TE UVS Wien 1996/10/04 03/M/25/1758/96

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Veröffentlicht am 04.10.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Frey über die Berufung der Frau Luise B vom 6.8.1996 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien (Magistratsabteilung 67) vom 31.7.1996, Aktenzahl MA 67-RV-068027/6/0, wegen Übertretung des § 23 Abs 2 StVO 1960, sowie über die Berufung der Genannten vom 11.9.1996 gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (Magistratsabteilung 67) vom 23.8.1996 zur selben Aktenzahl, mit dem der erstgenannte Bescheid gemäß § 62 Abs 4 AVG berichtigt wurde, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG wird den Berufungen keine Folge gegeben und das durch den Bescheid vom 23.8.1996 berichtigte Straferkenntnis vom 31.7.1996 bestätigt.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat die Berufungswerberin einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von S 160,-- (ds 20 % der verhängten Geldstrafe) zu bezahlen.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 31.7.1996 wurde die Berufungswerberin (BW) schuldig erkannt, am 14.2.1996 von 7.55 Uhr bis 8.13 Uhr in Wien, "Sperlgasse", als Lenkerin des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen B 10 folgende Verwaltungsübertretung begangen zu haben:

Abstellen des Fahrzeuges außerhalb eines Parkplatzes nicht parallel, sondern schräg zum Fahrbahnrand.

Wegen Verletzung des § 23 Abs 2 StVO 1960 wurde über sie gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO 1960 eine Geldstrafe von S 800,-- und für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 19 Stunden verhängt sowie ihr ein Kostenbeitrag von S 80,-- auferlegt.

Dieses Straferkenntnis vom 31.7.1996 wurde mit Bescheid vom 23.8.1996 gemäß § 62 Abs 4 AVG berichtigt, indem die im Straferkenntnis vom 31.7.1996 falsche Angabe der Straßenbezeichnung von "Sperlgasse" auf "Sperrgasse" richtiggestellt wurde.

Zum Sachverhalt bringt die BW in der Berufung vom 6.8.1996 im wesentlichen vor, das Fahrzeug sei auf Grund höherer Gewalt, nämlich wegen starken Schneefalles, steckengeblieben, und zwar nur kurzzeitig bis zur Herbeiholung von Hilfe und Anbringung eines Pannendreieckes. Es sei unrichtig, daß mehrere Fahrzeuge behindert worden wären; es habe sich nur ein "unzuständiger" Lenker eines "überbreiten" Fahrzeuges beschwert. Es habe sich um die Sperrgasse und nicht um die Sperlgasse gehandelt. Die Sperrgasse sei nur mangelhaft von Schnee geräumt gewesen.

Durch das "Verschieben" des Fahrzeuges seitens der Wiener Feuerwehr sei der BW ein Schaden in Höhe von zumindest S 5.000,-- entstanden.

Zur Rechtslage bringt die BW vor, durch das erstinstanzliche Verfahren vor einem nichtrichterlichen Organ, obwohl eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt worden wäre, sei Art 6 MRK verletzt worden.

Nach diesem gesamten Vorbringen schreibt die BW:

"Beweis: DI Walter B, gleiche Adresse, im Akt.

Walter V, O-str, Wien

Horst K, Wien, PV, weitere Beweise

vorbehalten

Rep Werkstätte R in T"

Abschließend stellt die BW den Antrag, ihr den Schaden zu ersetzen und das unrichtige, mangelhafte und nichtige Verfahren gegen sie zu beenden.

In der Berufung vom 11.9.1996 bringt die BW gegen den Berichtigungsbescheid selbst im wesentlichen vor, daß sie bereits einmal in gleicher Sache mit mehreren Gründen Berufung erhoben habe und diese Gründe nicht erledigt worden seien. Lediglich ein Fehler sei auf Grund ihrer Hinweise korrigiert, alle übrigen Punkte nicht erledigt und somit aus dem Zusammenhang gerissen worden. Der Bescheid sei daher rechtswidrig. Die Behörde hätte ohne ihren Hinweis den Fehler gar nicht berichtigt. Es sei auch deshalb eine nachträgliche Berichtigung in nur einem Punkte unzulässig.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Da der Sachverhalt ohnehin so, wie er von der BW vorgebracht wurde, der rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt wird, kann von der Aufnahme der beantragten Beweise abgesehen werden. Nicht unerwähnt soll aber bleiben, daß der Beweisantrag insofern mangelhaft ist, als er gar nicht erkennen läßt, welcher Zeuge welche Umstände hätte beweisen sollen, welcher Zeuge also zum Beweis wofür beantragt wurde.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich folgendes:

Gemäß § 23 Abs 2 StVO 1960 ist ein Fahrzeug außerhalb von Parkplätzen, sofern sich aus Bodenmarkierungen oder Straßenverkehrszeichen nichts anderes ergibt, zum Halten oder Parken am Rand der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand aufzustellen.

Nach § 2 Abs 1 Z 26 StVO 1960 gilt als Anhalten im Sinne dieses Bundesgesetzes das durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein erzwungener wichtiger Umstand nicht vor, wenn nicht alles zur Vermeidung einer durchaus vorhersehbaren Zwangslage vorgekehrt wurde (VwGH 6.3.1981, 02/0235/80).

Im vorliegenden Fall hat die BW - wie sie selbst vorbringt - erkannt, daß die Sperrgasse nur mangelhaft von Schnee geräumt war, und ist das Fahrzeug unbestrittenerweise schräg zum Fahrbahnrand zum Stillstand gekommen.

Ein erzwungener wichtiger Umstand und somit "Anhalten" im Sinne des § 2 Abs 1 Z 26 StVO 1960 liegt nicht vor, wenn ein Fahrzeuglenker erkennt, daß eine Straße am Fahrbahnrand nur mangelhaft von Schnee geräumt ist, und dennoch das Fahrzeug dorthin lenkt, sodaß es dort - entgegen § 23 Abs 2 StVO 1960 schräg zum Fahrbahnrand stehend - steckenbleibt, ist doch diese Zwangslage vorhersehbar und schon dadurch zu vermeiden, daß das Fahrzeug nicht dorthin gelenkt wird.

Doch selbst wenn man die Ansicht vertritt, es wäre anfangs ein "Anhalten" vorgelegen, so ist folgendes festzuhalten:

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, daß ein nicht rechtswidriges "Anhalten" durch Zeitablauf und Untätigkeit des Fahrzeuglenkers in Bezug auf die Ergreifung zumutbarer Maßnahmen zur Entfernung des Fahrzeuges zu einem rechtswidrigen "Halten" oder "Parken" werden kann (VwGH 14.3.1985, 85/02/0017). Diesbezüglich hat die BW im vorliegenden Fall vorgebracht, sie habe "kurzzeitig" Hilfe herbeigeholt. Unbestritten blieb jedoch, daß das gegenständliche Fahrzeug zumindest von 7.55 Uhr bis 8.13 Uhr an der genannten Örtlichkeit abgestellt war, ohne daß die BW während dieser Zeit bei ihrem Fahrzeug anwesend gewesen wäre. Im Hinblick darauf, daß es sich bei der Sperrgasse in Wien um eine Seitengasse der M-Straße und somit um dicht verbautes und belebtes Gebiet handelt, wo eine oder mehrere Personen, die das steckengebliebene Fahrzeug aus dem Schnee wieder herausschieben können, rasch zu finden sind, ist festzustellen, daß die BW offensichtlich nicht alle ihr zumutbaren Maßnahmen zur Entfernung des Fahrzeuges ergriffen hat, also offenbar nicht rasch Passanten um Hilfe gebeten hat, sonst wäre das Fahrzeug nicht mindestens 18 Minuten an der gegenständlichen Örtlichkeit unverändert gestanden. Es ergäbe sich somit, daß das "Anhalten" zu einem gegen § 23 Abs 2 StVO 1960 verstoßenden "Halten" bzw "Parken" wurde, also auch bei dieser Rechtsansicht Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit des Verhaltens vorlägen.

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist selbstverschuldete Zwangslage kein Schuldausschließungsgrund (VwGH 8.9.1969, 1708/68, 25.11.1986, 86/04/0116 uva).

Im vorliegenden Fall war die Zwangslage, nämlich das Steckenbleiben, durchaus selbstverschuldet, hat doch die BW - wie bereits ausgeführt - erkannt, daß die Sperrgasse nur mangelhaft von Schnee geräumt war. Der Schuldausschließungsgrund des Notstandes lag daher nicht vor.

