TE UVS Wien 1997/02/12 04/28/1058/94

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.02.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Zotter über die Berufung der Frau Johanna F, vertreten durch RÄ, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 8.11.1994, Zl MBA 23/S 7907/93, wegen Übertretungen ad 1) § 28 Abs 1 iVm § 9 zweiter Halbsatz iVm § 7 Abs 1 des Arbeitszeitgesetzes, ad 2) § 28 Abs 1 iVm § 9 erster Halbsatz iVm § 7 Abs 1 des Arbeitszeitgesetzes und ad 3) § 28 Abs 1 iVm § 11 Abs 1 erster Satz des Arbeitszeitgesetzes, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12.4.1996, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung hinsichtlich der unter den Punkten 1)a), 2), 3)a), 3)b) und 3)c) erhobenen Tatvorwürfe Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesen Punkten behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Hinsichtlich der Punkte 1)b) und 3)d) wird der Berufung insoferne Folge gegeben, als die diesbezüglich verhängten Geldstrafen von jeweils S 3.000,-- auf S 1.000,-- (1b) und S 1.500,-- (3d) und die Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 3 Tagen auf 24 bzw 36 Stunden herabgesetzt werden.

Demgemäß reduziert sich der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu diesen Punkten auf S 100,-- bzw S 150,--, ds 10 % der verhängten Geldstrafen.

Im übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Gemäß § 65 VStG hat die Berufungswerberin keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgenden Spruch:

"Sie haben als Bevollmächtigte gemäß § 28 Abs 1 Arbeitszeitgesetz, BGBl Nr 461/1969 der "L Gesellschaft mbH" mit dem Sitz in Wien, O-straße zu verantworten, daß diese Gesellschaft in der weiteren Betriebsstätte in G, H-Straße

1) nachstehende Arbeitnehmer über die Höchstgrenze der täglichen Arbeitszeit von 10 Stunden beschäftigt hat, obwohl die Tagesarbeitszeit von 10 Stunden nicht überschritten werden darf

a) Die Arbeitnehmerin Br Renate mußte am (siehe Tabelle) eine tägliche Arbeitszeit von mehr als zehn Stunden verfahren. 21.7.1993 10 Std 45 min

23.7.1993 11 Std 15 min

2.7.1993 10 Std 45 min

17.7.1993 10 Std 45 min

b) Die Arbeitnehmerin Ka Christine mußte am (siehe Tabelle) eine tägliche Arbeitszeit von mehr als zehn Stunden verfahren. 22.6.1993 10 Std 30 min

2) nachstehende Arbeitnehmer über die Höchstgrenze der wöchentlichen Arbeitszeit von 50 Stunden hinaus beschäftigt hat, obwohl die Wochenarbeitszeit 50 Stunden nicht überschreiten darf

Die Arbeitnehmerin Br Renate mußte in der 26. Kalenderwoche eine wöchentliche Arbeitszeit von 51 Std 15 min verfahren.

3) den nachstehenden Arbeitnehmern bei einer Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit von mehr als 6 Stunden keine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde gewährt hat, obwohl die Arbeitszeit durch eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde zu unterbrechen ist, wenn die Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit mehr als 6 Stunden beträgt

a) Bei der Arbeitnehmerin Br Renate wurde am 3.7.1993, 10.7.1993, 24.7.1993 und am 31.7.1993 die Tagesarbeitszeit nur durch eine 15minütige Ruhepause unterbrochen.

b) Bei der Arbeitnehmerin Z Manuela wurde am 3.7.1993, 10.7.1993, 24.7.1993 und am 31.7.1993 die Tagesarbeitszeit nur durch eine 15minütige Ruhepause unterbrochen.

c) Bei der Arbeitnehmerin Ba Mathilde wurde am 10.7.1993 und am 17.7.1993 die Tagesarbeitszeit nur durch eine 15minütige Ruhepause unterbrochen.

