TE UVS Steiermark 1997/01/03 30.14-34/96

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Veröffentlicht am 03.01.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn Dr. Gerald N, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Willibald R, Dr. Manfred R, beide F-gasse 20, G, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 29.1.1996, GZ.: III/St-21.593/94, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 19.11.1996, wie folgt entschieden:

Hinsichtlich der Punkte 1.), 2.), 4.), 6.), 8.), 9.), 11.) und

13.) wird die Berufung gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) abgewiesen.

Die Tatzeit zum Tatvorwurf im Punkt 2.) des bekämpften Straferkenntnisses wird auf "2.11.1994, 3.18 Uhr" berichtigt. Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von insgesamt S 2.540,-- binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

Hinsichtlich der Punkte 3.), 5.), 7.) und 10.) des bekämpften Straferkenntnisses wird der Berufung gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) Folge gegeben und das Strafverfahren zu Punkt

3.) des bekämpften Bescheides gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG und zu den Punkten 5.), 7.) und 10.) gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Dadurch vermindert sich der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz auf den Betrag von S 1.320,--; dieser Betrag ist ebenfalls binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.

Text

I.) Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Straferkenntnis wurden dem Berufungswerber insgesamt 13 Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt, die er am 2.11.1994 in Graz als Lenker des PKW's mit dem Kennzeichen WY-530E in der Zeit zwischen 3.17 Uhr und 3.36 Uhr begangen haben soll:

Der Berufungswerber habe

1.) um 3.17 Uhr an der Kreuzung Annenstraße-Eggenberger Gürtel-Bahnhofgürtel, das Rotlicht der Verkehrslichtsignalanlage nicht beachtet, indem er das Fahrzeug nicht vor der dort befindlichen Haltelinie angehalten habe;

2.) um 3.17 Uhr (laut Anzeige 3.18 Uhr) auf Höhe des Hauses Bahnhofgürtel 85 die Fahrbahn nicht vorschriftsmäßig weit rechts befahren, da er in "Schlangenlinienform" gefahren sei;

3.) um 3.18 Uhr an der selben Tatörtlichkeit die Fahrgeschwindigkeit nicht den Straßen- und Verkehrsverhältnissen und den Eigenschaften des KFZ angepaßt, weil das KFZ aufgrund der Fahrgeschwindigkeit aufgeschaukelt und ins Schleudern geraten sei;

4.) um 3.18 Uhr an der Kreuzung Bahnhofgürtel-Keplerstraße-Europaplatz das Rotlicht der Verkehrslichtsignalanlage nicht beachtet, indem er das Kraftfahrzeug nicht vor der dort befindlichen Haltelinie angehalten habe, wobei diese Übertretung mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen den Lenker eines roten Fiat Ritmo erfolgt sei, welcher die Keplerstraße in Richtung Westen befahren habe und an der oben genannten Kreuzung in Übereinstimmung des grünen Lichtes der Verkehrssignalanlage nach links in den Bahnhofgürtel einbiegen habe wollen. Dieser Lenker sei genötigt worden, sein KFZ abrupt abzubremsen, um

einen Zusammenstoß mit dem KFZ des Berufungswerbers zu verhindern.

Unter Punkt 5.) wurde dem Berufungswerber neuerlich das nicht vorschriftsmäßige Befahren der Fahrbahn um

3.19 Uhr zwischen dem Haus Bahnhofgürtel 79 bis 73 vorgehalten, weil er "in Schlangenlinien" gefahren sei. Zur gleichen Zeit habe er zwischen Bahnhofgürtel 71 und 23 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erheblich überschritten (Punkt 6.) und habe in der Folge um 3.20 Uhr wiederum die Fahrbahn des Bahnhofgürtels im Bereich der Hausnummern 21 bis 11 nicht vorschriftsmäßig weit rechts befahren, weil er "in Schlangenlinienform" gefahren sei (Punkt 7.).

Um 3.21 Uhr habe der Berufungswerber auf dem Bahnhofgürtel, unmittelbar vor der Kreuzung Bahnhofgürtel-Kalvariengürtel-Peter Tunner Gasse-Wienerstraße die Fahrgeschwindigkeit seines PKW's nicht den Straßen- und Verkehrsverhältnissen und den Eigenschaften des KFZ angepaßt, weil das Fahrzeug aufgrund der Fahrgeschwindigkeit (ca. 100 km/h) ins Schleudern geraten sei und es deshalb beinahe zu einem Zusammenstoß mit einer Straßenlaterne (Standsäule) gekommen wäre. Der Berufungswerber habe sein

