TE UVS Tirol 1996/11/13 18/154-1/1996

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Veröffentlicht am 13.11.1996
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Spruch

Gemäß §66 Abs4 AVG iVm §24 VStG wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

 

Gemäß §64 Abs1 und 2 VStG hat der Beschuldigte einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Strafe, somit S 300,--, zu bezahlen.

 

Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird mit der Maßgabe bestätigt, daß die Wortfolge "Klinik Innsbruck" auf "a.ö. Landeskrankenhaus-Univ.-Kliniken-Innsbruck" berichtigt wird und die Wortfolge "gegen 02.10 Uhr" durch die Wortfolge "nach der um 02.06 Uhr und 2.08 Uhr am Polizeiwachzimmer Pradl vorgenommenen Atemluftuntersuchung" ersetzt wird.

 

Überdies wird eine Verwaltungsübertretung nach §99 Abs3 litj iVm. §5 Abs8 StVO idF der 19. StVO-Novelle, BGBl Nr 518/1994, zur Last gelegt und wird die Strafe gemäß §99 Abs3 litj. StVO idF der 19. StVO-Novelle, BGBl Nr 518/1994, verhängt.

Text

Begründung

Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, er habe es als diensthabender Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt (Klinik Innsbruck) unterlassen, die dem Herrn HM am 8.6.1995 gegen 02.10 Uhr auf Verlangen abgenommene Blutprobe ohne unnötigen Aufschub der nächsten Polizeidienststelle zu übermitteln.

 

Dem Beschuldigten wurde eine Verwaltungsübertretung nach §5 Abs8 StVO zur Last gelegt und wurde über ihn gemäß §99 Abs3 lita StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,--, im Uneinbringlichkeitsfalle 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.

 

Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht berufen. In dieser Berufung wurde ausgeführt, das Verhalten des Beschuldigten wäre keinesfalls tatbestandsmäßig, da ihm Herr M anläßlich der Blutabnahme nicht mitgeteilt habe, daß zuvor ein Alkomattest stattgefunden habe. Der Beschuldigte könne sich daran erinnern, daß ihm Herr M gesagt habe, daß er den Alkomattest verweigert hätte.

 

Rechtsunrichtig wäre zudem die Meinung, daß ein Turnusarzt als "diensthabender Arzt" im Sinne des §5 Abs8 StVO anzusehen wäre. Die einschlägige verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung würde nach dem Ärztegesetz den aufsichts- sowie anleitungspflichtigen Oberarzt treffen. Solange die Anleitung der auszubildenden Ärzte unterbleiben würde, sei allein der zuständige Oberarzt als diensthabender Arzt anzusehen.

 

Zudem sei dem Beschuldigten als Turnusarzt zuzubilligen, daß ihn an der Verletzung einschlägiger Rechtsvorschriften kein Verschulden treffen würde. Dies umso mehr, als sogar die Vorstände und geschäftsführenden Oberärzte des LKH Innsbruck bis zu einem erst nach der Tatzeit ergangenen Rundschreiben Informationsdefizite diesbezüglich hatten.

 

Schließlich würde auch die Rechtsansicht vertreten werden, daß der Arzt seiner Verpflichtung gemäß §5 Abs8 StVO auch dadurch genügen könne, daß er den Betroffenen selbst unmißverständlich anweist, die Blutprobe unverzüglich zur Polizei zu bringen. Das Gesetz würde nicht explizit bestimmen, auf welchem Weg diese Übermittlung zu erfolgen habe. Wie bereits ausgeführt worden wäre, hätte der Beschuldigte darauf vertrauen können, daß der ihm als Mitarbeiter der betreffenden Krankenanstalt bekannte Herr M dieser Aufforderung nachkommen würde, zudem dieser ein vitales Interesse daran haben hätte müssen, das Beweismittel der Polizei zuzuführen und die Blutprobe ehestmöglich auszuwerten. Überdies würde sich die Frage stellen, wie der Beschuldigte die Übermittlung der Blutprobe sonst veranlassen hätte sollen, zumal er doch Nachtdienst gehabt hätte.

 

Dieser Berufung kommt keine Berechtigung zu.