d) Bei der Arbeitnehmerin Kr Cornelia wurde am 5.6.1993, 12.6.1993 und am 26.6.1993 die Tagesarbeitszeit nur durch eine 15minütige Ruhepause unterbrochen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

ad 1) Zwei Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs 1 in Verbindung mit § 9 zweiter Halbsatz iVm § 7 Abs 1 des Arbeitszeitgesetzes BGBl Nr 461/1969 idgF

ad 2) eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs 1 in Verbindung mit § 9 erster Halbsatz iVm § 7 Abs 1 des Arbeitszeitgesetzes BGBl Nr 461/1969 idgF

ad 3) Vier Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs 1 in Verbindung mit § 11 Abs 1 erster Satz des Arbeitszeitgesetzes, BGBl Nr 461/1969 idgF

Wegen dieser 7 Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

ad 1) 2 x je eine Geldstrafe von Schilling 3.000,--, zusammen Schilling 6.000,--, falls diese uneinbringlich sind, 2 x je eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, zusammen 6 Tage

ad 2) eine Geldstrafe von Schilling 3.000,--, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, ad 3) 4 x je eine Geldstrafe von Schilling 3.000,--, zusammen Schilling 12.000,--, falls diese uneinbringlich sind, 4 x je eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, zusammen 12 Tage, gemäß § 28 des Arbeitszeitgesetzes vom 11. Dezember 1969, BGBl Nr 461/1969 idgF

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

7 mal 300.- Schilling, zusammen daher 2.100.- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich 200 S angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 23.100.- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)."

In der dagegen erhobenen Berufung wird eingewendet, daß die Berufungswerberin seit 1.7.1993 für die verfahrensgegenständliche Filiale nicht mehr verantwortlich sei. Mit 1.7.1993 sei die Filiale von Herrn Herbert Ki als Bezirksverkaufsleiter übernommen worden. Mit gleichem Zeitpunkt sei er zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden und hätte dieser Bestellung schriftlich zugestimmt. Die Berufungswerberin sei daher für Übertretungen nach dem 30.6.1993 in der gegenständlichen Filiale nicht mehr verantwortlich.

Nach dem 30.6.1993 hätte die Berufungswerberin keine Anordnungs- oder Entscheidungsbefugnis bezüglich arbeitszeitrechtlicher Bestimmungen für die gegenständliche Filiale gehabt. Sie sei nach 30.6.1993 nicht mehr Bevollmächtigte im Sinne des § 28 Arbeitszeitgesetz gewesen.

In der Folge setzt sich die Berufung eingehend mit dem Begriff des leitenden Angestellten und dem Verhältnis der Regelungen des § 9 Abs 2 bis 4 VStG und § 23 Abs 2 Arbeitsinspektionsgesetz auseinander. Die Berufungswerberin gelangt zum Schluß, daß der Begriff des leitenden Angestellten im Arbeitsinspektionsgesetz und im Arbeitszeitgesetz eine unterschiedliche Bedeutung aufweise und behauptet, sie sei jedenfalls leitende Angestellte im Sinne des Arbeitsinspektionsgesetzes und rechtswirksam zur verantwortlichen Beauftragten bestellt worden. Weiters bemängelt die Berufung den Umstand, daß die Erstbehörde es verabsäumt hätte, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Berufungswerberin als Grundlage für die vorgenommene Strafbemessung zu ermitteln.

Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren wurde aufgrund einer Anzeige des Arbeitsinspektorates Gr eingeleitet, wonach in einer Filiale der L GesmbH mit Sitz in Wien, O-Straße, die im Spruch näher umschriebenen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes festgestellt worden seien. Der Anzeige ist eine Mitteilung der L GesmbH an das Arbeitsinspektorat Gr vom 15.4.1993 angeschlossen, wonach für die Filiale in G, H-Straße, ab 1.6.1990 Johanna F zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG bestellt worden sei und dieser Bestellung, die sich auch auf die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes beziehe, zugestimmt hätte. Weiters hat die L GesmbH dem Arbeitsinspektorat Gr mitgeteilt, daß für die gegenständliche Filiale Renate Br ab 2.3.1990 als Filialleiterin zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG bestellt worden sei und dieser Bestellung ebenfalls zugestimmt hätte. Daraufhin erließ die Erstbehörde gegen die Berufungswerberin als gemäß § 28 Abs 1 des Arbeitszeitgesetzes Bevollmächtigte eine Strafverfügung mit dem identen Tatvorwurf wie im angefochtenen Straferkenntnis. In ihrer Rechtfertigung im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens behauptet die Berufungswerberin, zur verantwortlichen Beauftragten bestellt worden zu sein, und - wenn überhaupt - die angelastete Verwaltungsübertretung ihr als verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs 2 VStG zur Last zu legen gewesen wäre. Im übrigen sei Frau Renate Br für die gegenständliche Filiale als Filialleiterin zur verantwortlichen Beauftragten bestellt worden und verpflichtet, die Arbeitszeiten für die ihr anvertrauten Mitarbeiter einzuteilen. Weiters sei der Tatvorwurf hinsichtlich der Mitarbeiterin Renate Br nicht aufrechtzuerhalten, da diese als leitende Angestellte von den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes ausgenommen sei. Der Berufungswerberin seien als Bezirksverkaufsleiterin mehrere nach örtlichen Gesichtspunkten zusammengefaßte Filialen anvertraut. Sie würde jede Filiale ca zweimal wöchentlich besuchen und unter anderem die Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes durch die jeweiligen Filialleiter prüfen.

