TE UVS Steiermark 1997/06/26 30.17-38/97

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Veröffentlicht am 26.06.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Cornelia Meixner über die Berufung des Herrn Engelbert K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Knittelfeld vom 5.2.1997, GZ.: 15.1 1996/2589, wie folgt entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren hinsichtlich Punkt 1) gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG und hinsichtlich Punkt 2) gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 11.5.1996, um 16.00 Uhr, in Knittelfeld, auf Höhe des Hauses Herrengasse Nr. 13, als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen KF 5RND

1) mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, indem er den Schaden am Fahrrad des Zweitbeteiligten nicht zur Kenntnis nehmen wollte und

2) mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt, obwohl er seinen Namen und seine Nachschrift nicht nachgewiesen hätte. Wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 4 Abs 1 lit c StVO wurde über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs 2 a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (ein Tag Ersatzarrest) zu Punkt 1)  und wegen Verletzung der Rechtsvorschrift des § 4 Abs 5 StVO gemäß § 99 Abs 3 b leg cit eine Geldstrafe in der Höhe von

S 500,-- (12 Stunden Ersatzarrest) zu Punkt 2) verhängt. In der innerhalb offener Frist gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde vom Berufungswerber im wesentlichen ausgeführt, daß er keine Kenntnis vom Verkehrsunfall mit Sachschaden hatte, da der Zweitbeteiligte sich nur kurz am Unfallsort aufgehalten und nach maximal 30 Sekunden auf sein Rennrad gestiegen und weggefahren sei.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 10.6.1997, anläßlich der auch der Zweitbeteiligte als Zeuge einvernommen wurde, kann nachfolgender Sachverhalt festgestellt werden:

Am 11.5.1996, gegen 16.00 Uhr, fuhr der Berufungswerber mit seinem Pkw der Marke Ford Escort mit dem Kennzeichen KF 5RND im Gemeindegebiet von Knittelfeld von der Landesstraße L 518 in die Herrengasse. Nach ca. 100 bis 150 Meter fuhr er mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 km/h auf einen auf der rechten Straßenseite gelegenen, vor der Trafik Gröbminger schräg angeordneten Parkplatz. Dabei kam es zu einer Kollision mit dem als Zeugen einvernommenen Radfahrer Stefan R. Dieser stieß mit dem Vorderrad seines Fahrrades gegen das rechte Vorderrad des Fahrzeuges des Berufungswerbers, fiel zuerst über sein Fahrrad und anschließend gemeinsam mit seinem Fahrrad über die Motorhaube des Fahrzeuges, sodaß er vor dem linken Vorderrad des Fahrzeuges des Berufungswerbers zu Boden stürzte. Der Berufungswerber hielt sein Fahrzeug kurz an, als er das Kollisionsgeräusch hörte und fuhr weiter auf den Parkplatz, als er den Zeugen Stefan R an seinem Fahrrad herumhantieren sah. Der Zeuge Stefan R, der rechts am Knie und am Ellenbogen Hautabschürfungen und an der Hüfte eine Prellung erlitt, fluchte vor sich hin, während er stehend sein beschädigtes Fahrrad untersuchte bzw. die heruntergesprungene Fahrradkette montierte. Der Berufungswerber ging zur Trafik, kaufte sich eine Packung Zigaretten, zündete sich eine Zigarette an und beobachtete den Radfahrer aus der Ferne. Er erkundigte sich weder nach dem Befinden des gestürzten Radfahrers, noch ob das Fahrrad beschädigt wurde; auch wies er gegenüber dem Zeugen Stefan R seine Identität nicht nach. Als der Radfahrer nach kurzer Zeit die Unfallstelle verließ, untersuchte der Berufungswerber sein Fahrzeug auf etwaige Schäden, und da er keine feststellen konnte, setzte er seine Fahrt zu einem nahegelegenen Lokal fort. Dort wurde er vom Zeugen Stefan R gemeinsam mit dessen Vater angetroffen und vom erlittenen Personen- und Sachschaden in Kenntnis gesetzt. Der Berufungswerber fuhr daraufhin gegen 18.00 Uhr zur nächsten Gendarmeriedienststelle und erstattete eine Anzeige. Diese Feststellungen konnten im wesentlichen aufgrund der Angaben des Berufungswerbers selbst getroffen werden, welcher bereits bei der Anzeigeerstattung und auch in der Berufungsverhandlung vom 10.6.1997 ausführte, daß er weder den zweitbeteiligten Radfahrer über eine eventuell erlittene Verletzung befragt noch seine Identität nachgewiesen hat. Auch eine Verständigung der nächsten Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub wurde vom Berufungswerber nicht einmal behauptet.

In rechtlicher Hinsicht wurden der gegenständlichen Entscheidung

folgende Erwägungen zugrundegelegt:

Zu Punkt 1)

Gemäß § 4 Abs 1 lit c StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Die Mitwirkungspflicht dient dem Zweck, den Organen der öffentlichen Sicherheit die Aufnahme des Tatbestandes zu erleichtern und zu gewährleisten, daß die Behörde ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild des Unfallherganges, seiner Ursachen und Folgen gewinnt (VwGH 13.11.1967, Slg. 7219/A, 2.5.1965, 2210/65 und 13.3.1979, ZVR 1980/117).

