TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/9 99/05/0024

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Veröffentlicht am 09.10.2001
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;

Norm

BauO Wr §124 Abs1;
BauO Wr §125 Abs4;
BauO Wr §135 Abs3;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des GH in P, vertreten durch Dr. SM, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 19. Oktober 1998, Zl. UVS- 04/A/43/00164/98, betreffend eine Baustrafe (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, untersagte mit Bescheid vom 16. Dezember 1997 die Fortführung der auf einer näher bezeichneten Liegenschaft Wien XIX, Grinzingerstraße 61, begonnenen Bauführung (Errichtung eines Wohnhauses) in einer um ca. 80 cm größeren Distanz von der Baulinie als dies nach dem mit Bescheid vom 19. Juli 1996 bewilligten Plan vorgesehen war. Dieser Bescheid erging an die A-GesmbH als "Auftraggeberin und Grundeigentümerin", sowie in Abschrift auch an die an derselben Anschrift wie die A-GesmbH etablierte H-AG als Bauführerin.

Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz hielt dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 23. April 1998 vor, er hätte als handelsrechtlicher Geschäftsführer der A-GesmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Grundeigentümer und Bauwerber auf der gegenständlichen Liegenschaft in der Zeit vom 17. Februar 1997 bis 15. Dezember 1997 Arbeiten zur Errichtung eines Wohnhauses in einer um ca. 80 cm größeren Distanz von der Baulinie, als in der Baubewilligung vorgesehen, durchführen ließ, ohne dass dafür ein Bewilligungsbescheid vorgelegen wäre; er hätte § 135 Abs. 1 in Verbindung mit § 60 Abs. 1 lit. a BauO für Wien und § 6 VStG übertreten.

In seiner Rechtfertigung führte der Beschwerdeführer aus, dass die A-GesmbH der H-AG einen Generalunternehmerauftrag erteilt habe und dieses Unternehmen mit der Lieferung eines schlüsselfertigen Wohnhauses beauftragt worden sei. Außerdem sei dafür Sorge getragen worden, dass ein Prüfingenieur bestellt werde. Er müsse nicht mit dem Maßband nachkontrollieren, ob alle Abstände eingehalten worden seien.

Mit Bescheid vom 20. Mai 1998 wurde der Beschwerdeführer der vorgeworfenen Übertretung schuldig erkannt und es wurde über ihn eine Geldstrafe von S 22. 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 11 Tage) verhängt. Der Beschwerdeführer hätte weder behauptet noch bewiesen, dass ihm die Einhaltung der übertretenen Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden nicht möglich gewesen wäre, es sei daher die Verschuldensfrage im Sinne des § 5 VStG zu bejahen.

In seiner Berufung erklärte der Beschwerdeführer, der Geschäftsführer eines Bauträgers könne für eine bewilligungswidrige Bauführung nicht zur Verantwortung gezogen werden. Als Bauträgervertreter habe er weder die Befugnisse noch das Recht, selbst einen Einreichplan zu zeichnen oder ein Bauwerk aufzustellen. Es sei daher der Bauauftrag an ein konzessioniertes Bauunternehmen vergeben worden sowie parallel dazu ein staatlich geprüfter Zivilingenieur mit den Aufgaben eines Prüfingenieurs beauftragt worden.

Bei der Verhandlung vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer an, ein Ziviltechniker Dipl.Ing. S. sei von ihm beauftragt worden, die in der Baubewilligung angeführten Auflagen zu überprüfen. Die vorgeworfene Planwidrigkeit der Ausführung bestritt er nicht.