Zur Klärung des Sachverhaltes führte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien am 18.3.1996 und 12.4.1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

In der Verhandlung vom 18.3.1996 hat der Vertreter der Berufungswerberin die örtliche Unzuständigkeit des UVS Wien eingewendet, da der Tatort in der Steiermark gelegen sei. Die Tätigkeit der Berufungswerberin habe sich hauptsächlich in jenen Filialen entfaltet, die sie zu überprüfen gehabt hätte, und hätte sie am Firmensitz in Wien nur 5 bis 10 % ihrer Arbeitszeit aufgewendet.

Weiters hat der Vertreter der Berufungswerberin eine Urkunde vorgelegt, wonach Herbert Ki ab 1.7.1993 zum verantwortlichen Beauftragten für die gegenständliche Filiale bestellt worden sei und die Verantwortlichkeit sich auch auf die Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes erstrecke. Da es eine Überlappung der Verantwortungsbereiche der Berufungswerberin und der örtlich zuständigen Filialleiterin gegeben hätte, sei die Berufungswerberin nicht rechtswirksam zur verantwortlichen Beauftragten bestellt worden. Aus der nicht rechtswirksam erfolgten Bestellung zur verantwortlichen Beauftragten könne auch nicht eine wirksame Bevollmächtigung gemäß § 28 Arbeitszeitgesetz konstruiert werden, zumal die Berufungswerberin einer solchen Bevollmächtigung nie zugestimmt hätte. Ab 1.7.1993 hätte die Berufungswerberin einen anderen Aufsichtsbezirk zugeteilt erhalten und sei im Herbst 1993 aus dem Unternehmen ausgeschieden. Mit Schriftsatz vom 1.4.1996 hat der Vertreter der Berufungswerberin eine mit 1.7.1993 datierte Urkunde übermittelt, wonach die Berufungswerberin als Bezirksleiterin für die in einer Beilage genannten Filialen zur verantwortlichen Beauftragten unter anderem auch für den Bereich Arbeitszeitgesetz bestellt worden sei. Die Beauftragung bezieht sich auf einige Filialen in Wien und Umgebung.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist nachstehender Sachverhalt erwiesen:

Die Berufungswerberin war als Bedienstete der L GesmbH mit Sitz in Wien, O-Straße, von 1.6.1990 bis 30.6.1993 als Bezirksverkaufsleiterin unter anderem für die Filiale in G, H-Straße, tätig. Ihr Aufgabengebiet bezog sich auf insgesamt neun Filialen in Gr und Umgebung. Am 15.4.1993 übermittelte die L GesmbH dem Arbeitsinspektorat eine mit "Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG" übertitelte Urkunde, die die Berufungswerberin und zwei Geschäftsführer der L GesmbH unterfertigt haben. Die Urkunde ist mit 1.6.1990 datiert und beinhaltet unter anderem nachfolgenden Text:

"Die Geschäftsführer der L Gesellschaft mbH, bestellen Sie gemäß § 9 VStG zum verantwortlichen Beauftragen des Ihnen jeweils zugeteilten Bezirkes der Sparte Supermarkt. Sie sind für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch entsprechende Anweisung an die Ihnen unterstellten Filialleiter bzw Kontrolle der Einhaltung der von Ihnen erteilten Anweisungen verantwortlich. Die Verantwortung erstreckt sich auf alle zur Anwendung gelangenden Vorschriften, insbesondere auf die Einhaltung ..... des Arbeitszeitgesetzes ...