Fahrzeug nur mit Mühe wieder unter Kontrolle gebracht (Punkt 8.). Unter Punkt 9.) wurde dem Berufungswerber vorgehalten, er habe um 3.21 Uhr an der soeben genannten Kreuzung sich auf den Fahrstreifen für Rechtsabbieger eingeordnet, die Fahrt jedoch nicht im Sinne der Richtungspfeile fortgesetzt, sondern sei er in gerader Fahrtrichtung weitergefahren. Um 3.22 Uhr habe auf der Wienerstraße, zwischen der Kreuzung Wienerstraße-Kalvariengürtel-Peter Tunner Gasse-Bahnhofgürtel und dem Haus Wienerstraße Nr. 148, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erheblich überschritten (Punkt 10.). Anläßlich seiner Anhaltung um 3.25 Uhr in der Wienerstraße 148 sei festgestellt worden, daß der Berufungswerber 1.) die Verwendungspflicht für Sicherheitsgurte nicht erfüllt habe sowie es 2.) als Besitzer eines ungültig gewordenen Führerscheines (das Lichtbild habe den Besitzer des Führerscheines nicht mehr erkennen lassen; die Haartracht des Führerschein-Besitzers habe sich deutlich geändert) unterlassen zu haben, bei der Behörde unverzüglich die Ausstellung eines neuen Führerscheines zu beantragen (Punkte 11.) und 12.). Schlußendlich habe der Berufungswerber um 3.36 Uhr auf dem Gehsteig vor dem Hause Wienerstraße Nr. 148 durch den Gebrauch

der Worte "du kleiner Wichser, ich bin Akademiker und laß mich sicherlich nicht von einem kleinen Beamten schikanieren" den öffentlichen Anstand verletzt.

Wegen Übertretung der Rechtsvorschriften der §§ 38 Abs 5 iVm § 38 Abs 1 lit a StVO (Punkte 1.) und 4.), § 7 Abs 1 StVO (Punkte 2.), 5.) und 7.), § 20 Abs 1 StVO (Punkte 3.) und 8.), § 20 Abs 2 StVO (Punkte 6.) und 10.), § 9 Abs 6 StVO (Punkt 9.), Artikel III Abs 1 iVm Artikel 3 Abs 5, dritte KFG-Novelle, BGBl. 352/1975 i.d.F. BGBl. 253/1984 (Punkt 11.), § 71 Abs 3 KFG (Punkt 12.) und § 1 LGBl. 1958/75 erster Fall (Punkt 13.) wurden über den Berufungswerber unter Verweis auf die einschlägigen Strafbestimmungen 13 Geld-, im Uneinbringlichkeitsfall 13 Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens der Betrag von S 1.960,-- vorgeschrieben.

Die Entscheidung der belangten Behörde stützte sich auf die Anzeige der Bundespolizeidirektion Graz vom 7.11.1994 und den dazu vernommenen Sicherheitswachebeamten.

II.) In seiner rechtzeitig erhobenen Berufung stellte der Berufungswerber in Abrede, die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen begangen zu haben. Er

verwies auf seine Ausführungen im Verfahren erster Instanz: Der Berufungswerber habe die Kreuzung Annenstraße-Eggenberger Gürtel bei grünblinkendem Licht überquert und er habe in der Folge eine Geschwindigkeit im Bereich von 40 bis 50 km/h eingehalten. Keinesfalls sei er Schlangenlinien gefahren. Auch sei er nicht, wie ihm vorgehalten wurde, mit seinem Fahrzeug ins Schleudern geraten. Dies ergäbe sich bereits daraus, daß sein Fahrzeug über einen Frontantrieb verfüge und die Straße zum Vorfallszeitpunkt trocken gewesen sei. Von der genannten Kreuzung bis zur nächsten Kreuzung mit der Keplerstraße ergäbe sich eine Fahrtstrecke von geschätzt 300 bis 400 m. Hätte der Berufungswerber eine über 50 km/h liegende Geschwindigkeit eingehalten, hätten ihn die Beamten, die zum Zeitpunkt der Querung der Kreuzung noch in der Annenstraße gefahren seien, auf dem kurzen Teilstück bis zur Keplerstraße nicht einholen können. Auch seien die Sichtmöglichkeiten von der Annenstraße nach rechts in Richtung Bahnhofgürtel nicht gegeben gewesen. Die Angaben der Beamten seien widersprüchlich: Einerseits sei angegeben worden, der Berufungswerber hätte die nachfolgende Kreuzung mit der Keplerstraße ebenfalls bei Rotlicht überquert; gleichzeitig werde angegeben, er hätte sein Fahrzeug vor dieser Kreuzung stark abgebremst, und zwar in der Form, daß Blockierspuren von den Reifen abgezeichnet worden seien. Diese beiden Darstellungen würden sich technisch ausschließen.

Zudem verfüge sein PKW über ein ABS-System, sodaß

ein Blockieren der Reifen technisch auszuschließen sei. Aufgrund der Ampelschaltung sei es jedenfalls so, daß der Berufungswerber die zweite Kreuzung (Keplerstraße) auf jeden Fall bei Grünlicht erreicht hätte, sollte er die erstere bei Beginn des Rotlichtes überfahren haben. Weiters seien die angegebenen Tatzeiten mit den Wegstrecken technisch nicht in Einklang zu bringen. Keinesfalls sei er mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Die vorliegende Anzeige sei unsachlich und völlig übertrieben. Dies zeige auch der Umstand, daß der Beamte ausgeführt habe, beim Berufungswerber massive Alkoholisierungssymptome festgestellt zu haben.

