 1975 hat, wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit das nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist.

Wer gemäß § 74 Abs 5 Z 3 dieses Gesetzes den Bestimmungen der §§ 15 Abs 6 oder 17 Abs 2, 18 Abs 1, 20, 26 Abs 2, 30 Abs 5 erster Satz oder 34 Abs 1 zuwiderhandelt, macht sich, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 25.000,-- zu bestrafen.

1.1.2. Der Sachverhalt wurde auf folgende Weise festgestellt:

a) Das Ermittlungsverfahren brachte nachstehende Ergebnisse:

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 14.5.1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, bei welcher der Vertreter des Berufungswerbers angab:

"Die Punkte 1) und 3) des Straferkenntnisses stellen nur eine Verwaltungsübertretung dar, weil es sich um denselben Gebäckspender handelt. Der BwV gibt an, daß seines Wissens nach Herr A mit dem Kontrollorgan gesprochen hat und die zweite Bedienstete mit dem Kassieren beschäftigt war und daß auf diese Weise die angelieferten Semmeln nicht mehr weiter beachtet wurden. Der BwV gibt an, daß er zur fortgesetzten Verhandlung versuchen wird, die Kontrollblätter über die Filialbesuche mitzubringen, aus denen sich konkret für die gegenständliche Filiale und den gegenständlichen Tatzeitpunkt eine entsprechende Überwachung ersehen läßt."

Das Kontrollorgan sagte bei seiner Zeugeneinvernahme aus:

"Die in der Anzeige erwähnte Verschmutzung (Staub) bezog sich auf den Ladenboden, dh eine herausziehbare Spanplatte aus Holz ca 1 1/2 cm unterhalb der Gebäckladen. Die Anzeige wurde in erster Linie deshalb gelegt, weil überhaupt ein Gebäckspender verwendet wurde. Was die Verschmutzung betrifft, hatte ich die Befürchtung, daß dadurch Schädlinge angelockt werden könnten, ein unmittelbarer Kontakt mit dem Gebäck war nicht gegeben.

Die Angaben in meiner Stellungnahme (Abl 30) beziehen sich ebenfalls auf diesen Ladenboden, außerdem war der Griff der Gebäckladen durch Abnützung bereits rauh.

Der Zeuge fertigt eine Skizze über den Gebäckspender an; diese wird als Beilage A) zum Akt genommen.

Zu der daneben befindlichen Leersteige gebe ich an, daß ich mich lt meiner Anzeige 1 Stunde 20 Minuten in der Filiale befand. Bei der Angabe "11.20 Uhr - 11.30 Uhr" auf Abl 29 dürfte es sich um ein Versehen handeln; wenn ich mich nur 10 Minuten in der Filiale aufgehalten hätte, hätte ich diesen Punkt nicht beanstandet. Diese Ware ist sicher gerade geliefert gewesen. Mir ist aber kein Grund denkbar, warum die Ware nicht auch während meiner Kontrolle etwa in das Lager gebracht hätte werden können.

Über Befragen des BwV:

Bei dem Gebäckspender lt Punkt 1) des Straferkenntnisses handelt

es sich um denselben wie bei Punkt 3).

Wenn ich gefragt werde, ob man den Ladenboden ganz herausziehen kann, so gebe ich an: Meiner Meinung nach, ja. Diese Ladenböden kann man dann umdrehen und auf diese Weise die Brösel entfernen, gelegentlich sollte man sie auch abwischen."

Bei der am 9.7.1996 fortgesetzten Verhandlung gab der Vertreter des Berufungswerbers an, die Kontrollblätter könnten nicht mehr vorgelegt werden, weil sie nicht mehr zur Verfügung stünden.

Der zuständige Rayonsleiter P sagte als Zeuge folgendes aus:

"Ich habe in der gegenständlichen Filiale wöchentlich einen Arbeitsbesuch und mehrere Kontrollbesuche gemacht. Die Kontrollen wurden im Filialbuch eingetragen. Bei meinen Kontrollbesuchen war der Semmelspender immer gereinigt.