Mit dem angefochtenen Bescheid (hinsichtlich der Kostenentscheidung berichtigt durch den Bescheid vom 17. November 1998) gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich. Sie verwies zunächst auf § 60 lit. a (gemeint wohl: § 60 Abs. 1 lit. a) der BauO für Wien in der Fassung LGBl. Nr. 44/1996 (BO), wonach zu diesem Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehöre und die Verwaltungsvorschrift über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimme, sodass für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genüge. Der Beschwerdeführer habe nicht in Abrede gestellt, dass auf der im Spruch des Straferkenntnisses angeführten Liegenschaft Abweichungen vom genehmigten Bauplan erfolgt seien. Die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers bleibe auch neben einer allfälligen Bestellung eines unmittelbar Bauausführenden bestehen, weshalb auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe staatlich befähigte Fachleute mit der Bauführung betraut, ins Leere gehe, weil ein solches Auftragsverhältnis keine Voraussetzung für den Ausschluss der Haftung darstelle. Es sei seine Pflicht als Geschäftsführer eines Bauträgers gewesen, durch entsprechende Kontrollen der Baustellen ungeklärte bzw. unsachgemäße Bauführungsarbeiten zu erkennen und die genauen Umstände abzuklären und gegebenenfalls im Falle der Abweichung von einer bestehenden Bewilligung bzw. Nichteinhaltung von Auflagen einzuschreiten, allenfalls einen Baustop zu verfügen. Der Beschwerdeführer habe selbst eingeräumt, der Kontrolltätigkeit als Bauwerber nicht nachgekommen zu sein, sondern sich darauf verlassen zu haben, dass die konzessionierte Baufirma als bauleitendes Unternehmen die Baustelle ordnungsgemäß überwache. Deswegen sei dem Beschwerdeführer jedenfalls fahrlässiges Verhalten anzulasten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wurde als gemäß § 9 VStG Verantwortlicher des Bauwerbers für eine im Zuge der Bauausführung erfolgte Abweichung vom Konsens, also wegen einer Bauführung entgegen § 60 Abs. 1 lit. a BO, bestraft.

§ 135 Abs. 1 BO ist eine Blankettstrafvorschrift, welche selbst keinen Tatbestand enthält, sondern auf andere Vorschriften, die damit Teil des Verwaltungsstraftatbestandes werden, verweist. Abgesehen vom hier nicht vorliegenden Fall des § 135 Abs. 3 BO sagt diese Strafnorm bezüglich der Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Normen des Baurechtes nichts aus; diesbezüglich sind u.a. die Bestimmungen der §§ 124 f BO heranzuziehen, die samt Überschrift lauten:

"Bauführer und Bauwerber

§ 124. (1) Der Bauwerber hat sich zur Ausführung aller nach § 60 bewilligungspflichtigen und nach § 62 anzeigepflichtigen Bauarbeiten eines Bauführers zu bedienen, der nach den für die Berufsausübung maßgeblichen Vorschriften zur erwerbsmäßigen Vornahme dieser Tätigkeit berechtigt ist.

(2) Der Bauführer hat den Zeitpunkt des Beginns der Bauführung mindestens drei Tage vorher der Behörde anzuzeigen. Wird mit dem Bau entgegen der Baubeginnsanzeige nicht begonnen, gilt diese als nicht erstattet.

(3) Legt ein Bauführer die Bauführung zurück, hat er dies der Behörde unverzüglich anzuzeigen. Der Bauwerber ist verpflichtet, binnen zwei Wochen einen neuen Bauführer zu bestellen und der Behörde namhaft zu machen, und hat dafür Sorge zu tragen, dass der neue Bauführer sämtliche vom Bauführer zu unterfertigenden, bei der Behörde aufliegenden Unterlagen unterfertigt. Bis zur Bestellung eines neuen Bauführers hat der bisherige Bauführer alle notwendigen Sicherungsmaßnahmen vorzukehren. Wenn der bisherige Bauführer die Sicherungsmaßnahmen nicht treffen kann, ist der Bauwerber verpflichtet, bis zur Bestellung eines neuen Bauführers für die Vornahme der notwendigen Sicherungsmaßnahmen einstweilige Vorsorge zu treffen.

(4) Der Wechsel des Bauwerbers ist der Behörde anzuzeigen. Diese Anzeige ist sowohl vom bisherigen Bauwerber als auch vom zukünftigen Bauwerber zu unterfertigen. Die Pläne und sonstigen Unterlagen sind vom zukünftigen Bauwerber zu unterfertigen. Der zukünftige Bauwerber tritt in die Rechtsstellung des bisherigen Bauwerbers an dessen Stelle ein.