Tatsächlich habe sich im Zuge des Alkotestes herausgestellt, daß keine unzulässige Alkoholisierung vorgelegen sei. Wollte man die Zeitangaben in der Anzeige einer Nachprüfung unterziehen, so ergäbe sich, daß der Berufungswerber für eine Strecke von 1.800 m rund 8 Minuten benötigt haben soll, was einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von rund 13,5 km/h (!) ergeben würde. Aufgrund dieser Widersprüche seien die Angaben der Sicherheitswachebeamten keinesfalls geeignet, die ihm angelasteten

Verwaltungsübertretungen zu beweisen. Hinsichtlich des Vorwurfes der Anstandsverletzung verwies der Berufungswerber darauf, daß er noch nie mit seinem akademischen Grad argumentiert oder gar geprahlt habe. Die angeblichen Äußerungen gehören weder seinem Wortschatz an, noch habe er diese Worte seinerzeit verwendet.

Ergänzend führte der Berufungswerber in seiner Berufung vom 15.2.1996 aus, er fühle sich äußerst ungerecht und willkürlich behandelt. Er sei nicht bereit, die unrichtigen Angaben in der Anzeige hinzunehmen. Der Berufungswerber beantragte unter Beiziehung eines KFZ-Sachverständigen eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen und im Ergebnis seiner Berufung Folge zu geben, das bekämpfte Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

III.) Am 19.11.1996 hat vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung des KFZ-Sachverständigen DI Udo Geishofer in Anwesenheit des Berufungswerbers und seines Rechtsvertreters stattgefunden, in der die Zeugen RI Roland B als seinerzeitiger Anzeigenerstatter und Insp. Manfred R zur Sache befragt wurden.

Der Berufungswerber verantwortete sich in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen wie im erstinstanzlichen Verfahren. Er habe die aufgezählten Verwaltungsübertretungen nicht begangen. Er sei die maßgebliche Wegstrecke mit der zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h gefahren. Er habe den ihm folgenden Einsatzwagen etwa in der Mitte der gesamten Wegstrecke bemerkt. Ab diesem Zeitpunkt habe er sich ganz bewußt an die vorgeschriebene Begrenzung gehalten. Er glaube nicht, bei Rotlicht über die Kreuzung gefahren zu sein. Er könne sich nicht an einen roten Fiat erinnern, dessen Fahrt er beeinträchtigt haben könnte. Er sei sich nicht bewußt, daß er überhaupt Schlangenlinien gefahren sei. Er bestreite auch, unmittelbar vor der Kreuzung Bahnhofgürtel-Peter Tunner Gasse-Wienerstraße mit 100 km/h ins Schleudern gekommen zu sein. Er sei an dieser Stelle ebenfalls mit 50 km/h gefahren. Er habe auch keinen Beamten, wie ihm vorgeworfen wurde, beschimpft, nachdem er die genannten Schimpfworte nicht gebrauche. Lediglich im Hinblick auf die Verletzung der Sicherheitsgurtepflicht räumte er ein, nicht mehr genau sagen zu können, ob er damals angeschnallt gewesen sei; leider Gottes fahre er des öfteren ohne Gurte. Die Berufung hinsichtlich Punkt

12.) des bekämpften Bescheides zog Dr. N in der Verhandlung zurück.

Aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens - unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens zu

den technischen Implikationen der Berufungsausführungen - werden folgende Feststellungen getroffen.

Zu den Tatörtlichkeiten: Der Eggenberger Gürtel, der an der Kreuzung mit der Annenstraße in den Bahnhofgürtel übergeht, ist eine breite Durchzugsstraße im Ortsgebiet von Graz, die in Fahrtrichtung Norden (spätere Fahrtrichtung des Berufungswerbers) zwei Fahrstreifen aufweist. Die Kreuzungen Eggenberger Gürtel-Annenstraße-Bahnhofgürtel und Bahnhofgürtel-Europaplatz-Keplerstraße sind etwa 200 m voneinander entfernt; die nachfolgende Kreuzung Bahnhofgürtel-Peter Tunner Gasse-Wienerstraße-Kalvariengürtel ist von der zweitgenannten Kreuzung (Bahnhofgürtel-Keplerstraße) etwa 1100 m entfernt. Die Wegstrecken zwischen der ersten Kreuzung und dem Haus Bahnhofgürtel 85

(Gebäude der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung) beträgt etwa 50 m; gleiches gilt für die Wegstrecke zwischen den Häusern Bahnhofgürtel 79 und Bahnhofgürtel 73. Zwischen den Häusern Bahnhofgürtel 71 und 23 liegt eine Distanz von etwa 800 m. Die Wegstrecke zwischen Bahnhofgürtel 23/21 und Bahnhofgürtel 11 beträgt 100 m. Zwischen der dritten Kreuzung und der Hausnummer Wienerstraße 148 liegt eine Wegstrecke von 200 m. In den Nachtstunden sind nur die Verkehrssignalanlagen an den Kreuzungen Eggenberger Gürtel-Bahnhofgürtel-Annenstraße und Bahnhofgürtel-Europaplatz-Keplerstraße in Betrieb.

Am 2.11.1994, gegen 3.17 Uhr befuhr die Besatzung der Funkstreife "MEK-Ost", bestehend aus vier Sicherheitswachebeamten, mit dem Dienstfahrzeug,

einem Renault Espace, die Annenstraße in Graz in Richtung Westen. Das Fahrzeug wurde von RI Roland B gelenkt. Wenige Meter vor der Kreuzung Annenstraße-Eggenberger Gürtel-Bahnhofgürtel fiel den Beamten der Lenker eines weißen Opel Astra auf, der vom Eggenberger Gürtel kommend die oben genannte

Kreuzung in Richtung Norden übersetzte und dabei das für ihn geltende Haltzeichen "rotes Licht" nicht beachtete, indem er ohne an der entsprechenden Haltelinie anzuhalten, weiterfuhr.

