TE UVS Steiermark 1996/12/11 30.14-86/96

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Veröffentlicht am 11.12.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn O. St., wohnhaft in G.-St. V., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 22.5.1996, GZ.: 15.1 1995/1234, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung abgewiesen.

Text

I.) Am 15.11.1994 beanstandete der Sicherheitswachebeamte RI G. P. das Fahrzeug mit dem Kennzeichen GU-6ZYC, weil es in der Granatengasse 3 in Graz auf einer Straßenstelle abgestellt gewesen sei, welche nur durch Verletzen eines gesetzlichen Verbotes erreicht werden könne. Nachdem die ausgestellte Organstrafverfügung nicht zur Einzahlung gebracht worden ist, wurde das ordentliche Verfahren eingeleitet und nach Einholung der Lenkerauskunft dem Berufungswerber als Zulassungsbesitzer in der Strafverfügung vom 8.2.1995 vorgehalten, er habe am 15.11.1994 von 11.50 Uhr bis 12.15 Uhr in Graz, Höhe Granatengasse 3, als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen GU 6ZYC (PKW) auf einer Straßenstelle, die nur durch Verletzen eines gesetzlichen Verbotes erreicht werden könne, gehalten.

Wegen Übertretung der Rechtsvorschrift des § 24 Abs 1 lit n StVO wurde über den Berufungswerber unter Verweis auf die einschlägige Strafbestimmung eine Geldstrafe von S 700,--, bei deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Stunden verhängt.

Dagegen erhob der Berufungswerber rechtzeitig mit seiner Eingabe vom 13.2.1995 Einspruch: Die Strafbehörde möge bekanntgeben, durch welche Verletzung eines gesetzlichen Verbotes er die Straßenstelle befahren haben soll. Bei seiner Zeugeneinvernahme am 27.3.1995 zur Sache befragt, gab RI P. folgendes an: "Im gegenständlichen Fall wurde das Fahrverbot verletzt. Diese maßgeblichen Verkehrszeichen befinden sich in der Zufahrt Grenadiergasse und Rösselmühlgasse." Nach Kenntnisnahme des Zeugenbeweises rechtfertigte sich der Berufungswerber in seinem Schreiben vom 2.6.1995 damit, daß am 15.11.1994 in der Granantengasse kein allgemeines Fahrverbot gegolten habe und er vom eingeschränkten Fahrverbot nicht betroffen gewesen sei. Die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung erließ den nunmehr bekämpften Bescheid vom 22.5.1996, mit dem der Tatvorwurf aus der Strafverfügung beibehalten worden ist. Von der Verhängung einer Geldstrafe wurde bei gleichzeitigem Ausspruch einer Ermahnung gemäß § 21 erster und zweiter Satz VStG abgesehen. Die Begründung des Bescheides erschöpft sich in der Darstellung des § 21 VStG und der Rechtsmittelbelehrung.

II.) Das vom Berufungswerber eingebrachte Rechtsmittel richtete sich gegen den Bescheidspruch und die festgesetzte Ermahnung. Zur Berufungsbegründung wird ausgeführt, daß erst nach Bekanntgabe der Entscheidungsgründe der Erstbehörde eine solche abgegeben werden könne. Die Berufung war demnach nicht als unbegründet zurückzuweisen, nachdem der Bescheid der Erstinstanz keine Begründung enthielt, auf die sich der Berufungswerber hätte beziehen können. III.) Am 11.12.1996 hat vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Beisein des Berufungswerbers und unter Mitwirkung des Zeugen RI G. P. eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens, gewonnen aus den Angaben des Berufungswerbers und den Aussagen des vernommenen Zeugen, die im wesentlichen Punkt in Deckung zu bringen waren, werden folgende Feststellungen getroffen:

Die Granatengasse in Graz ist eine kleine Seitengasse im Griesplatzbereich, die von der Rösselmühlgasse aus Richtung Osten befahren werden kann. Am 15.11.1994 befand sich am Eingang der Granatengasse die Fahrverbotstafel mit der Zusatztafel "Ausgenommen Anrainer". Der Berufungswerber hat am besagten Tag die Granatengasse befahren und sein Fahrzeug, Kennzeichen: GU 6ZYC, auf Höhe Granatengasse 3 abgestellt, um seine Arbeitsstelle, eine Zweigstelle des Finanzamtes in der Granatengasse 4, aufzusuchen.

RI P. kontrollierte im Zeitraum 11.50 Uhr bis 12.15 Uhr die Granatengasse. Nachdem er nicht gesehen hat, wie der Berufungswerber die Granatengasse von der Rösselmühlgasse her befahren hat und der Standort des Fahrzeuges nur durch Mißachtung des Fahrverbotes (Ausgenommen Anrainer) erreicht werden kann, für ihn aus dem Kennzeichen ableitbar war, daß es sich beim Lenker des Fahrzeuges um keinen Anrainer handeln kann, hat er eine entsprechende Organstrafverfügung ausgestellt.