Zu den Beschädigungen an dem Gebäckständer laut Anzeige: Dazu weiß ich heute nichts mehr. Wenn Beschädigungen vorgelegen sind, habe ich sicher damals eine entsprechende Anforderung an die Zentrale gemacht.

Über Befragen durch den BwV:

Es gab eine Anweisung an das Filialpersonal, die gesamte Brotabteilung jeden Abend zu reinigen. Es wurde das alte Brot herausgenommen und der Semmelspender ausgewischt. Es wurden auch die darunter befindliche Lade herausgenommen und die Brösel entfernt. Die Semmeln befanden sich in einer Lade. Durch das Gitter (oder eine gelochte Platte) fielen die Brösel hindurch. In dieser Filiale wurde sehr viel Gebäck verkauft, sodaß auch viele Brösel anfielen. Der in der Anzeige erwähnte Staub war wahrscheinlich Mehl."

Bei dem Verhandlungstermin am 9.8.1996 sagte der zuständige Filialleiter A als Zeuge aus:

"Ich war bei der gegenständlichen Kontrolle in der Filiale, sie fand im Laufe des Vormittags statt, wann genau und wie lange weiß ich heute nicht mehr. Das Gebäck ist am Vormittag geliefert worden. Die Steige mit Gebäck ist eine Weile neben dem Gebäckständer stehengeblieben, weil wir offenbar nicht gleich dazugekommen sind, sie wegzubringen.

Über Befragen des BwV:

Wenn ein Kunde eine Semmel aus dem Gebäckspender entnehmen will, muß er einen Kunststoffdeckel aufmachen. Dieser Deckel bleibt auch nicht offen, sondern fällt wieder zu. Kann daher der Kunde nur mit einer Hand hineingreifen, weil er mit der anderen Hand den Deckel halten muß?: Ja.

Das Gebäck wird an jedem Abend, spätestens aber am nächsten Morgen herausgenommen. Der Gebäckspender wird ausgewischt und die Brösel werden entfernt. Es kommt natürlich vor, daß nach der neuerlichen Beschüttung mit Gebäck Brösel hinunterfallen, zB Sesam. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Staub in dem Gebäckspender bzw darunter gewesen wäre."

b) Bei der Beweiswürdigung waren folgende Erwägungen maßgebend:

Der Beamte hinterließ bei seiner Einvernahme einen sachlichen und persönlich überzeugenden Eindruck, die Schilderung über seine Wahrnehmungen war klar und widerspruchsfrei, sodaß sie zusammen mit der Anzeige der Entscheidung zugrundegelegt wurde. Dabei war auch zu berücksichtigen, daß ein qualifiziertes staatliches Organ im allgemeinen in der Lage ist, derartige Vorgänge richtig wahrzunehmen und darüber zu berichten. Außerdem erfolgte die Aussage des Zeugen unter der Wahrheitspflicht nach § 289 StGB, und es gab auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß er etwa den ihm offenbar unbekannten Berufungswerber hätte ungerechtfertigt belasten wollen. Die Angaben des Rayonsleiters P waren demgegenüber weit weniger glaubwürdig sowie überdies bloß allgemein gehalten und floskelhaft. Der Filialleiter A schilderte auf die Frage nach der Reinigung des Gebäckspenders lediglich den dabei üblicherweise eingehaltenen Ablauf, nicht den konkreten Zustand zum Tatzeitpunkt. Auch war er sichtlich bemüht, die Lebensmittelhygiene in seiner Filiale als ausreichend erscheinen zu lassen.

c) Aufgrund dieser Überlegungen nimmt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien den im Spruch angeführten Sachverhalt als erwiesen an. Dabei wurde die Tathandlung näher konkretisiert.

1.1.3. Die Beurteilung der Rechtsfrage ergab, daß der als erwiesen angenommene Sachverhalt den objektiven Tatbestand der verletzten Verwaltungsvorschrift erfüllt.