Verantwortlichkeit bei der Bauausführung

§ 125. (1) Bei der Bauausführung sind verantwortlich: a) für die Einhaltung der Baupläne, die nach diesem Gesetz ausgeführt werden dürfen, sowie aller Auflagen der Baubewilligung, für die werksgerechte Bauausführung, für die Tauglichkeit der verwendeten Baustoffe und Konstruktionen sowie überhaupt für die Einhaltung aller auf die Bauführung Bezug habenden Vorschriften dieses Gesetzes, seiner Nebengesetze und der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Verordnungen der Bauführer; b) falls die Bauführung mehreren, unter der Leitung des Bauführers selbstständig tätigen Bauausführenden obliegt, neben dem Bauführer für die Verwendung der den Plänen und den Berechnungen zu Grunde gelegten Baustoffe sowie für die bewilligungs- und bauordnungsgemäße Ausführung auch der jeweilige Bauausführende.

(2) Die Verantwortlichkeit nach Abs. 1 wird durch die behördliche Bewilligung und die behördlichen Überprüfungen nicht berührt. Wenn sich im Zuge der Bauausführung ergibt, dass bei Einhaltung des Bauplanes, der nach diesem Gesetz ausgeführt werden darf, oder der Auflagen der Baubewiligung eine Abweichung von den Bauvorschriften entsteht, sind der Bauführer, die selbstständig tätigen Bauausführenden und der Prüfingenieur (§ 127 Abs. 3) verpflichtet, dies der Behörde unverzüglich zu melden. Überdies ist der Prüfingenieur verpflichtet, der Behörde zu melden, wenn im Zuge der Bauausführung von den Bauplänen, die nach diesem Gesetz ausgeführt werden dürfen, in einer solchen Art oder in solchem Umfang abgewichen wird, dass die Abweichung über ein bewilligungsfreies Bauvorhaben (§ 62a) hinausgeht, oder bei der Bauausführung nicht entsprechende Baustoffe verwendet oder entsprechende Baustoffe unfachgemäß verwendet werden oder Konstruktionen mangelhaft ausgeführt werden (§ 127 Abs. 8).

(3) Für nachträglich verfasste Berechnungen und die zugehörigen Detailpläne, die dem Baubewilligungsverfahren noch nicht zu Grunde gelegen waren, gelten die Bestimmungen des § 65 sinngemäß.

(4) Die Verpflichtungen des Bauwerbers und des Eigentümers (aller Miteigentümer) der Liegenschaft bleiben unberührt."

Aus dem eingangs wiedergegebenen Bescheid der Baupolizei ergibt sich, dass bei dem mit Bescheid vom 19. Juli 1996 genehmigten, am 17. Februar 1997 begonnenen Bauvorhaben anlässlich der Ausführung (Keller, Erdgeschoß und 1. Stock waren bereits vollendet, am Dachgeschoß wurde gearbeitet) Abweichungen vom Plan festgestellt wurden. Damit greift aber die Bestimmung des § 125 Abs. 1 lit. a BO, wonach bei der Bauausführung für die Einhaltung der Baupläne, die nach dem Gesetz ausgeführt werden dürfen, der Bauführer verantwortlich ist.

Wenn die belangte Behörde meint, die Verantwortlichkeit des Bauwerbers bleibe neben einer Bestellung des Bauausführenden bestehen, verkennt sie offenbar die Bestimmung des § 125 Abs. 4 BO. Anders als § 135 Abs. 3 BO ist in § 125 Abs. 4 BO eine kumulative Verantwortlichkeit nicht normiert, was sich schon aus dem Fehlen des Wortes "neben" ergibt. Vielmehr soll nach dem Willen des Gesetzgebers verwaltungsrechtlich der Behörde gegenüber jeweils derjenige verantwortlich sein, der in eigener Verantwortung eine bestimmte Tätigkeit ausübt (vgl. hierzu die bei Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften, 3. Auflage, S. 530, abgedruckten Erläuternden Bemerkungen zur Novelle 1976). Während etwa der Bauwerber für die Auswahl des Bauführers verantwortlich ist (§ 124 Abs. 1 BO), worauf auch § 125 Abs. 4 BO verweist, ist der dem Gesetz entsprechend bestellte Bauführer für die planwidrige Ausführung allein verantwortlich (siehe auch das hg. Erkenntnis vom 28. September 1999, Zl. 99/05/0145).

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Eine allfällige Organstellung des Beschwerdeführers bei der Bauführergesellschaft, die durchaus relevant wäre (siehe das hg. Erkenntnis vom 3. September 1999, Zl. 98/05/0139) ist hier nicht aktenkundig. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. Oktober 2001

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999050024.X00

Im RIS seit

19.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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