IV.) Die rechtliche Beurteilung ergibt folgendes:

§ 24 Abs 1 lit n StVO verbietet das Halten und Parken auf Straßenstellen, die nur durch Verletzen eines gesetzlichen Verbotes (z.B. nach § 7 Abs 4 oder nach § 52 Z 1) erreicht werden können. Dies setzt voraus, daß keine Ausnahmen vom entsprechenden gesetzlichen Verbot bestehen, auf die sich der Beschuldigte als Ausnahmeberechtigter berufen kann.

Im vorliegenden Fall war festzustellen, daß zum Tatzeitpunkt das Fahrverbot in die Grenadiergasse mit der Einschränkung "Ausgenommen Anrainer" gegolten hat, die es nur diesem Personenkreis erlaubte, entgegen dem Fahrverbot in die Grenadiergasse einzufahren.

Auf diese Ausnahme bezog sich der Berufungswerber, der die Auffassung vertrat, ihm als Bediensteter des Finanzamtes mit dem Arbeitsplatz Zweigstelle Grenadiergasse 4 komme Anrainereigenschaft zu. Für ihn habe das Fahrverbot nicht gegolten, weil ihm im Finanzamt, Zweigstelle Granatengasse 4, ein Büroraum zugewiesen sei.

Mit dieser Rechtfertigung befindet sich der Berufungswerber nicht im Recht, weil grundsätzlich Ausnahmebestimmungen, wie hier die Zufahrtserlaubnis für Anrainer nicht ausdehnend zu interpretieren sind. Der Begriff Anrainer umfaßt hinsichtlich der Zufahrtsgestattung in erster Linie die Eigentümer von Grundstücken entlang der neben der Straße gelegenen Liegenschaften; auch jenen Personen wird die Anrainereigenschaft zuzuerkennen sein, welche an diesen Liegenschaften ein Bestandrecht (Mieter oder Pächter) besitzen. Angestellte einer Behörde als "Nutzungsberechtigte" eines Raumes im Amtsgebäude sind nicht mehr dem Personenkreis "Anrainer" zuzuordnen. Wollte man die Zufahrtsberechtigung auch auf den Fahrzeugverkehr zu den Anrainern für Besucher und Angestellte eines Anrainers ausweiten, müßte die Ausnahme von Fahrverbot mit "Ausgenommen Anrainerverkehr" verordnet sein. Dies war hier nicht der Fall.

Der Tatvorwurf im Straferkenntnis genügt auch den Anforderungen des § 44 a Z 1 VStG. Der zitierten Vorschrift wird dann Rechnung getragen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, daß er im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren, in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3.10.1985, Slg. NF 11894/A).

Diese Voraussetzungen lagen vor: Dem Berufungswerber als ortskundiger Person konnte bereits aus der ersten Verfolgungshandlung (Strafverfügung) in der Zusammenschau von Tatort und Tatzeit erkennbar sein, daß ihm die Verletzung des für die Granatengasse geltenden Fahrverbotes "Ausgenommen Anrainer" vorgehalten wird. Selbst wenn es dazu des Zeugenbeweises bedurft hätte (Einvernahme von RI P.; "Fahrverbot") wäre es dem Berufungswerber schon im erstinstanzlichen Verfahren möglich gewesen, sich auf die Ausnahme für Anrainer zu beziehen. Dies ist sogar im Rahmen der Mitwirkungspflicht der Partei geboten gewesen, nachdem es für die belangte Behörde bis zur Eingabe des Berufungswerbers am 2.6.1995 aus der Aktenlage nicht erkennbar war, daß für das Fahrverbot überhaupt eine Ausnahme vorgesehen ist und sodann auf welche Ausnahme sich der Berufungswerber beruft.

Im Berufungsverfahren ist hervorgekommen, daß die Verantwortung des Berufungswerbers nicht stichhaltig ist:

Für ihn galt daher das Fahrverbot absolut. In diesem Sinne hat die belangte Behörde dem Berufungswerber im Ergebnis zu Recht vorgehalten, an einer Straßenstelle gehalten zu haben, die (für ihn) nur durch Verletzung eines gesetzlichen Verbotes erreicht werden konnte. Gemäß § 21 Abs 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind; sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Der Ausspruch einer Ermahnung erscheint im vorliegenden Fall gerechtfertigt. Sie soll den Berufungswerber vor Augen halten, daß Ausnahmen von bestehenden Verboten eng auszulegen sind und demnach eine "spekulative Erweiterung" auf die eigene Person, für die die Ausnahmeregelung nicht geschaffen wurde, nicht vertretbar sind. Vor allem dem Berufungswerber als Beamten einer Finanzbehörde, dem Begriffsbestimmungen nicht fremd sein können, wäre es zumutbar gewesen, den Inhalt des Verbotes zu erkennen bzw. sich im Zweifelsfall Klarheit zu verschaffen.

Es war daher dem Berufungsantrag keine Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Anrainer nutzungsberechtigter Angestellter Behörde Fahrverbot Halteverbot
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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