Diese Beobachtung veranlaßte die Sicherheitswachebeamten dem Fahrzeug nachzufahren.

Sie bogen noch bei grün von der Annenstraße nach rechts in den Bahnhofgürtel ein und folgten dem Fahrzeug, welches zu diesem Zeitpunkt etwa eine Geschwindigkeit zwischen 50 und 80 km/h einhielt. Der Lenker des Fahrzeuges - der Berufungswerber - hielt bei seiner Fahrt eine Fahrlinie entlang der Leitlinie ein, wobei er nicht richtig den ersten und nicht richtig den zweiten Fahrstreifen benützte. An der Kreuzung Bahnhofgürtel-Europaplatz-Keplerstraße bremste der Berufungswerber die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges stark ab, um in der Folge wiederum unter Mißachtung des Rotlichtes der dortigen Verkehrssignalanlage, die Kreuzung zu queren. Dabei nötigte er den Lenker eines roten Fiat Ritmo, welcher die Keplerstraße in Richtung Westen befuhr und an der oben angegebenen Kreuzung in Übereinstimmung des grünen Lichtes der Verkehrssignalanlage nach links in den Bahnhofgürtel einbiegen wollte, sein Fahrzeug abrupt abzubremsen, um einen Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Berufungswerbers zu verhindern.

Nach diesem Vorfall nahmen die Beamten die Verfolgung des Berufungswerbers unter Verwendung des blauen Drehlichtes und des Folgetonhornes auf. Nach der Kreuzung Bahnhofgürtel-Europaplatz-Keplerstraße beschleunigte der Berufungswerber sein Fahrzeug stark und hielt die bereits oben beschriebene Fahrweise weiterhin ein, indem er "fahrbahnmittig" fuhr. Im Streckenbereich Bahnhofgürtel 71 und Bahnhofgürtel 23 erreichte der Berufungswerber eine Fahrgeschwindigkeit von etwa 120 km/h. Dadurch vergrößerte sich der Tiefenabstand zwischen dem Einsatzfahrzeug und dem PKW des Berufungswerbers. Die Beamten sahen ihre Chance schwinden, das Fahrzeug einholen zu können, nachdem sich im Dienstfahrzeug eine komplette MEK-Ausrüstung mit einem Gewicht von etwa 200 kg und vier erwachsene Personen befanden. RI B suchte daher um Unterstützung und erließ bezüglich des verfolgten PKW's eine Funkfahndung.

In Annäherung an die Kreuzung Kalvarienberggürtel-Peter Tunner Gasse-Wienerstraße geriet das Fahrzeug des Berufungswerbers aufgrund der hohen Fahrgeschwindigkeit (ca. 100 km/h) und dem linkskurvigen Straßenverlauf ins Schleudern. Dem Berufungswerber gelang es nur mit Mühe durch Herabbremsen der Geschwindigkeit das Fahrzeug wieder unter Kontrolle zu bringen. Er reihte es in der Folge unmittelbar vor der Kreuzung auf dem gekennzeichneten Fahrstreifen für "Rechtsabbieger" (Richtung Kalvariengürtel) ein, übersetzte die Kreuzung jedoch entgegen der Bodenmarkierungen in gerader Fahrtrichtung.

Durch das Abbremsmanöver an der Kreuzung konnten die Beamten mit ihrem Dienstfahrzeug beinahe auf den PKW des Berufungswerbers aufschließen, was letztendlich doch nicht gelang, weil der Berufungswerber unmittelbar nach der Kreuzung sein Fahrzeug wieder auf etwa 110 km/h beschleunigte. Diese Geschwindigkeit hielt er in der Folge bis kurz vor der Wienerstraße 148 ein, wo der Berufungswerber unter Zusammenwirkung der Funkstreife "MEK-Ost" und der Bezirksfunkstreifen Lend 1 und Wie 1 angehalten werden konnte. Der Berufungswerber war nicht angegurtet.

Nach der Anhaltung entfernten sich die zu Hilfe gerufene Funkstreifenbesatzung. Die Amtshandlung vor Ort führte RI B, wobei seine drei weiteren Kollegen die Amtshandlung verfolgten. Vorerst forderte RI B den Berufungswerber zu einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle auf. Er hielt dem Berufungswerber die von den Beamten gemachten Beobachtungen zu den einzelnen Verwaltungsübertretungen vor. Der Berufungswerber gab zu, das Rotlicht der Kreuzungen mißachtet zu haben und zu schnell gefahren zu sein. Die übrigen Vorwürfe bestritt er. Die Bezahlung eines wegen der Übertretung gemäß Artikel III/5 KFG angebotenen Organmandates lehnte der Berufungswerber ab. Während der Amtshandlung stellte RI B Alkoholisierungssymptome wie z.B. einen deutlichen Geruch der Atemluft nach alkoholischen Getränken beim Berufungswerber fest. Der Beamte forderte daraufhin den Berufungswerber auf, sich einer Atemluftuntersuchung im nächstgelegenen Wachzimmer zu unterziehen. Diese Aufforderung verschärfte das schon seit Beginn der Amtshandlung angespannte Gesprächsklima. Der Berufungswerber beschimpfte den Beamten zwar mit dem Worten "du kleiner Wichser, ich bin Akademiker und laß mich sicherlich nicht von einem kleinen Beamten schikanieren", stimmte aber dem Alkotest zu. Dieser wurde im Wachzimmer Wienerstraße durchgeführt: Die erste Messung um 3.48 Uhr ergab 0,33 mg/l Alkoholatemluft; die zweite Messung um 3.49 Uhr den Wert von 0,34 mg/l Atemalkoholgehalt.