Sie sind berechtigt, zur Erfüllung Ihrer Obliegenheiten und in Ergänzung allgemein ergangener Dienstanweisungen spezielle Anweisungen für ihren Verantwortungsbereich zu erlassen. ... Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie, daß Sie Ihre Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten zur Kenntnis genommen und zugestimmt haben."

Bezüglich der Filiale in G wurde eine mit 2.3.1990 datierte Urkunde gleichen Inhalts erstellt, die von Renate Br (Filialleiterin) und einem Geschäftsführer der L GesmbH unterfertigt wurde.

Ab 1.7.1993 wurde die Berufungswerberin als Bezirksverkaufsleiterin für 11 Filialen in Wien, L, H, N und F eingesetzt. Gemäß einer Urkunde, datiert mit 1.7.1993 und unterfertigt von der Berufungswerberin und zwei Geschäftsführern der L GesmbH, wurde sie ab diesem Tag für die genannten Filialen zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG bestellt. In der Filiale in G wurden bis 30.6.1993 die unter den Punkten 1)b) und 3)d) des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes begangen.

Die getroffenen Feststellungen gründen sich, was die angelasteten Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes anlangt, auf die Anzeige des Arbeitsinspektorates und die Tatsache, daß diese Verstöße von der Berufungswerberin nicht bestritten wurden. Der strittige Tatvorwurf hinsichtlich der Dienstnehmerin Renate Br wurde keiner Prüfung unterzogen, da die Berufungswerberin ab 1.7.1993 für die gegenständliche Filiale nicht mehr verantwortlich war und vor diesem Zeitpunkt eine Übertretung bezogen auf Renate Br nicht festgestellt wurde. Die Tatsache, daß die Berufungswerberin ab 1.7.1993 nicht mehr für die gegenständliche Filiale verantwortlich war, ergibt sich aus den vorliegenden Urkunden, wonach sie ab diesem Zeitpunkt für mehrere Filialen in Wien und Umgebung als Bezirksleiterin fungierte und für die Filiale in G nunmehr Herbert Ki als Bezirksleiter tätig war.

Zu den getroffenen Feststellungen hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien erwogen:

Zunächst war zu prüfen, inwieweit dem Einwand der örtlichen Unzuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien Berechtigung zukommt.

Gemäß § 51 Abs 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 620/1995, in Kraft getreten am 1.7.1995, steht im Verwaltungsstrafverfahren den Parteien das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Da das erstinstanzliche Straferkenntnis vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 23. Bezirk mit Sitz in Wien erlassen wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat Wien zur Entscheidung über die Berufung zuständig.

Die Erstbehörde erweist sich aus folgenden Gründen für die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens örtlich zuständig:

Gemäß § 27 Abs 1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15.12.1995, Zl 95/11/0267, betreffend das gegenständliche Handelsunternehmen festgestellt hat, ist für den Fall der Verantwortlichkeit eines Bezirksleiters für eine außerhalb Wiens gelegene Filiale der Magistrat der Stadt Wien örtlich zuständig. Ebenso sei in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.10.1995, Zl 95/02/0280, hingewiesen, wonach für den Fall, daß ein Filialinspektor mit einem Verantwortungsbereich nicht nur für eine Filiale verfolgt wird, als Tatort nicht der Standort der angeführten Filiale, sondern der Sitz des Unternehmens in Betracht kommt. Die örtliche Zuständigkeit sowohl der Erstbehörde als auch des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien ist daher gegeben.

Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Berufungswerberin ist folgendes festzustellen:

§ 9 Abs 1, 2 und Abs 4 VStG haben folgenden Wortlaut:

(1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

(4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Nach § 28 des Arbeitszeitgesetzes (AZG) sind für Verstöße gegen dieses Bundesgesetz jeweils die Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte zur Verantwortung zu ziehen.