"§ 20 LMG stellt eine allgemeine Vorschrift dar, die jedermann, der Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, verpflichtet, eine nachteilige Beeinflussung durch äußere Einwirkungen zu vermeiden, dh hygienisch einwandfrei vorzugehen, wobei die Verkehrsauffassung die Zumutbarkeit der Vorkehrungen für einwandfreie Hygiene umschreibt. Gegen die Grundsätze des § 20 verstößt somit jedermann, der die allgemein gebräuchlichen Grundsätze der Hygiene verletzt, zB die zumutbare Reinlichkeit mißachtet oder zumutbare Vorkehrungen vor Verschmutzung unterläßt, oder Waren einer unnotwendigen Verschmutzung aussetzt. Vorkehrungen vor Verschmutzung werden zB die Verhinderung der Berührung von unverpackten Lebensmitteln durch Kunden, das Abschirmen der Lebensmittel vor Anhusten oder Anhauchen und die Vermeidung der Berührung von Lebensmitteln mit schmutzigen Händen sein (vgl Brustbauer-Jesionek-Petuely-Wrabetz, Das Lebensmittelgesetz 1975, Erläuterungen zu § 20).

Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage erweist sich die Auffassung der belangten Behörde als zutreffend, daß das Feilhalten von Gebäck in Gebäckständern in Selbstbedienung an sich nicht die abstrakte Gefahr der hygienisch nachteiligen Beeinflussung durch äußere Einwirkung in sich bergen muß. So wird etwa dann keine hygienisch nachteilige Beeinflussung zu erwarten sein, wenn der Kunde bei Benützung eines Semmelspenders etwa lediglich Zugriff auf die von ihm gewählte Ware hat und nach deren Entnahme eine Rückgabe in den Semmelspender nicht mehr möglich ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehört zum objektiven Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach § 20 LMG bloß die abstrakte Gefahr der hygienisch nachteiligen Beeinflussung durch äußere Einwirkung (vgl zB die Erkenntnisse vom 25. Mai 1983, Zl 83/10/0076, vom 10. April 1989, Zl 88/10/0128, und vom 26. Februar 1990, Zl 89/10/0202)" (VwGH 21.12.1992, Zl 92/10/0189).

Auch die Verschmutzung des Ladenbodens, der sich ca 1 1/2 cm unterhalb der Gebäckladen befand, zog die Gefahr einer hygienisch nachteiligen Beeinflussung nach sich, weil dadurch Schädlinge angelockt werden konnten.

Zu der Argumentation des Berufungswerbers wird im einzelnen folgendes bemerkt:

Das Gesetz sieht keineswegs vor, daß sich Hygienemaßnahmen nur am durchschnittlichen oder vernünftigen Konsumentenverhalten orientieren müssen. Die im vorliegenden Fall geforderten Vorkehrungen sind sowohl nach dem Stand der Wissenschaft möglich, zB durch Verwenden eines Gebäckspenders, bei dem der Kunde nur das von ihm gekaufte Gebäckstück mit der Hand berühren kann, als auch nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar, zumal damit kein besonderer finanzieller oder zeitlicher Mehraufwand verbunden ist. Der Erlaß des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 1.4.1986, Zl III-31.950/4-6b/86, über Selbstbedienung beim Brotverkauf, ist zum einen längst überholt und sah zum anderen keineswegs eine Verwendung von derartigen Gebäckspendern als hygienisch unbedenklich an. Es war auch weder unmöglich noch unzumutbar, die frisch gelieferte Ware sofort entsprechend hygienisch zu lagern und nicht über eine Stunde lang ungeschützt im Verkaufsraum stehen zu lassen. Das Erkenntnis des VwGH vom 11.10.1982, Zl 82/10/0110, befaßt sich mit dem Umfang der Kennzeichnungspflicht nach der LMKV 1973 und stellt dabei auf die Warenprüfungsmöglichkeit des Konsumenten durch Gesichts- und Geruchssinn ab. Diese Warenprüfung ist jedoch nur bei dem konkret erworbenen Lebensmittel notwendig, es kann dem zitierten Erkenntnis und den entsprechenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entnommen werden, daß etwa der Konsument die Möglichkeit haben müsse, das gesamte Warenangebot mit seinem Geruchssinn zu prüfen, bevor er seine Auswahl trifft.

