TE UVS Wien 1997/01/23 03/M/13/135/97

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Veröffentlicht am 23.01.1997
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Betreff

Einstellung eines Verfahrens wegen Übertretung des Halteverbots gemäß § 24 Abs 1 lit n StVO, da die Zufahrt zur linken Straßenseite entgegen § 7 Abs 4 StVO aus besonderen Gründen (Panne) gerechtfertigt war, ein sonstiges Halteverbot an dieser Stelle nicht bestand und das Fahrzeug innerhalb eines angemessenen Zeitraumes abgeschleppt wurde.

Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Helm über die Berufung des Herrn Raimund V, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 26.11.1996, Zl MA 67-RV- 071455/6/1, wegen Übertretung des § 24 Abs 1 lit n StVO entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Erstinstanzlicher Bescheid:

Der Berufungswerber wurde mit dem angefochtenen Straferkenntnis für schuldig erkannt, er habe am 24.2.1996, um 08.45 Uhr, in Wien, O-Straße, als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen W-26 folgende Verwaltungsübertretung begangen: Abstellen des Fahrzeuges auf einer Fahrbahn mit Gegenverkehr und Gleisen von Schienenfahrzeugen am linken Fahrbahnrand, somit auf einer Straßenstelle, die nur durch Verletzen eines gesetzlichen Verbotes erreicht werden konnte.

Er habe dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 24 Abs 1 lit n Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO). Gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO wurde gegen ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,--, im Falle der Uneinbringlichkeit 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.

Ferner wurde der Berufungswerber gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) verpflichtet, S 50,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, zu zahlen, sodaß der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) daher S 550,-- betragen würde.

Dem Straferkenntnis der erstinstanzlichen Behörde liegt eine rechtliche Würdigung zugrunde, die von der Verantwortung des Berufungswerbers im erstinstanzlichen Verfahren ausgeht, ohne seine Darstellungen deshalb bereits als erwiesen anzunehmen. Der Berufungswerber hatte dort - im Wege des Einspruchs - vorgebracht, er sei am Freitag, dem 23.2.1996, ca um 19.00 Uhr, mit seinem Kraftfahrzeug in der O-Straße unterwegs gewesen. Auf der Höhe der Nummer 118 sei plötzlich der Motor abgestorben, Versuche zur Wiederinbetriebnahme des Fahrzeuges seien gescheitert. Ein Abstellen des Kraftfahrzeuges am rechten Straßenrand sei aufgrund einer Baustelle in Höhe O-Straße 120 und des Fehlens sonstiger Parkmöglichkeiten auf dieser Straßenseite ausgeschlossen gewesen. Er habe daher das Fahrzeug lediglich auf der linken Straßenseite parken können, wo noch genügend Parkplatz vorhanden gewesen sei. Dabei habe er bereits die Hilfe seiner Gattin benötigt; da die O-Straße Richtung W-gasse ansteigt, sei ein Umdrehen des Autos per Hand in diesem Straßenabschnitt nicht möglich gewesen. Dies hätte vielmehr zu Verkehrsbehinderungen geführt. Am folgenden Tag (Samstag), dem 24.2.1996, habe er sein Kraftfahrzeug mit Hilfe seines Bruders abgeschleppt und es in die Werkstatt der Firma P in St gebracht. Dies war der Erstbehörde durch Vorlage einer Rechnung der Firma P nachgewiesen worden. Die erstinstanzliche Behörde äußerst in ihrer Begründung keinen Zweifel an der Darstellung des Berufungswerbers und bezweifelt insbesondere nicht, daß er durch die plötzlich auftretende Panne genötigt war, das Fahrzeug in der angelasteten Art und Weise abzustellen. Folgerichtig wird ihm auch das Abstellen seines Kraftfahrzeuges selbst nicht angelastet. In ihrer rechtlichen Würdigung geht die erstinstanzliche Behörde jedoch davon aus, daß der Berufungswerber sofort hätte Maßnahmen treffen müssen, sein defektes Kraftfahrzeug von der gegenständlichen Örtlichkeit wegzubringen. Er habe jedoch nicht alles unternommen, um das Fahrzeug so rasch als möglich wegzuschaffen, da er nach seinen eigenen Angaben dieses erst am nächsten Tag habe entfernen lassen. Dadurch sei das anfänglich durch eine Panne hervorgerufene erlaubte Abstellen des Fahrzeuges nachträglich in ein verbotenes Parken übergegangen.