Während die Berufungswerberin noch im erstinstanzlichen Verfahren behauptet hat, sie sei rechtswirksam zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 VStG bestellt worden, hat der Vertreter der Berufungswerberin dies in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungsbehörde in Abrede gestellt mit dem Hinweis darauf, daß hinsichtlich der verfahrensgegenständliche Filiale überlappende Verantwortungsbereiche seitens der Berufungswerberin und der Filialleiterin vorgelegen hätten, und daraus eine nicht rechtswirksame Bestellung zur verantwortlichen Beauftragten resultiere.

Mit diesem Einwand ist die Berufungswerberin im Recht. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 7.4.1995, Zl 24/02/0470, festgestellt hat, ist die Bestellung und Namhaftmachung von verantwortlichen Beauftragten für räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche eines Unternehmens dann nicht rechtswirksam, wenn dieser Bereich nicht klar abgegrenzt ist, sodaß die Verwaltungsstrafbehörde die Bestellung aufgrund der Ergebnisse von hiezu erforderlichen Ermittlungen einer Interpretation zu unterziehen hat. Die Bestellungen (Namhaftmachungen) dürfen keine Zweifel über den Umfang der Übertretung der Verantwortlichkeit offenlassen. Eine solche eindeutige und zu keinen Zweifeln Anlaß gebende Umschreibung des Verantwortungsbereiches liegt darüberhinaus nur dann vor, wenn für die, in räumlicher, sachlicher und allenfalls auch zeitlicher Hinsicht abgegrenzte, verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit immer nur eine von vornherein feststehende Person in Betracht kommt. Wird dem Bereich der Tätigkeit einer juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit von der gesetzlichen Grundregel der Strafbarkeit (aller) ihrer zur Vertretung nach außen befugten Organe abgegangen und von der Möglichkeit der Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit auf andere Personen mit entsprechender Anordnungsbefugnis Gebrauch gemacht, dann kann für ein- und denselben Verantwortungsbereich nur ein verantwortlicher Beauftragter bestellt werden. Die rechtspolitisch fragwürdige Situation, daß ungeachtet ihrer tatsächlichen internen Aufgabenverteilung alle eine bestimmte Organstellung bekleidenden Personen - auch kumulativ - für Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften zur Verantwortung gezogen werden dürfen, soll im Falle gewillkürten Abgehens zu der Lösung führen, daß die Verantwortlichkeit möglichst klar definiert ist. Dies ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn aufgrund überlappender Verantwortungsbereiche wiederum mehrere Personen nebeneinander und wiederum auch kumulativ für einen bestimmten Verstoß gegen eine Verwaltungsvorschrift bestraft werden können.

Besonders plastisch wird dies in einem Fall, in dem verschiedene Arbeitnehmer für denselben Verantwortungsbereich in der in Rede stehenden Filiale, die noch dazu zueinander im Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen, von denen also der eine gegenüber dem anderen die Funktion eines Vorgesetzten mit Anordnungsbefugnissen ausübt, zum verantwortlichen Beauftragten bestellt werden sollen. Die unterscheidungslose Übertragung der Verantwortlichkeit für die Einhaltung sämtlicher Dienstnehmerschutzbestimmungen auf verschiedene Arbeitnehmer für denselben Verantwortungsbereich ist daher nicht rechtswirksam. Da im vorliegenden Fall sowohl der Berufungswerberin als Bezirksleiterin als auch der Filialleiterin die Verantwortlichkeit für die in den jeweiligen Urkunden gleichlautend angeführten Verwaltungsvorschriften übertragen werden sollte, entfaltet die Bestellung der Berufungswerberin zur verantwortlichen Beauftragten keine Rechtswirksamkeit. Es erübrigte sich daher zu prüfen, ob die Bestellung der Berufungswerberin zur verantwortlichen Beauftragten auch aus anderen Gründen (gemäß § 23 Abs 1 oder § 26 Abs 3 des Arbeitsinspektionsgesetzes) rechtsunwirksam ist.

Was die Verantwortlichkeit der Berufungswerberin gemäß § 28 Abs 1 Arbeitszeitgesetz, also deren Stellung als Bevollmächtigte anlangt, hat der Vertreter der Berufungswerberin vorgebracht, daß aus der nicht rechtswirksam gewordenen Bestellung zur verantwortlichen Beauftragten nicht ohne weiteres abzuleiten sei, daß die Berufungswerberin Bevollmächtigte im Sinne des Arbeitszeitgesetzes ist, zumal sie einer derartigen Bevollmächtigung nie zugestimmt hätte.