 

Nach §5 Abs8 StVO idF der 19. StVO-Novelle, BGBl Nr 1994/518, hat ein bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabender Arzt eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen, wenn eine Person dies verlangt und angibt, bei ihr habe eine Untersuchung nach §5 Abs2 eine Alkoholbeeinträchtigung ergeben. Nach dem 2. Satz dieser Bestimmung hat der Arzt die Blutprobe der nächstgelegenen Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu übermitteln und dieser Namen, Geburtsdatum und Adresse des Probanden sowie den Zeitpunkt der Blutabnahme bekanntzugeben.

 

Diesbezüglich ist der im erstinstanzlichen Akt erliegenden Anzeige der Bundespolizeidirektion Innsbruck, Wachzimmer Pradl, vom 15.6.1995 zu entnehmen, daß Herr HM, am 8.6.1995 um 01.47 Uhr im Zuge eines Funkstreifendienstes als Lenker des PKWs mit dem amtlichen Kennzeichen XY auf Höhe des Hauses Leipziger Platz 1 in Innsbruck von der Polizei angehalten worden ist. Aufgrund von Alkoholisierungssymptomen wurde HM aufgefordert, sich am Wachzimmer Pradl einer Alkomatuntersuchung zu unterziehen, wobei die erste Messung um 02.06 Uhr und die zweite Messung um 02.08 Uhr jeweils einen Wert von 0.40 mg/l erbrachten.

 

Weiters ist sowohl der Niederschrift über die Vernehmung des Beschuldigten am 20.9.1995 als auch der Niederschrift über die Vernehmung des HM am 21.8.1995, jeweils vor der Bundespolizeidirektion Innsbruck, kriminalpolizeiliche Abteilung, zu entnehmen, daß sich HM im Anschluß an diese Alkomatuntersuchung in die Klinik Innsbruck begeben hat und ihm dort vom Beschuldigten Blut abgenommen worden ist. Dazu führte der Beschuldigte in der erwähnten Niederschrift vom 20.9.1995 aus, daß er nach erfolgter Blutabnahme die Venüle Herrn M persönlich mitgegeben habe. Hiebei gab er an, daß seitens der Klinikleitung keine Richtlinien ausgegeben worden seien und er Herrn M die Blutvenüle im guten Glauben mitgegeben habe.

 

Wenn diesbezüglich in der Berufung behauptet wird, der Beschuldigte könne sich daran erinnern, daß ihm Herr M vor der Blutabnahme gesagt hätte, daß er den Alkomattest verweigert hätte, ist auf die Einvernahme des HM vor der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 14.3.1996 als Zeuge zu verweisen. Dabei gab HM unter Wahrheitspflicht unmißverständlich an, daß die diesbezüglichen Angaben des Beschuldigten unrichtig sind. Dezidiert führte der Zeuge HM dabei an, daß er den Beschuldigten vor der Blutabnahme von der erfolgten Alkomatmessung mit dem Ergebnis von 0.4 mg/l berichtet hat und den Beschuldigten um die Abnahme des Blutes zum Zwecke eines Gegenbeweises ersucht hat. Nach der Blutabnahme habe der Beschuldigte ihm die Blutprobe ausgehändigt und ihm erklärt, daß er diese Probe am Morgen auf die Gerichtsmedizin bringen möge.

 

Für die Berufungsbehörde besteht kein Hinweis dafür, daß diese Angaben des Zeugen nicht der Wahrheit entsprechen könnten. Soweit vom Beschuldigten diesbezüglich in der Berufung darauf verwiesen wird, allenfalls könnte das Erinnerungsvermögen des Herrn M in bezug auf seine Äußerungen gegenüber dem Beschuldigten durch Alkohol beeinträchtigt gewesen sein, ist darauf zu verweisen, daß ein Wert von 0.4 mg/l, der bei der Alkomatmessung erzielt worden ist, zwar eine grenzwertige Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des §5 Abs1 StVO darstellt, jedoch nach den Erfahrungen des täglichen Lebens keine Alkoholbeeinträchtigung darstellt, die naturgemäß mit Erinnerungslücken verbunden wäre. Für die Berufungsbehörde ist erwiesen, daß die diesbezüglichen Angaben des Zeugen und nicht die gegenteilige Behauptung in der Berufung der Wahrheit entspricht. Es wäre auch unerfindlich, warum der Beschuldigte Herrn M Blut abgenommen hätte, wenn dieser davon gesprochen hätte, er hätte vorher bei der Polizei einen Alkomattest verweigert. Eine Blutabnahme hätte in diesem Fall keinerlei Relevanz mehr gehabt. Dies hätte auch dem Beschuldigten als juristischen Laien bewußt gewesen sein müssen.