Berufungsvorbringen:

In der zwar fälschlich als "Einspruch", sonst aber form- und fristgerecht eingebrachten Berufung macht der Berufungswerber in erster Linie geltend, er habe am Freitag nach 19.00 Uhr keine offene Vertragswerkstatt gefunden. Seinem Bruder sei es erst am darauffolgenden Samstag möglich gewesen, das Fahrzeug abzuschleppen. Des weiteren rügte er, daß keiner der von ihm namhaft gemachten Zeugen von der erstinstanzlichen Behörde einvernommen worden sei, und weist darauf hin, daß sein wegen der Panne abgestelltes Fahrzeug mit einem Warndreieck gekennzeichnet gewesen sei, das die Exekutive offensichtlich nicht beachtet habe.

Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung:

Daß sein Kraftfahrzeug zu dem im angefochtenen Straferkenntnis angegebenen Ort und Zeitpunkt in der angelasteten Art und Weise abgestellt war, wurde vom Berufungswerber nie bestritten und wird daher als erwiesen angenommen.

Ebenso als erwiesen angenommen wird auch die vom Berufungswerber zu seiner Rechtfertigung vorgebrachte Darstellung, wie sie sich aus dem Einspruch und der Berufung ergibt. Die Darstellung ist in sich schlüssig, die geschilderte Panne ist durch Vorlage einer Reparaturrechnung, die sowohl zeitlich als auch von den durchgeführten Reparaturen her zu der Schilderung des Berufungswerbers paßt, hinreichend nachgewiesen.

Was die rechtliche Beurteilung anlangt, so ist der erstinstanzlichen Behörde in ihrer - aus der Begründung indirekt erschließbaren Wertung -, der Berufungswerber habe sich dadurch, daß er das defekte Fahrzeug auf die linke Straßenseite geschafft und dort abgestellt habe, zunächst nicht strafbar gemacht, uneingeschränkt zu folgen. Wenn die erstinstanzliche Behörde jedoch annimmt, das anfänglich durch eine Panne hervorgerufene erlaubte Abstellen des Fahrzeuges sei nachträglich in ein verbotenes Parken übergegangen, weil der Berufungswerber das Fahrzeug erst am nächsten Tag um die Mittagszeit habe entfernen lassen, so kann dieser Überlegung nicht mehr gefolgt werden.

Zwar handelt es sich bei § 24 Abs 1 lit n StVO iVm § 99 Abs 3 lit a StVO unzweifelhaft um ein Dauerdelikt. Strafbar ist somit nicht nur die Herstellung eines rechtswidrigen Zustandes, sondern auch dessen Aufrechterhaltung. Die Herstellung dieses Zustandes, nämlich ein Zufahren zur linken Straßenseite, wäre separat aufgrund des § 7 Abs 4 iVm § 99 Abs 3 lit a StVO strafbar. Dennoch kann bei Überlegungen zur letztendlichen Rechtfertigung die Frage nicht ausgeklammert werden, wie es zur Herstellung dieses - zumindest typischerweise rechtswidrigen - Zustandes gekommen ist. Gleichermaßen relevant für derartige Überlegungen ist das Schutzziel der übertretenen Norm.

