TE UVS Niederösterreich 1997/06/20 Senat-KO-96-458

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Veröffentlicht am 20.06.1997
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Spruch

Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51, keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

 

Der Berufungswerber hat gemäß § 64 Abs 1 und 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52, S 200,--als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen 2 Wochen zu zahlen.

 

Innerhalb gleicher Frist sind der Strafbetrag und die Kosten des Verfahrens erster Instanz zu bezahlen (§59 Abs 2 AVG).

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber wegen Übertretung des § 20 Abs 2 iVm § 99 Abs 3 lit a StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von S 1000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 54 Stunden) verhängt. In diesem Straferkenntnis wurde als erwiesen angesehen, dass der Beschuldigte am **.**.** um **.** Uhr im Ortsgebiet von S*** auf der Bundesstraße *** auf Höhe km 60,500 bei der Fahrt in Richtung S*** als Lenker des Kombi *** **-*** im Ortsgebiet von S*** schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gefahren ist (85 km/h gemessene Geschwindigkeit).

 

Der Beschuldigte hat gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht Berufung erhoben.

 

Er macht geltend, er habe damals getrachtet, einem LKW nachzukommen, der in Höhe des Lieferbetonwerkes zwischen L*** und S*** durch herabfallende Steine die Windschutzscheibe seines Fahrzeuges beschädigt hatte; nachdem er sein Fahrzeug kurz angehalten habe, um den Schaden festzustellen, habe er versucht, dem LKW nachzukommen, wobei er offensichtlich vom S*** Radar geblitzt worden sei. Dies könnten Herr B*** S*** und Frau M*** S*** bestätigen; außerdem liege die Anzeige gegen den LKW-Fahrer am Gendarmerieposten X auf.

 

Er ersuche daher, in diesem Fall von einer Strafe abzusehen, da es ihm ohne Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht möglich gewesen wäre, den LKW einzuholen und nach Ablesen des Kennzeichens Anzeige zu erstatten.

 

Die vom Berufungswerber am **.**.** erstattete Anzeige (Beschädigung der Windschutzscheibe durch Steinschlag, wobei von der Ladung des LKWs mit dem Sattelanhänger ** *** Steine auf die Windschutzscheibe des Fahrzeuges des Beschuldigten fielen) befindet sich im erstinstanzlichen Akt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Gemäß § 20 Abs 2 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h fahren.

 

Im vorliegenden Fall macht der Berufungswerber geltend, es sei richtig, dass er damals die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten habe; dies sei jedoch notwendig gewesen, um jenen LKW, der durch herabfallende Steine die Windschutzscheibe seines Fahrzeuges beschädigt hatte, einzuholen und Anzeige erstatten zu können.

 

Nun ist zwar gemäß § 6 VStG eine Tat dann nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt ist. Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann unter Notstand aber nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht; dies trifft allerdings auf eine wirtschaftliche Schädigung, sofern sie die Lebensmöglichkeit selbst nicht unmittelbar bedroht, nicht zu.

 

Im vorliegenden Fall ist zwar die Handlungsweise des Berufungswerbers nachvollziehbar, im Sinne der zitierten Rechtsprechung aber dennoch nicht gerechtfertigt, da sie lediglich auf die Abwehr einer die Lebensmöglichkeit nicht unmittelbar bedrohenden wirtschaftlichen Schädigung gerichtet war; das öffentliche Interesse an der Wahrung der Verkehrssicherheit (welches durch eine Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit im Ortsgebiet um 60 % in gravierendem Ausmaß beeinträchtigt wird) ist gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Beschuldigten an der Feststellung des Schädigers als höherrangiges Rechtsgut einzustufen.

 

Nach Auffassung der Berufungsbehörde ist daher der Schuldspruch der Behörde I Instanz zu Recht ergangen.

 

Hinsichtlich der Strafhöhe wurde erwogen:

 

Wie bereits ausgeführt, wurde der Schutzzweck der verletzten Gesetzesbestimmung, nämlich die Wahrung der Verkehrssicherheit, durch das Verhalten des Beschuldigten erheblich beeinträchtigt; verfahrungsgemäß führt das Überschreiten der höchstzulässigen Geschwindigkeit im Ortsgebiet immer wieder zu schweren Verkehrsunfällen. Im vorliegenden Fall überschreitet die gemessene Geschwindigkeit von 85 km/h (was unter Berücksichtigung der Messtoleranz von +/-5 km/h eine gefahrene Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h ergibt) die am Tatort zulässige Höchstgeschwindigkeit um 60 %, was eine Verlängerung des Anhalteweges auf 88 m (gegenüber einem Anhalteweg von 40 m bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h) und somit auf mehr als das doppelte Ausmaß zur Folge hat und daher einen durchaus gravierenden Verstoß gegen die genannte Bestimmung darstellt. Trotz des Fehlens sonstiger nachteiliger Folgen kann daher der objektive Unrechtsgehalt des gesetzten Delikts nicht als geringfügig angesehen werden. Im Hinblick auf die vorsätzliche Begehung des Delikts ist auch das Ausmaß des Verschuldens als erheblich zu werten.

 

Mildernd ist allerdings der Umstand, dass sich der Berufungswerber immerhin in einer notstandsähnlichen Situation befunden hat (wenn auch das Vorliegen eines echten Notstandes verneint werden muss); erschwerend ist hingegen eine einschlägige Vormerkung des Beschuldigten aus dem Jahr ****.

 

Laut eigenen Angaben verfügt der Beschuldigte über ein monatliches Einkommen von ca S 10000,-- und ist für seine Gattin sorgepflichtig.

 

Weiters ist bei der Strafbemessung auch davon auszugehen, dass nicht nur der Beschuldigte selbst, sondern auch die Allgemeinheit von der Begehung weiterer gleichartiger Verwaltungsübertretungen abgehalten werden soll, sodass auch eine generalpräventive Wirkung entsteht.

 

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände gelangt die Berufungsbehörde zu der Auffassung, dass die von der Behörde I. Instanz verhängte Strafe von S 1000,-- (insbesondere im Hinblick auf die bestehende einschlägige Verwaltungsvorstrafe des Beschuldigten)nicht als überhöht betrachtet werden kann. Es wird darauf hingewiesen, dass der gesetzliche Strafrahmen bis zu S 10000,-- reicht.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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