So bedeutet "Mitwirken" nach herrschender Rechtsansicht ein Tätigwerden, damit die erhebenden Organe der öffentlichen Sicherheit genaue Feststellungen über Unfallsort, Unfallszeit, Lichtverhältnisse, Straßenzustand, Unfallbeteiligte, nähere Unfallumstände und verursachte Schäden treffen, Unfallskizzen anfertigen bzw. den Sachverhalt sonstwie auf möglichst wirklichkeitsgetreue Weise feststellen können (VwGH 8.7.1981, ZVR 1972/128).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.1.1985, 85/18/0008, festgestellt hat, reicht diese Verpflichtung nur so weit, als es zur Feststellung von Sachverhaltselementen erforderlich ist und dient nicht dazu, unter Strafandrohung eine allgemeine Aussagepflicht oder gar ein Geständnis zu erzwingen. So stellt eine Bestreitung der Beteiligung am Zustandekommen eines Verkehrsunfalles genauso wenig eine Verletzung des § 4 Abs 1 lit c StVO dar, wie die Weigerung, einen Schaden zur Kenntnis zu nehmen. Daß der Berufungswerber jedoch durch Unterlassen einer konkreten Handlung nicht aktiv an der Sachverhaltserhebung mitgewirkt hat, wurde ihm nicht binnen der im Verwaltungsstrafverfahren herrschenden Verfolgungsfristen zur Last gelegt, weshalb auch der Berufungsbehörde eine Sanierung dieses Mangels nicht möglich war.

Da gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen hat, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet und die Behörde gemäß § 25 Abs 2 VStG die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen hat wie die belastenden, war das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

Zu Punkt 2):

Gemäß § 4 Abs 5 StVO haben die im Absatz 1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Absatz 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Gemäß § 4 Abs 2 StVO 1960 besteht die Pflicht, bei einem Unfall mit Personenschaden die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen. Voraussetzung für das Entstehen dieser Pflicht ist der ursächliche Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall und die Verletzung einer anderen Person (VwGH 31.1.1972, Zl. 886/71). Nach herrschender Rechtsansicht ist der Tatbestand des § 4 Abs 2 StVO schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Unfalles, insbesondere aber die Möglichkeit der Verletzung einer Person zu erkennen vermocht hätte, wobei bei einem zu Sturz gekommenen Radfahrer jedenfalls mit Verletzungen gerechnet werden muß.

Der Berufungswerber hätte sich daher von der Unversehrtheit des Zeugen R überzeugen müssen, bevor er von der Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle absieht. Wenn er unter Hinweis auf die Flüche des Radfahrers eventuell Notstand geltend machen möchte, so ist auf die diesbezügliche Judikatur zu verweisen, wonach der Berufungswerber die Möglichkeit gehabt hätte, sich unter den Schutz des Unfallkommandos zu stellen. Auf die Art der Verletzung kommt es dagegen nicht an. Das Gesetz macht keinen Unterschied zwischen schweren und leichten Verletzungen, sodaß die Pflicht zur Verständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle auch bei nicht nennenswerten Verletzungen besteht (VwGH 9.5.1980, Slg. 10.120/A, und 25.11.1985, 85/02/0208). Es kommt auch nicht darauf an, ob Verletzungen einer ärztlichen Versorgung bedürfen (VwGH 9.5.1980, Slg. 10.120/A) oder ob der Radfahrer seine Fahrt fortsetzt (VwGH 25.11.1985, 85/02/0208).

Hinsichtlich des Zeitpunktes normiert § 4 Abs 2 StVO 1960, daß die Verständigung "sofort" zu erfolgen hat, wobei das Wort "sofort" nach seiner eigentümlichen Bedeutung, also streng auszulegen ist (VwGH 27.1.1962, ZVR 1962/228, 2.10.1967, ZVR 1969/2, 16.2.1983, ZVR 1983/219). Die Verständigung ist daher so rasch wie möglich vorzunehmen.

Wenn daher der Berufungswerber vorbringt, er sei erst zwei Stunden nach dem gegenständlichen Verkehrsunfall über den Personenschaden in Kenntnis gesetzt worden, so ist auf die obzitierte höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach er sofort die nächste Gendarmeriedienststelle aufzusuchen und seiner Meldepflicht nachzukommen gehabt hätte. Da er sich jedoch zuerst in das Parkcafe P begeben und die Meldung erst zwei Stunden später erstattet hat, hat er gegen die Bestimmung des § Abs 2 StVO verstoßen. Daß er erst zwei Stunden später vom Personenschaden Kenntnis erlangt hat, hat er seinem gesetzwidrigen Verhalten zuzuschreiben und wäre daher auch von ihm zu verantworten. Da die Erstbehörde dies nicht erkannt und das ordnungsgemäß eingeleitete Verfahren nach § 4 Abs 2 StVO mit ihrer Erledigung vom 24.9.1996 eingestellt hat, liegt eine entschiedene Sache vor und ist es der Berufungsbehörde auch in diesem Punkt verwehrt, den Tatvorhalt abzuändern.

Da weiters gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen hat, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, war auch hinsichtlich Punkt 2) der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren im Sinne der obzitierten gesetzlichen Bestimmung einzustellen.

Schlagworte
mitwirken Geständnis Weigerung Tatbestandsmerkmal
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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