1.2. Das Verschulden war folgendermaßen zu beurteilen:

1.2.1. Nach § 5 Abs 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

1.2.2. Da die im vorliegenden Fall verletzte Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt und auch zu ihrem Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, hätte also der Berufungswerber glaubhaft machen müssen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Solche schuldbefreienden Umstände haben sich jedoch nicht ergeben.

Daher ist auch das Verschulden als erwiesen anzusehen. Zwar ist dem Berufungswerber im Hinblick auf die im Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung zuzubilligen (vgl VwGH 27.11.1995, Zl 93/10/0186), die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf jene möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu beschränken, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl zB die Erk des VwGH vom 18.6.1990, Zl 90/19/0121, und vom 19.5.1994, Zl 93/17/0332). Dabei trifft ihn jedoch die Obliegenheit, durch die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems sicherzustellen, daß seinen Anordnungen entsprochen wird, wobei er der Behörde bei einem Verstoß gegen die entsprechenden Vorschriften dieses System im einzelnen darzulegen hat (vgl zB das Erk des VwGH vom 26.2.1990, Zl 90/19/0040). Davon, daß der Verantwortliche das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft gemacht hätte, kann nur dann gesprochen werden, wenn konkret dargelegt wird, in welcher Weise im Unternehmen sichergestellt wird, daß Verletzungen der in Rede stehenden Vorschriften vermieden bzw Verstöße wahrgenommen und abgestellt werden; insbesondere ist darzulegen, auf welche Weise der Verantwortliche seiner Verpflichtung zur Überwachung der von ihm beauftragten Personen nachgekommen ist und wieso er dessen ungeachtet die in Rede stehende Übertretung nicht verhindern konnte (vgl zB die Erk des VwGH vom 27.9.1988, Zl 88/08/0084, vom 16.12.1991, Zl 91/19/0345, und vom 30.4.1992, Zl 91/10/0253). Der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen genügt den oben dargelegten Anforderungen nicht (vgl zB die Erk des VwGH vom 28.10.1993, Zl 91/19/0134, und vom 16.11.1993, Zl 93/07/0022).

Im vorliegenden Fall konnte die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems nicht glaubhaft gemacht werden. So wären jedenfalls geeignete Sanktionen bei festgestellten Verstößen notwendig gewesen. Auch ist das Ausmaß der Kontrollen, welche der Berufungswerber seinerseits vornahm, nicht ausreichend.

2. Sodann war die verhängte Strafe zu überprüfen:

2.1. Die Strafbestimmung wurde bereits unter Punkt 1.1.1. wiedergegeben.

2.2. Über die Strafbemessung bestimmt § 19 VStG folgendes:

(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

2.3. Die Taten schädigten jeweils in nicht unerheblichem Ausmaß das Interesse der Konsumenten, hygienisch einwandfreie Lebensmittel zu erwerben.

Sonst zogen die Taten keine nachteiligen Folgen nach sich. Milderungs- und Erschwerungsgründe lagen nicht vor. Das Verschulden war angesichts der näheren Umstände der Tat jeweils nicht bloß geringfügig, weil auch nicht anzunehmen ist, daß womöglich die Übertretung aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Weiters waren bei der Bemessung der Geldstrafen das nach Alter und Beruf als überdurchschnittlich eingeschätzte Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen. Auf Sorgepflichten gab es keinen Hinweis.

2.4. Bei diesen Strafbemessungsgründen und dem gesetzlichen Strafrahmen war die Strafe zu Punkt 1) entsprechend herabzusetzen. Hingegen wäre eine geringere Strafe nicht geeignet, den Berufungswerber und andere in Frage kommenden Personen in Zukunft wirksam von der Begehung derartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 64 bzw § 65 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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