Das Arbeitszeitgesetz selbst enthält keine näheren Bestimmungen darüber, was unter einem Bevollmächtigten des Arbeitgebers zu verstehen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich verschiedentlich mit dieser Frage auseinandergesetzt und zB in seinem Erkenntnis vom 30.1.1996, Zl 95/11/0087, diesbezüglich ausgesprochen, daß bei Bestellung eines Bevollmächtigten im Sinne des § 28 Abs 1 AZG die strengen Voraussetzungen des § 9 Abs 4 VStG (etwa die nachweisliche Zustimmung des Beauftragten) nicht eingehalten werden müssen und daß keine Identität zwischen dem verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs 2 VStG und dem Bevollmächtigten nach § 28 Abs 1 AZG, durch den demgemäß im Sinne des § 9 Abs 1 VStG insofern anderes bestimmt wird, besteht. Aus Sinn und Zweck der Regelungen, nach denen ein Bevollmächtigter für die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist, ergibt sich aber, daß damit eine Person gemeint ist, die mit ihrem Einverständnis vom Arbeitgeber mit der Überwachung der Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen betraut und von diesem mit den entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen zu ihrer Durchsetzung ausgestattet wurde. Die Zuständigkeit eines Arbeitnehmers für einen bestimmten Aufgabenbereich begründet noch nicht seine Stellung als Bevollmächtigter.

Aus der vorliegenden Urkunde vom 1.6.1990 geht die Absicht des Arbeitgebers hervor, der Berufungswerberin die Verantwortung für die Einhaltung der dort angeführten Verwaltungsvorschriften (inklusive des AZG) zu übertragen. Sie soll durch entsprechende Anweisung an die ihr unterstellten Filialleiter bzw durch Kontrolle die Einhaltung der von ihr erteilten Anweisungen die Beachtung der gesetzlichen Vorschriften gewährleisten. Zur Erfüllung dieser Obliegenheiten wird die Berufungswerberin berechtigt, in Ergänzung allgemein ergangener Dienstanweisungen spezielle Anweisungen für ihren Verantwortungsbereich zu erlassen. Mit ihrer Unterschrift hat die Berufungswerberin bestätigt, daß sie der Übernahme dieser Verantwortlichkeit zugestimmt hat. Die Urkunde wurde in der Absicht erstellt, eine gänzliche Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit von den nach außen zur Vertretung Befugten an die Berufungswerberin zu bewirken. Dieser Übergang hat aus den oben dargelegten Gründen keine Rechtswirksamkeit erlangt. Dies ändert nichts daran, daß der Arbeitgeber die Absicht verfolgt hat, die Berufungswerberin mit der Überwachung der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften zu betrauen. Dazu wurde die Berufungswerberin mit entsprechenden Anordnungsbefugnissen gegenüber den Filialleitern und Entscheidungsbefugnissen (Erstellung entsprechender spezieller Dienstanweisungen) ausgestattet.

Mit ihrer Unterschrift hat die Berufungswerberin dokumentiert, daß sie mit der Übernahme der Verantwortung einverstanden ist. Damit sind sämtliche vom Verwaltungsgerichtshof genannten Kriterien für eine wirksame Bevollmächtigung im Sinne des § 28 Abs 1 Arbeitszeitgesetz erfüllt.

Die Berufungswerberin ist der von der Erstbehörde angenommenen rechtswirksamen Bevollmächtigung mit dem Argument entgegengetreten, sie hätte einer derartigen Bevollmächtigung nicht zugestimmt. Dieses Argument ist jedoch insofern nicht haltbar, als der Berufungswerberin gemäß der vorliegenden Urkunde die Verantwortung für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes auferlegt wurde und sie dem zugestimmt hat. Daraus abzuleiten, daß sie diese Verantwortung nur wahrzunehmen hätte, wenn die zur Vertretung nach außen Berufenen ihrerseits von der Verantwortlichkeit befreit wären (dies ist der maßgebliche Unterschied zwischen veranwortlichen Beauftragten und Bevollmächtigten), entbehrt einer entsprechenden Grundlage bzw kann der vorliegenden Erklärung vom 1.6.1990 nicht entnommen werden.