IV.) Diese Feststellungen gründen sich im wesentlichen auf die Angaben der vernommenen Sicherheitswachebeamten, deren Aussagen in den wesentlichen Punkten nicht nur einer gutachterlichen Prüfung standhielten, sondern auch gut nachvollziehbar waren. Die Verantwortung des Berufungswerbers war hingegen größtenteils nicht geeignet, die glaubhaft geschilderten Beobachtungen der Sicherheitswachebeamten zu entkräften und so die noch während der Fahrt getätigten Aufzeichnungen, anhand derer die Anzeige verfaßt wurde, grundsätzlich in Frage zu stellen.

Zu den einzelnen Übertretungen ist folgendes auszuführen:

Zu den Geschwindigkeitsdelikten: Der KFZ-Sachverständige erstellte in seinem Gutachten anhand der Zeugenaussagen ein Zeitweg-Diagramm, welches

zum einen ergab, daß das Aufschließen des Dienstfahrzeuges an jenes des Berufungswerbers innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit und innerhalb der angegebenen Wegstrecke nach dem Rechtseinbiegevorgang des Einsatzfahrzeuges in den Bahnhofgürtel bereits nördlich der Kreuzung Bahnhofgürtel-Keplerstraße möglich gewesen ist.

Nachdem die Wegstrecke zwischen der zweiten und dritten Kreuzung etwa 1100 m beträgt, ist den Beamten auch eine ausreichend lange Zeitspanne und Wegstrecke zur Verfügung gestanden, die es erlaubten, die Geschwindigkeit des verfolgten Fahrzeuges

einigermaßen verläßlich durch das Ablesen der Geschwindigkeit vom Tachometer des Einsatzwagens einschätzen zu können. Ebenso verläßlich erscheint die zweite Schätzung, die den Streckenbereich Kreuzung Bahnhofgürtel-Peter Tunner Gasse-Wienerstraße und

dem Haus Wienerstraße Nr. 148 bezieht. Diese Wegstrecke ist zwar nur 200 m lang, jedoch ist es innerhalb dieser ohne weiteres technisch möglich, von etwa 50 km/h auf 100 km/h zu beschleunigen. Nachdem der Dienstwagen die Beschleunigungsvorgänge des Berufungswerbers nach dieser Kreuzung aufgrund des an dieser Örtlichkeit beinahe wiederum geglückten Aufschließens quasi nachvollzogen hat, können die Schätzangaben der Beamten auch in diesem Bereich beweisbildend sein.

Die Behauptungen des Berufungswerbers, er sei den gesamten Straßenabschnitt um die 40 bis 50 km/h gefahren, sind gänzlich unglaubwürdig: Zum einen hat der Berufungswerber bereits in der Anhaltesituation gegenüber RI B zugegeben "zu schnell gefahren zu sein", zum anderen wäre ein Polizeieinsatz, wie er hier stattgefunden hat, bei Einhaltung einer ortsüblichen Geschwindigkeit nicht erklärbar. Es ist zwar beim Nachfahren und beim Schätzen von Geschwindigkeiten nicht ausgeschlossen, daß Fehlerquellen und Ungenauigkeiten auftreten können. Jedenfalls aber genügen die vorliegenden Beweisergebnisse, um dem Berufungswerber die ihm unter den Punkten 6.) und 8.) des bekämpften Straferkenntnisses angelasteten Übertretungen vorzuhalten.

Zur Mißachtung des Rotlichtes: Die Feststellungen zu dieser Verwaltungsübertretung können sich auf die diesbezüglichen Angaben der Sicherheitswachebeamten stützen; der Berufungswerber hat diese Vorhaltungen gegenüber RI B beim Erstkontakt auch gar nicht in Abrede gestellt hat. Die in der Verkehrsleitzentrale erhobenen Ampelschaltungen für den 2.11.1996 bestätigen in Verbindung mit den vom Sachverständigen errechneten Zeitweg-Relationen zusätzlich die Angaben der Zeugen. Für die vom Berufungswerber erst nachträglich angestellten spekulativen Überlegungen fanden sich keine Anhaltspunkte.

Zur Verletzung der übrigen Vorschriften: RI B schilderte in gut nachvollziehbarer Weise die "fahrbahnmittige" Fahrweise des Berufungswerbers, welcher nach der Kreuzung Eggenberger Gürtel-Bahnhofgürtel-Annenstraße ansetzte und sich in der Folge - wenn man von den hervorgehobenen Vorfällen absieht - auf der gesamten Wegstrecke nicht wesentlich änderte.