 

Somit besteht kein Zweifel daran, daß der Beschuldigte nach erfolgter Blutabnahme gehalten gewesen wäre, dafür Sorge zu tragen, daß die Blutprobe der nächstgelegenen Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub übermittelt wird. Mit der vom Zeugen HM erwähnten Vorgangsweise des Beschuldigten, nämlich die Anweisung die abgenommene Blutprobe am Morgen auf die Gerichtsmedizin zu bringen, wird keineswegs der dem Beschuldigten nach §5 Abs8 StVO auferlegten Verpflichtung entsprochen. Diese Verpflichtung bezweckt eben gerade, daß der Arzt und nicht der Beschuldigte die Blutprobe der Polizei übermittelt, um allfällige Manipulationen durch den Beschuldigten vor Übermittlung der Blutprobe zu verhindern. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß dem erstinstanzlichen Akt diesbezüglich zu entnehmen ist, daß das abgenommene Blut der nächsten Polizeidienststelle überhaupt nicht übermittelt worden ist, sondern daß HM, laut seiner Aussage, das abgenommene Blut erst zu Mittag des 8.6.1995 der Gerichtsmedizin übermittelt hat, wobei die am 20.7.1995 vom gerichtsmedizinischen Institut vorgenommene Untersuchung laut Gutachten, welches sich im erstinstanzlichen Akt befindet, eine Genußalkoholkonzentration von 0.00 % zum Blutabnahmezeitpunkt ergab. Im Hinblick auf den bei der Alkomatuntersuchung erzielten Wert von 0.4 mg/l besteht zumindest der begründete Verdacht, daß Herr HM nach Aushändigung des abgenommenen Blutes durch den Beschuldigten das schließlich dem gerichtsmedizinischen Institut vorgelegte Blut einer Manipulation unterzogen hat.

 

Soweit in der Berufung die Rechtsmeinung vertreten worden ist, bei einem Turnusarzt würde es sich nicht um einen "diensthabenden Arzt" im Sinne des §5 Abs8 StVO handeln, ist darauf zu verweisen, daß §5 Abs8 StVO eben lediglich von einem "bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden Arzt" spricht, weitere Qualifikationen jedoch nicht verlangt. Dazu kommt, daß amtsbekannt ist, daß es sich beim allgemeinen öffentlichen Landeskrankenhaus Innsbruck um eine öffentliche Krankenanstalt im Sinne des §14 des Krankenanstaltsgesetzes handelt, der das Öffentlichkeitsrecht verliehen worden ist. Da im Ärztegesetz der Begriff "Turnusarzt" ausdrücklich als Berufstitel aufscheint und jeder Turnusarzt auch berechtigt ist, diesen Titel zu führen, kann kein Zweifel daran bestehen, daß der Beschuldigte damals diensthabender Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt war. Der Umstand, daß insbesondere Oberärzte gegenüber einem Turnusarzt aufsichtspflichtig und anweisungsberechtigt sind, vermag an der Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens des Beschuldigten nichts zu ändern.

 

Auch der Umstand, wie dem erstinstanzlichen Akt zu entnehmen ist, daß klinikintern erst mit einem Rundschreiben vom 17.7.1995 die Vorstände und geschäftsführenden Oberärzte ausdrücklich darauf hingewiesen worden sind, daß ein Arzt die Blutprobe der nächstgelegenen Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu übermitteln hat, vermag den Beschuldigten hinsichtlich seines Verschuldens nicht zu exkulpieren. Ein entschuldbarer Rechtsirrtum ist diesem Umstand nicht zu entnehmen.