Die Tatsache, daß hinsichtlich der in Rede stehenden Filiale für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes allenfalls überlappende Verantwortungsbereiche von zwei Bevollmächtigten bestanden haben, steht der Annahme einer wirksamen Bevollmächtigung der Berufungswerberin nicht entgegen (zur näheren Begründung siehe VwGH vom 22.2.1996, Zl 95/11/0302).

Die Berufungswerberin wurde daher von der Erstbehörde zu Recht als Bevollmächtigte im Sinne des § 28 Abs 1 Arbeitszeitgesetz für die bis 30.6.1993 in der in Rede stehenden Filiale festgestellten Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes zur Verantwortung gezogen. Für den Zeitraum ab 1.7.1993 ist davon auszugehen, daß eine Bevollmächtigung der Berufungswerberin für diese Filiale nicht mehr gegeben war, da sie mit einem anderen Aufgabengebiet betraut wurde.

Bei Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes handelt es sich um sogenannte Ungehorsamsdelikte, das heißt, daß - was das Verschulden der Berufungswerberin anlangt - es ihr obliegt, glaubhaft zu machen, daß sie an den angelasteten Verwaltungsübertretungen kein Verschulden trifft, ansonsten die Behörde berechtigt ist, ein Verschulden in Form fahrlässigen Verhaltens anzunehmen (§ 5 Abs 1 zweiter Satz VStG). Im Berufungsschriftsatz und im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien hat die Berufungswerberin nichts konkretes dahingehend vorgebracht, inwiefern ihr die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften nicht möglich gewesen wäre. Sie hat lediglich ihre aus dem Gesetz abgeleitete Verantwortlichkeit in Abrede gestellt. Es trifft sie daher ein Verschulden in Form fahrlässigen Verhaltens.

Zur Strafbemessung ist folgendes festzustellen:

Gemäß § 28 des Arbeitszeitgesetzes beläuft sich der gesetzliche

Strafrahmen für Übertretungen der gegenständlichen Art auf S

300,-- bis S 6.000,--.

Zur Strafbemessung bestimmt § 19 VStG folgendes:

(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Für die Herabsetzung der zu Punkt 1)b) des angefochtenen Straferkenntnisses verhängten Geldstrafe von S 3.000,-- auf S 1.500,-- war maßgeblich, daß die Überschreitung der täglichen höchstzulässigen Arbeitszeit von 10 Stunden lediglich 30 Minuten betrug.

Insofern wurde das durch die Strafdrohung geschützte Interesse am Schutz der Arbeitnehmer vor überlanger Inanspruchnahme ihrer Arbeitskraft nur unterdurchschnittlich beeinträchtigt. Hinsichtlich der zu Punkt 3)d) des angefochtenen Straferkenntnisses erfolgten Herabsetzung der Geldstrafe von S 3.000,-- auf S 1.500,-- wird festgestellt, daß die Arbeitszeit entgegen der gesetzlichen Anordnung nicht eine halbe Stunde, sondern bloß 15 Minuten unterbrochen wurde. Dadurch wurde das durch die Strafdrohung geschützte Interesse am Schutz der Arbeitnehmer durchschnittlich beeinträchtigt, da Ruhepausen, wenn auch nicht im erforderlichen Ausmaß, gewährt wurden und von der Gewährung von Ruhepausen nicht gänzlich Abstand genommen wurde. Hinsichtlich beider Übertretungen war zu berücksichtigen, daß die Berufungswerberin nicht etwa absichtlich, sondern bloß unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt, sohin fahrlässig, gehandelt hat.

Inwiefern der Berufungswerberin der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht mehr zugute kommen soll - wie dies die Erstbehörde angenommen hat - ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Der genannte Umstand wird daher von der Berufungsbehörde als mildernd berücksichtigt. Erschwerungsgründe liegen keine vor.

Selbst bei Annahme ungünstiger Einkommens- und Vermögensverhältnisse käme eine weitere Herabsetzung der nunmehr ohnehin im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens liegenden Geldstrafen nicht in Betracht.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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