Gleichermaßen abgesichert durch die übereinstimmenden Zeugenaussagen ist der Vorfall auf dem Bahnhofgürtel unmittelbar vor der Kreuzung mit der Peter Tunner Gasse, der den Beamten aufgrund des dem Geschehen innewohnenden Gefahrenpotentiales noch gut in Erinnerung war. Die weiters bezeugten Wahrnehmungen der Beamten, der Berufungswerber habe sich an der

oben genannten Kreuzung mit seinem PKW auf dem Fahrstreifen für Rechtsabbieger eingeordnet, sei aber geradeaus gefahren, können ebenfalls als glaubhaft übernommen werden, nachdem eine derartige Fahrlinie technisch nicht ausgeschlossen ist: Wie der Sachverständige ausführte, hängt das Befahren der dort kurvenförmig verlaufenden Fahrbahn mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h auf dem Fahrstreifen für Rechtsabbieger sicher im Grenzbereich, ist aber in hohem Maß vom Fahrkönnen des Lenkers abhängig. Die Feststellungen zur Nichtverwendung der vorgeschriebenen Sicherheitsgurte und zum Beschimpfen des Meldungslegers konnten ebenfalls anhand der auch in diesen Punkten glaubwürdigen Aussagen der Beamten getroffen werden.

Soweit die Verwaltungsübertretungen nicht überhaupt bestritten werden, stehen den Vorwürfen der Verletzung des Rechtsfahrgebotes, dem Falscheinreihen, dem Nichtverwenden von Sicherheitsgurten und dem Beschimpfen des Sicherheitswachebeamten im wesentlichen nur die im Konjunktiv gefaßten Schilderungen des Berufungswerbers gegenüber: "Er glaube nicht, er könne sich nicht erinnern, er sei sich nicht bewußt." Damit hat der Berufungswerber selbst zu erkennen gegeben, daß er keine eindeutigen Angaben zu der von ihm eingehaltenen Fahrweise mehr machen kann. Dieser Umstand an sich ist nicht sonderlich überraschend, wenn man berücksichtigt, daß der Vorfall doch schon etwa 2 Jahre zurückliegt. Zur Widerlegung von klaren Zeugenangaben ist eine solche Verantwortung jedoch nicht geeignet. Bei der Beurteilung des gesamten Fahrverhaltens des Berufungswerbers darf weiters nicht außer Acht gelassen werden, daß der beim Berufungswerber kurze Zeit nach der Anhaltung durchgeführte Alkomattest einen Meßwert von 0,33 mg/l (= 0,66 Promille Blutalkoholgehalt) ergeben hat. Dieser Wert liegt zwar noch unterhalb der gesetzlichen Strafbarkeitsgrenze; erwiesenermaßen kann aber schon ein Alkoholwert von 0,5 Promille deutlichen Einfluß auf das Verhalten von Fahrzeuglenkern haben. Insbesondere kann Alkoholkonsum auch das Aggressionspotentiales erhöhen, mit der Folge, daß Personen - abweichend von ihrem sonstigen Verhalten - unkontrollierter agieren und sich auch zu "Fehlhandlungen" hinreißen lassen. Dies macht im vorliegenden Fall auch die Anstandsverletzung gegenüber dem Sicherheitswachebeamten plausibel.

Die rechtliche Beurteilung ergibt folgendes:

Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, war dem Berufungswerber nachzuweisen, daß er am 2.11.1994 in der Zeit zwischen 3.17 Uhr und 3.25 Uhr an den angeführten Tatörtlichkeiten gravierende Verwaltungsübertretungen begangen hat, indem er unter Mißachtung grundlegender Bestimmungen der StVO (Mißachtung von roten Lichtsignalen, Nichteinhaltung des Rechtsfahrgebotes, erhebliche

Geschwindigkeitsüberschreitungen, falsches Einordnen, Mißachtung der Gurtenpflicht) die genannten Straßenzüge befahren und letztendlich bei seiner Anhaltung den einschreitenden Beamten in anstandsverletzender Weise beschimpft hat.

Demzufolge war die Berufung - soweit sie sich gegen die Punkte 1.), 2.), 4.), 6.), 8.), 9.), 11.) und 13.) des bekämpften Straferkenntnisses richtete - abzuweisen. Die belangte Behörde ist auch zurecht im Punkt 4.) ihres Bescheides von einem besonders rücksichtslosen Verhalten des Berufungswerbers im Hinblick auf den dort umschriebenen Tatvorwurf ausgegangen.

Zum Einwand des Berufungswerbers, die Angaben in der Anzeige seien größtenteils technisch im Hinblick auf die Örtlichkeit, die Zeit, die Distanzen und auch die Ampelschaltungen nicht nachzuvollziehen, wird in erster Linie auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung verwiesen und zu den Zeitangaben ergänzend noch festgehalten, daß sowohl in der Anzeige als auch im Straferkenntnis den einzelnen Delikten jeweils ein Tatzeitpunkt sowie ein genau umschriebener Tatort zuzuordnen ist. Wie RI B in der Verhandlung ausführte, habe er die Anzeige und somit auch die Zeitangaben nach bestem Wissen und Gewissen anhand der ihm zur Verfügung stehenden Notizen seiner Kollegen, die noch während der Nachfahrt entstanden und nach der Amtshandlung durch die Abfahrt der Strecke vervollständigt worden sind, erstellt. In der Zusammenschau der angegebenen Tatzeiten mit den Tatörtlichkeiten ist dem Konkretisierungsgebot des § 44 a VStG entsprochen worden, nachdem auf diese Weise sowohl eine Verwechslungsgefahr als auch eine Doppelbestrafung auszuschließen ist.