Wie schon aus dem Wortlaut des § 24 Abs 1 lit n StVO ersichtlich, gilt diese Bestimmung der Absicherung anderer gesetzlicher Verbote, zB des Verbots nach § 7 Abs 4 StVO. Der spezifische Unrechtsgehalt des durch § 24 Abs 1 lit n StVO iVm § 99 Abs 3 StVO konstituierten Dauerdelikts liegt somit im Fortwirken des durch Zuwiderhandlung gegenüber § 7 Abs 4 StVO (oder anderer Verbote) gesetzten primären Unrechts. Erst durch dieses Delikt wird es möglich, Fahrzeuglenker zu bestrafen, die in Straßen mit Gleisen von Schienenfahrzeugen auf der linken Fahrbahnseite parken, ohne ihnen nachweisen zu müssen, welches von drei oder mehr in Betracht kommenden Verboten sie zuvor verletzt haben (etwa das Umkehrverbot, das Verbot der Zufahrt zur linken Straßenseite, oder das Verbot des Fahrens über den Gehsteig).

Wenn daher ein Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund für die Übertretung des primären Verbots vorliegt, so ergibt sich aus dem logischen Zusammenhang beider Deliktstypen, daß die Übertretung des - sekundären - Halteverbots des § 24 Abs 1 lit n StVO zwangsläufig ebenfalls gerechtfertigt oder entschuldigt ist. Dies gilt jedenfalls für eine nach Art des Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes angemessene Dauer; aber auch bei längerer Abstelldauer kann ein "Rechtswidrigwerden" im Sinne des erstinstanzlichen Erkenntnisses nicht allein aus § 24 Abs 1 lit n entstehen, wenn die Übertretung des primären Verbots rechtmäßig war. Es müßten dann zusätzliche Halteverbotstatbestände vorliegen oder andere Gründe gegen das längere Abstellen eines Fahrzeuges sprechen.

Da den erstinstanzlichen Feststellungen nicht zu entnehmen ist, daß es sich bei dem Tatort um eine besonders gefährliche Straßenstelle gehandelt habe oder um eine solche, auf der aus anderen Gründen zusätzlich ein Halte- oder Parkverbot verhängt war, muß davon ausgegangen werden, daß das Unrecht der Tat im konkreten Fall ausschließlich von der Verletzung des Zufahrtverbotes zur linken Straßenseite (§ 7 Abs 4 StVO) und dessen Fortwirken abgeleitet ist. Da die Panne, die zur Abstellung des Fahrzeuges führte, an einem Freitag um 19.00 Uhr vorfiel, könnte nach den Umständen des Falles ein Zeitraum bis zum darauffolgenden Montagmorgen als angemessene Abstelldauer angesehen werden, sofern durch die Abstellung des Fahrzeuges keine weiteren Vorschriften verletzt werden oder eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer eintritt. Ein Zuwarten bis Mittag des folgenden Tages war aber unter Berücksichtigung des Umstandes, daß am Wochenende die Werkstätten üblicherweise geschlossen sind, keinesfalls unangemessen.

Da mit dem Standort des Wagens keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer oder Behinderung des Verkehrs gegeben war, wäre dem Berufungswerber auch nicht zuzumuten gewesen, etwa einen Abschleppdienst zu rufen, wenn er die berechtigte Erwartung hegen konnte, daß zu Mittag des folgenden Tages sein Bruder gemeinsam mit ihm die Abschleppung vornehmen können. Noch dazu hätte ein Abschleppunternehmen dem rechtmäßigen Zustand formal Genüge tun können, indem es das Kraftfahrzeug lediglich umgedreht hätte. Daß der Sinn der Bestimmung des § 24 Abs 1 lit n StVO darin bestünde, verkehrswidrig zugefahrene Fahrzeuglenker zum Umdrehen ihrer Fahrzeuge anzuhalten, kann dem Gesetzgeber jedoch nicht ernsthaft unterstellt werden. Vielmehr ist es, wie bereits vorher angemerkt, der Sinn dieser Bestimmung, das Zufahrtsverbot zur linken Straßenseite entsprechend abzusichern. Dazu hat im gegenständlichen Fall, zumal das Verbot des § 7 Abs 4 StVO in gerechtfertigter Weise übertreten wurde, keine Veranlassung bestanden, womit auch die etwa 17-stündige Übertretung des § 24 Abs 1 lit n StVO der Rechtswidrigkeit ermangelt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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