Im übrigen ist dem Vorbringen, es habe sich nur ein "unzuständiger" Lenker eines "überbreiten" Fahrzeuges beschwert und es sei unwahr, daß mehrere Fahrzeuge behindert wurden, entgegenzuhalten, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Übertretung des Gebotes des § 23 Abs 2 StVO 1960 auch dann strafbar ist, wenn durch das gebotswidrige Halten oder Parken eine Gefährdung anderer Straßenbenützer oder eine Verkehrsbeeinträchtigung nicht eingetreten ist (VwGH 29.10.1982, 81/02/0039).

Gemäß § 100 Abs 6 StVO 1960 hat die Behörde im Straferkenntnis auch über die aus einer Übertretung nach § 99 abgeleiteten privatrechtlichen Ansprüche des Straßenerhalters gegen den Beschuldigten, nicht aber umgekehrt über Schadenersatzansprüche des Beschuldigten gegen den Straßenerhalter zu entscheiden, weshalb im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren über den Antrag der BW auf Schadenersatz nicht abzusprechen war. Dem von der Berufungswerberin ins Treffen geführten Art 6 MRK ist schon deshalb Genüge getan, weil der unabhängige Verwaltungssenat, der den nun vorliegenden Berufungsbescheid gefällt hat, Tribunal im Sinne der MRK ist.

Gemäß § 62 Abs 4 AVG kann die Behörde Schreibfehler in Bescheiden - wie im vorliegenden Fall die Bezeichnung "Sperlgasse" statt "Sperrgasse" - jederzeit von Amts wegen berichtigen. Deshalb ist die Rechtsansicht der BW, die "nachträgliche Berichtigung in nur einem Punkte" wäre unzulässig, verfehlt.

Zur Strafbemessung:

Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der Vermeidung von Verkehrsbeeinträchtigungen.

Deshalb war der Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht gering, zumal die Hintanhaltung von Verkehrsbeeinträchtigungen bei für den Straßenverkehr ungünstigen Witterungsverhältnissen infolge von Schneefall oder Schneelage besonders schutzwürdig ist. Das Verschulden der Berufungswerberin kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kommt der BW im Hinblick auf eine zum Tatzeitpunkt bereits rechtkräftige Verwaltungsvorstrafe wegen Übertretung des § 103 Abs 2 KFG 1967 nicht mehr zugute. Auch der Milderungsgrund des § 34 Z 15 StGB liegt nicht vor, da das Bemühen, nachteilige Folgen (nämlich das nicht zum Tatbild gehörende Behindern eines anderen Fahrzeuges) zu verhindern, nicht als ernstlich im Sinne dieser Gesetzesstelle gewertet werden kann, blieb doch das Fahrzeug - wie bereits ausgeführt - mindestens 18 Minuten unverändert stehen. Aus diesem Grund liegen auch nicht Umstände im Sinne des § 34 Z 11 StGB vor, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen.

Wenngleich kein Erschwerungsgrund hervorkam und die von der BW angegebenen wirtschaftlichen Verhältnisse (als Einkommen Pensionsvorschuß von täglich S 254,30 von 19.5.1996 bis 17.5.1997; kein Vermögen; Sorgepflicht für zwei minderjährige Kinder) als ungünstig zu berücksichtigen sind, kann die Strafe im Hinblick auf den erwähnten Unrechtsgehalt, das Verschulden und das Fehlen von Milderungsgründen nicht herabgesetzt werden, zumal die Strafe in ihrer Höhe geeignet sein soll, die BW künftig von der Begehung weiterer gleichartiger Übertretungen abzuhalten und die Strafe mit S 800,-- nicht einmal ein Zehntel der für derartige Delikte vorgesehenen Höchststrafe von S 10.000,-- ausmacht. Die Auferlegung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.

Da im bekämpften Bescheid (Straferkenntnis) vom 31.7.1996 eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde, konnte eine solche gemäß § 51e Abs 2 VStG, BGBl Nr 52/1991, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 620/1995, unterbleiben. Auch hinsichtlich der Berufung gegen den Bescheid (Berichtigungsbescheid) vom 23.8.1996 konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung unterbleiben, da in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet und eine mündliche Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wird.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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