Lediglich der Tatvorwurf im Punkt 3.) des bekämpften Bescheides erscheint nicht zweifelsfrei erwiesen, nachdem der Berufungswerber am Bahnhofgürtel 85, dieser liegt etwa 50 m nach der ersten Kreuzung, mit seinem Fahrzeug ins Schleudern gekommen sein soll. An dieser Tatörtlichkeit hat der Berufungswerber nach den Angaben des Zeugen B noch eine Geschwindigkeit von etwa 50 km/h eingehalten. Nachdem die Fahrbahn

trocken war und auch sonst keine Umstände hervorgekommen sind, die das Aufschaukeln bzw. Schleudern des Fahrzeuges erklären hätten können, war dieser Tatvorwurf im Hinblick auf die Bestimmung des § 45 Abs 1 Z 1 VStG fallenzulassen.

Die weiteren Einstellungen zu den einzelnen Punkten des Straferkenntnisses beruhen auf rechtlichen Überlegungen:

§ 22 Abs 1 VStG normiert das Kumulationsprinzip im Verwaltungsstrafverfahren: Hat jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen. Eine Ausnahme von diesem Kumulationsprinzip besteht bei einem fortgesetzten Delikt. Für die Annahme eines solchen ist eine Mehrheit von an sich selbständigen, nacheinander gesetzten

Handlungen, deren jede für sich den Tatbestand desselben Deliktes erfüllt, erforderlich, die jedoch unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich als ein einziges Delikt zu behandeln sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Einzelhandlungen zeitlich in einem engen Zusammenhang stehen und von einem einheitlichen Willensentschluß des Täters ausgegangen werden kann. Angewendet auf die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen ist ein fortgesetztes Delikt im Hinblick auf die Geschwindigkeitsüberschreitung im Punkt

6.) und 10.) des bekämpften Bescheides anzunehmen, nachdem sowohl ein enger zeitlicher Zusammenhang (zwischen den beiden angenommenen Delikten liegt nur eine Zeitspanne von etwa 3 Minuten) gegeben war als auch von einem einheitlichen Willensentschluß des Berufungswerbers auszugehen ist, die überhöhte Geschwindigkeit im Ortsgebiet beizubehalten, nachdem zwischen dem Ende der ersten und dem Beginn der zweiten Tatörtlichkeit nur eine Wegstrecke von 200 m liegt. Das Beweisverfahren hat zwar ergeben, daß der Berufungswerber innerhalb dieses Streckenbereiches, nämlich in Annäherung an die Kreuzung Bahnhofgürtel-Peter Tunner Gasse-Wienerstraße sein Fahrzeug abgebremst hat und unmittelbar vor der genannten Kreuzung bei überhöhter Geschwindigkeit ins Schleudern gekommen ist. Diese Geschwindigkeitsverminderung ändert jedoch nichts an der Annahme eines fortgesetzten Deliktes, nachdem die Reduzierung der Geschwindigkeit verkehrsbedingt (kurvenförmiger Verlauf der Fahrbahn) erfolgte. Eine kurzfristige, verkehrsbedingte Geschwindigkeitsänderung unterbricht noch nicht den Fortsetzungszusammenhang. In diesem Sinne war der Punkt 10.) des bekämpften Bescheides im Hinblick auf § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen. Die unter Punkt 8.) angeführte Verwaltungsübertretung, die Mißachtung der Bestimmung des § 20 Abs 1 StVO bleibt von der Zusammenlegung unberührt, weil bei Verletzung verschiedener Verwaltungsvorschriften - hier § 20 Abs 1 StVO und § 20 Abs 2 StVO - kein fortgesetztes Delikt anzunehmen ist, selbst dann nicht, wenn die Übertretungen im Zuge einer Fahrt begangen werden (vgl. u. a. VwGH 11.11.1987, 86/03/0237).

Die oben referierten Kriterien zum fortgesetzten Delikt gelten auch für die Punkte 3.) und 7.) des bekämpften Bescheides, in denen dem Berufungswerber - zusätzlich zu Punkt 2.) - jeweils eine Übertretung des § 7 Abs 1 StVO zur Last gelegt worden ist. Auch hier war davon auszugehen, daß im Hinblick auf den zeitlichen Zusammenhang, die gleiche Begehungsform und die Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände Deliktseinheit anzunehmen ist. Es ist nicht hervorgekommen, daß der Berufungswerber während der gesamten Fahrt den

rechten Fahrstreifen auf eine nennenswerte Distanz hin vorschriftsmäßig befahren hätte. Es entstand vielmehr das Bild, daß der Berufungswerber im wesentlichen immer eine straßenmittige Fahrweise eingehalten hat. Allerdings würde selbst ein kurzfristiges Rechtsfahren an der vorgenommenen rechtlichen Qualifikation nichts ändern.