 

Nach §5 Abs2 VStG entschuldigt nämlich Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift den Täter nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

 

Dabei ist die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu zitieren, wonach die Pflicht, sich über die auf dem Gebiete seines Berufes erlassenen Vorschriften zu unterrichten, verhindert, daß die Unkenntnis eines Gesetzes den Täter entschuldigen könnte (siehe dazu insbesondere VwGH 27.9.1950, Slg. 1647A).

 

Demgegenüber jedoch ist davon auszugehen, daß im gegenständlichen Fall auf seiten des Beschuldigten lediglich leichte Fahrlässigkeit gegeben ist.

 

Soweit in der Berufung zu Punkt 3) darauf verwiesen worden ist, §5 Abs8 StVO würde keine Norm aufstellen, wie das abgenommene Blut der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu übermitteln wäre, ist darauf zu verweisen, wie bereits angeführt, daß die Anweisung des Beschuldigten an HM, das Blut dem gerichtsmedizinischen Institut zu übermitteln, jedenfalls nicht im Sinne des Zweckes des §5 Abs8 StVO sein kann. Auch beim Nachtdienst des Beschuldigten wäre es ihm zumutbar und möglich gewesen, das Blut in irgendeiner Weise ohne unnötigen Aufschub der nächstgelegenen Polizei- oder Gendarmeriedienstelle zu übermitteln. Dazu wäre etwa die Heranziehung eines allenfalls klinikinternen Botens oder aber ein Anruf bei der nächsten Polizeidienststelle mit dem Ersuchen, das Blut in der Klinik abzuholen, in Frage gekommen.

 

Hinsichtlich der vorgenommenen Spruchabänderung bezüglich des Zeitpunktes der vorgenommenen Blutabnahme ist darauf zu verweisen, daß laut erstinstanzlichem Akt der Alkomattest um 02.06 Uhr und 02.08 Uhr stattfand, sodaß erwiesen ist, daß die im erstinstanzlichen Straferkenntnis aufscheinende Angabe hinsichtlich der vorgenommenen Blutabnahme, nämlich 02.10 Uhr, nicht den Tatsachen entsprechen kann. Deshalb wurde der Spruch diesbezüglich abgeändert.

 

Hinsichtlich der Strafbemessung ist anzuführen, daß die einschlägige Strafbestimmung Geldstrafen bis zur Höhe von S 10.000,-- vorsieht.

 

Im erstinstanzlichen Akt ist dem Strafvormerk zu entnehmen, daß sich in diesem bezüglich des Beschuldigten Vormerkungen finden, sodaß jedenfalls nicht vom Milderungsgrund der bisherigen Unbescholtenheit auszugehen ist. Wie gesagt, wird dem Beschuldigten lediglich leicht-fahrlässige Begehung hinsichtlich des Verschuldensgrades angelastet.

 

Der Beschuldigte hat es trotz Aufforderung vom 16.1.1996 vor der Bundespolizeidirektion Salzburg, unterlassen, seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bekanntzugeben. Im Hinblick auf seine Tätigkeit als Turnusarzt wird von durchschnittlichen Gegebenheiten ausgegangen.

 

Soweit zu Punkt I) in der Berufung gerügt worden ist, die Erstbehörde hätte es verabsäumt, den Beschuldigten über dessen Wahrnehmungen zu befragen, ist darauf hinzuweisen, daß der Beschuldigte ohnehin im erstinstanzlichen Verfahren am 20.9.1995 einvernommen worden ist und überdies das rechtliche Gehör in jeder Weise durch die Eingaben des Beschuldigtenvertreters gewahrt war. Eine weitere Einvernahme des Beschuldigten bedurfte es daher nicht. Die Berufungsbehörde hat die Behauptungen des Beschuldigten und die diesbezüglichen Angaben des Zeugen M zu den Vorgängen vor der Blutabnahme einer Beweiswürdigung unterzogen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war gemäß §51e Abs2 VStG nicht erforderlich, da von der Erstbehörde keine S 3.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist und eine Berufungsverhandlung nicht audrücklich verlangt worden ist.

Schlagworte
Alkomattest, Turnusarzt, Blutprobe, Übermittlung an nächste Polizeidienststelle
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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