Zum abweisenden Spruchteil ist hinsichtlich der Strafbemessung noch auszuführen:

§ 19 Abs 1 VStG enthält jene objektive Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Demnach ist bei der Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzten Strafrahmens (hier hinsichtlich der Punkte 1.), 2.), 6.),

8.)

und 9.) bis zu S 10.000,--, hinsichtlich des Punktes

4.)

bis zu S 30.000,--, hinsichtlich Punktes 11.) S 300,-- und hinsichtlich Punkt 13.) S 3.000,--) insbesondere davon auszugehen, in welchem Ausmaß diejenigen Interessen gefährdet worden sind, deren Schutz die Strafdrohung dient. Der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, ist ebenso bei der Strafbemessung zu berücksichtigen.

§ 38 Abs 5 in Verbindung mit Abs 1 a StVO regelt die Bedeutung der Lichtzeichen. Rotes Licht gilt als Zeichen für "Halt". Bei diesem Zeichen haben die Lenker von Fahrzeugen an bestimmt gekennzeichneten Stellen anzuhalten; wenn eine Haltelinie vorhanden ist, vor der Haltelinie. Diese Vorschrift enthält ein absolutes Anhaltegebot. Dieses Gebot wird dadurch verletzt, indem der Fahrzeuglenker bei rotem Licht über die Haltelinie in die Kreuzung einfährt.

§ 7 StVO bestimmt unter der Überschrift "Allgemeine Fahrordnung" im hier in Betracht kommenden ersten Satz des Absatzes 1, daß der Lenker eines Fahrzeuges, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, so weit rechts zu fahren hat, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist.

§ 20 Abs 1 StVO 1960 normiert die Anpassung der Fahrgeschwindigkeit an die gegebenen Umstände (Straßen-, Verkehrs- Sichtverhältnisse; Eigenschaft des Fahrzeuges, Ladung) oder durch

Straßenverkehrszeichen angekündigte Umstände. Diese Norm ist in Verbindung mit

§ 52 a Z 10 StVO zu sehen; die durch Verkehrszeichen ausgeschilderten Höchstgeschwindigkeiten sind ab dem Standort des Zeichens einzuhalten.

Die Bestimmung des § 20 Abs 2 StVO 1960 legt fest,

daß - sofern nicht eine geringere Höchstgeschwindigkeit vorgeschrieben oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt ist - der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren darf. Diese Schutzvorschrift normiert Höchstgeschwindigkeiten, die nur bei optimalen Straßen- und Sichtverhältnissen ausgeschöpft werden dürfen.

§ 9 Abs 6 StVO regelt das Verhalten bei Bodenmarkierungen: Sind auf der Fahrbahn für das Einordnen zur Weiterfahrt Richtungspfeile angebracht, so haben die Lenker ihre Fahrzeuge je nach der beabsichtigten Weiterfahrt einzuordnen. Die Lenker von Fahrzeugen müssen jedoch auch dann im Sinne der Richtungspfeile weiterfahren, wenn sie sich nicht der beabsichtigten Weiterfahrt entsprechend eingeordnet haben.

Artikel 3 Abs 1 iVm Artikel 3 Abs 5 3. KFG-Novelle verpflichtet den Lenker von Fahrzeugen während der Fahrt Sicherheitsgurte zu verwenden.

Diese vom Berufungswerber übertretenen Vorschriften zielen, wie nahezu sämtliche Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes darauf ab, die mit dem Straßenverkehr naturgemäß verbundenen Gefahren und Gefährdungsmomente auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Wer gegen diese Vorschriften verstößt, trägt zur Erhöhung der Gefahren des Straßenverkehrs bei und gefährdet damit die Verkehrssicherheit. Durch sein Gesamtverhalten hat der Berufungswerber zu erkennen gegeben, sich zur Nachtzeit offenbar nicht durch Verkehrsvorschriften gebunden zu fühlen. So hat er innerhalb einer relativ kurzen Wegstrecke gleich mehrere grobe Verkehrsübertretungen gesetzt. Dieser objektive Unrechtsgehalt seines Verhaltens war auch bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Die Einhaltung der vom Berufungswerber ebenfalls verletzten Rechtsvorschrift des § 1 LGBl. 158/75, wonach die Verletzung des öffentlichen Anstandes eine Verwaltungsübertretung darstellt, soll eine anständige zwischenmenschliche Begegnung gewährleisten.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Berufungsbehörde hatte als mildernd nichts, als erschwerend zu Punkt 6.) des bekämpften Bescheides

das hohe Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung zu werten. Die von der belangten Behörde zu den einzelnen Punkten vorgenommene Strafbemessung entspricht den oben zitierten Zumessungskriterien und den unterschiedlichen Strafrahmen. Die verhängten Strafen sind im Hinblick auf § 19 Abs 1 VStG gerechtfertigt und unter Einbezug der verantwortungslosen Fahrweise des Berufungswerbers auch schuldangemessen.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (derzeit arbeitslos, letztes monatliches Einkommen S 33.000,-- netto, Eigentumswohnung in Wien, Sorgepflichten für zwei minderjährige Kinder und die Gattin) wurden bei der Strafbemessung berücksichtigt; sie waren nicht geeignet, strafherabsetzend zu wirken.

Die Festsetzung des Kostenbeitrages zum Verwaltungsstrafverfahren zweiter Instanz ergibt sich aus § 64 VStG, wonach im Fall der vollinhaltlichen Bestätigung des Straferkenntnisses erster Instanz durch die Berufungsbehörde dieser Betrag mit 20 % der verhängten Strafe festzusetzen ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Geschwindigkeitsüberschreitung fortgesetztes Delikt
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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